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»Das war ein herrlicher Tag!« antwortete Frona. »Aber morgen. Erst morgen werden wir unsere Kraft wirklich brauchen. Morgen früh beginnt der Schicksalstag.«

»Ich stehe zu euch«, versprach Corliss. »Ich wünsche diesem Burschen, der mir Ihr Herz gestohlen hat, nichts Gutes. Aber bis er von diesem Verdacht gereinigt ist, bis er frei ist, solange will ich alles vergessen. Und ich bin auch stark genug, wirklich alles zu vergessen. Wenn ich nicht Angst vor großen Worten hätte, würde ich sagen: Ich stehe zu euch bis zum Tod.«

»Wie Sie sind, Vance! Ich kann es Ihnen nie vergelten.«

»Vergelten? Liebe kann man nicht vergelten. Lieben heißt: dienen. So verstehe ich es.«

Bei diesen Worten schoß Frona alles durch den Kopf, was sie mit Vance erlebt, was sie von ihm erfahren, und jedes Wort, das sie von ihm gehört hatte.

»Wir müssen so echte, so gute Freunde sein und immer bleiben, Vance, daß nie wieder ein falscher Gedanke zwischen uns treten kann. Es gibt dumme Menschen, die nicht glauben wollen, daß es Freundschaft zwischen Mann und Frau gibt. Aber wie ich Sie liebe, wie ich Sie verehre, als Kameraden, als Mann, als Freund, davon wissen diese Menschen nichts!«

»Kameradschaft?« fragte er. »Jetzt sind Sie grausam, Frona. Denn Sie wissen doch, daß ich Sie - liebe?«

»Ja«, sagte sie leise.

Sie waren eigentlich zum Sterben müde, Frona und Corliss; sie hatten an einem Tag erlebt, was den Inhalt eines Jahres bilden konnte. Mit ihren Muskeln wie mit ihrem Hirn, mit ihren Armen wie mit ihrem Herzen hatte die junge Frona bis zur Verzweiflung gerungen und gekämpft, fast ohne Pause, mit wenig Schlaf, mit wenig Nahrung. Aber in tiefer Nacht rief sie noch die Vertrauten zusammen, entwarf ihren Kriegsplan für den nächsten Tag und wies jedem seine Rolle zu. Wenn der Gerichtshof ein gerechtes Urteil sprach, war alles gut. Fällte er einen Fehlspruch, dann galt Gewalt gegen Justizmord und Flucht gegen ungerechte Verfolgung.

»Es ist abenteuerlich, mein Kind, vielleicht ist es Wahnsinn«, urteilte Jacob Welse. »Aber für den Augenblick schaffen wir dem armen Burschen Luft. Ich glaube auch, daß es gelingen wird. Wir werden dafür sorgen, daß er dann vor ein wirkliches Gericht kommt, denn die Gerechtigkeit darf nicht betrogen werden. Die Leute hier im Wald sollen nicht glauben, daß sie außerhalb des Gesetzes stehen.«

»Eine ‘errlicke Staatscoup«, frohlockte der Baron, »‘errlick! ‘errlick! ‘ände ‘ock! Ick werden rufen - Skreckerlick streng! Und fürkterlick.«

»Aber wenn sie die Hände nicht hoch heben -?« fragte Jacob Welse.

»Dann schießen Sie, Courbertin!« rief Frona, hundertprozentig entschlossen. »Man darf nicht bluffen, wenn man ein Leben zu retten hat.«

»Ick ssießen, Mademoiselle! Ick ssießen und treffen!«

»Und Sie stehen mit dem Boot bereit, Vance! Sie warten den ganzen Tag, wir werden Ihnen keine Botschaft geben können. Wenn Gregory angestürzt kommt, springt er zu Ihnen ins Boot, und dann fort mit ihm, nach Dawson!«

Dann sackte sie ab, sie fiel vom Stuhl und blieb, ohne Decken, ohne Kissen, steif auf dem Boden liegen. Die Müdigkeit hatte sie plötzlich überfallen wie ein feindlicher Riese.

Jacob Welse wurde von den Goldgräbern mit aller Hochachtung empfangen, an die er gewöhnt war, und als er das Wort ergriff, herrschte tiefes Schweigen im Saale. »Meine Herren«, verkündete er. »Die Versammlung ist wider das Gesetz, und was Sie beschließen wollen, kann niemals ein Richterspruch sein. Es hat Zeiten gegeben, in denen dies Land ohne Regierung war und ohne Gesetze, und damals hatten wir das Recht, ja sogar die Pflicht, Übeltäter aus unseren Reihen zu stoßen oder selbst Gericht über sie zu halten. Heute aber haben wir eine Regierung. Dieser Mann gehört vor die Richter, die das Gesetz ihm zuweist, und wenn Sie ihn verurteilen, wenn Sie ihn hinrichten, begehen Sie ein Verbrechen, das man als Mord bezeichnen wird. Ich - und mir werden Sie glauben, daß meine Worte kein leerer Klang sind -, ich selbst werde der erste sein, der jeden, der sich hier das Amt eines Richters anmaßt oder gar das Amt eines Scharfrichters anmaßen möchte, der Strafe zuführen wird, die er verdient. Der Angeschuldigte ist in Haft zu nehmen. so weit reicht unsere Befugnis. Er ist in Haft zu halten, bis der Staat sich seiner bemächtigt. Ich habe gesprochen.«

»Ich beantrage Abstimmung über den Antrag des Herrn Jacob Welse«, sagte der Vorsitzende, ohne selbst Stellung zu nehmen.

»Das war kein Antrag, über den Sie abzustimmen haben!« unterbrach Welse mit furchtbarem Ernst. »Sie haben die Verhandlung aufzuheben und dieses rechtsbrecherische Verfahren zu schließen!«

»Sie haben gesprochen, Herr Welse. Jetzt sprechen wir!«

Damit hatte der Vorsitzende seine eigene Stellung gekennzeichnet, und im Augenblick wurde die Frage entschieden. Alle Hände flogen empor, als er die Versammlung fragte, ob sie sich befugt glaubte, ein Urteil zu fällen. Mit allen Stimmen war Welses Antrag abgelehnt.

»Du siehst, ich bin verloren«, flüsterte St. Vincent Frona zu. »Für mich gibt es keine Hoffnung.«

Aber Welse riß zum zweitenmal das Wort an sich und donnerte den Leuten zu, was er auf dem Herzen hatte: daß ein Lynchgericht mit dem Tode bestraft würde, daß ein ungeheurer Prozeß und maßlose Katastrophen über die Beteiligten hereinbrechen würden. Schrecken über Schrecken, wie Klondike sie noch nicht erlebt hatte. Er fand einige Anhänger, aus der Verhandlung wurde ein Chaos wild diskutierender und drohender Menschen, und in diesem Tohuwabohu von Stimmen gelang es Frona, ihrem Schützling mitzuteilen, was sie sich am Abend zuvor zu seiner Rettung ausgedacht hatte.

»Sie werden alle >Hände hoch< machen, wenn sie auf einmal in drei Revolvermündungen sehen! In diesem Augenblick kannst du fliehen. Das Boot liegt bereit. kümmere dich nicht um uns, nicht um meinen Vater, nicht um mich, Vincent! Sie werden die Hand nicht an uns legen! Und selbst wenn! In dieser Stunde bist du dir selbst der Nächste.«

»Das ist Wahnsinn«, hauchte er, grau das Gesicht und mit gesträubtem Haar.

»Aber es ist doch keine andere Rettung für dich!«

»Ich kann nicht, Frona.«

»Kämpfen sollst du, für dein Leben kämpfen!«

»Laß mich, laß mich!«

Die nächsten Zeugen, zwei Schweden, hatten aus geringer Entfernung jenen Auftritt beobachtet, als Borg einen Wutanfall bekam, weil St. Vincent und Bella zusammen gelacht hatten. Es war ein lächerlich kleines Begebnis, das sie ausführlich schilderten, aber es ließ doch Schlüsse auf die ganze Situation in Borgs Hütte zu. Dann folgte ein halbes Dutzend Zeugen, die im Auftrag des Richters den Schauplatz des Verbrechens und die ganze Insel untersucht hatten. Von den beiden geheimnisvollen Männern, die nach der Angabe Gregorys den Mord begangen haben sollten, hatten sie nicht die geringste Spur gefunden.

Nach ihnen betrat zu Fronas Entsetzen Del Bishop den Zeugenstand. Sie wußte, daß er Vincent haßte, aber sie begriff nicht, was er zur Sache aussagen konnte. Immer hatte sie ihn für einen groben, aber ehrlichen Burschen gehalten. Einen niedrigen Racheakt traute sie ihm nicht zu. Was würde er sagen? Als er den Eid abgelegt hatte, fragte ihn der Richter nach seiner Beschäftigung.

»Ich suche >Goldtaschen<!« rief er herausfordernd.

Goldtaschensuchen ist eine besondere Art der Goldgräberei, an die nur wenige glauben.

»Dann wirst du lang herumwühlen müssen, mein Junge«, höhnte ein Mann im Auditorium. »Wenn du nicht vorher verhungerst.«

Del bekam einen roten Kopf: »Herr Vorsitzender«, sagte er, »ich weiß auch, was die Würde des Gerichts ist. Aber das möchte ich ganz bescheiden zu verstehen geben, wenn die Verhandlung vorbei ist, dann kriegt jeder, der sich hier gegen mich was herausnimmt, einen Nasenstüber, daß er bis >zehn< zu Boden geht und vielleicht noch ‘n bißchen länger liegenbleibt.«

»Sprechen Sie zur Sache!« befahl der Vorsitzende und schlug mit dem Hammer auf den Tisch. »Also Goldtaschensucher sind Sie?« Dabei lief über das Gesicht des sonst so sachlichen Mannes dasselbe breite Lachen, wie die meisten Gesichter im Saal es zeigten.