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»Den ersten Nasenstüber, der auch aus Versehen in dem werten Brotladen sitzen könnte, Herr Vorsitzender, den verspreche ich Ihnen. Sie wollen nicht glauben, daß ich Goldtaschen finde? Na, warten Sie! Fünf Minuten, nachdem der Jüngling da drüben baumelt, können Sie Ihre kostbaren Knochen sortieren, Herr Vorsitzender. Das nur nebenbei, damit Sie Bescheid wissen. Mein Name ist Bishop.«

»Das ist zuviel!«

Der Richter warf den Rock ab und krempelte die Ärmel hoch.

»Jetzt nur ‘ran, du Lümmel!«

Bishop ging sofort in Positur, und Frona durfte einen Augenblick hoffen, daß das ganze Gerichtsverfahren sich in einer jener Massenkeilereien auflösen würde, bei der einmal zuschauen zu dürfen sie sich schon lange wünschte.

Vielleicht war es gerade das, was der brave Bishop erreichen wollte, um aus dem ganzen Lynchgericht eine Farce, aus der Tragödie eine Komödie zu machen? Mit flammenden Augen schaute Frona auf die beiden Männer, die in prachtvoller Boxhaltung einander gegenüberstanden. Aber schrecklich! Da warf Bill Brown sich dazwischen.

»Muß ich Sie bitten, die Würde des Gerichts wahrzunehmen, Herr Vorsitzender? Es ist ein Skandal, es ist unglaublich! Nehmen Sie die Verhandlung auf! Wir sind hier nicht in der Bar! Außerdem scheinen Sie beide zu vergessen, daß in diesem Saal eine Dame sich aufhält!«

Im Augenblick war die Ruhe wiederhergestellt, und Bishop sagte aus, als wenn nichts geschehen wäre:

»Jetzt will ich Ihnen mal so einiges über den Herrn darbieten, den Doktor, so, was man ein Charakterbild nennt. Das ist nämlich ein sauberer Patron, Sie werden sich wundern!«

Zum erstenmal packte St. Vincent die Wut und überwältigte fast seine Verzweiflung.

»Halten Sie den Mund!« brüllte er zitternd. »Herr Vorsitzender, das ist ein Verrückter! Soll dieser Kerl, den ich einmal in meinem Leben gesehen habe, über meinen Charakter aussagen?«

»Ach so, du kennst mich nicht, mein Junge?« fragte höhnisch der Goldtaschensucher. »Na, da werden wir einmal deinem Gedächtnis ein bißchen nachhelfen.«

»Ich bin dem Mann einmal im Leben begegnet, nur für ein paar Augenblicke, und das war in Dawson«, erklärte St. Vincent fest.

»Ist das so sicher, Herr Doktor Gregory St. Vincent? Denken Sie einmal nach - stellen Sie sich einmal vor, ich hätte hier so eine lange Klosettbürste ums Kinn herum und hieße nicht Bishop, sondern Joe Brown! Und dann denken Sie einmal an das gesegnete Jahr 1884 zurück. Hatten Sie da nicht so einen jungen Seemann namens Joe Brown, der von seinem Schiff desertiert war, in Lohn und Brot genommen? Ja, mein Junge, jetzt fällt dir ja wohl so manches ein?«

Das Wiedererkennen zeichnete sich auf Gregorys Gesicht so deutlich ab, daß ringsum höhnisches Lachen ertönte. Man sah, daß in diesem Augenblick Gregorys ganzes Lebensgerüst zerfiel. So wie er konnte nur ein ertappter Spitzbube aussehen.

»Ja, sehr gut sind wir ja wohl nicht miteinander gefahren, Sie und der arme Junge, den Sie da in Dienst hatten und der heute Bishop heißt. Sie mit Ihren Weibern, immer hinter den Weibern her, und überall Krach und Stunk, und immer soll der gute Joe Brown Sie aus allem Salat wieder herausziehen! Ja, so war das ja wohl?«

»Ich protestiere!« rief Frona. »Ob Herr Dr. St. Vincent Liebesgeschichten gehabt hat oder nicht, das hat mit dieser Sache gar nichts zu tun.«

Bill Brown erhob sich: »Herr Vorsitzender, Bishop ist unser Hauptzeuge, und seine Aussage ist wichtig. Da wir keine Tatzeugen haben, kommt alles auf Indizien an, und der Charakter des Angeklagten muß bis in die letzte Falte geprüft werden. Ich beabsichtige, zu beweisen, daß der Angeklagte ein Lügner und jedes Verbrechens fähig ist. Ich will Faden zu Faden flechten, bis wir einen Strick in der Hand haben, lang und stark genug, um ihn daran aufzuknüpfen. Ich bitte, den Zeugen fortfahren zu lassen.«

Und Del fuhr fort:    »Einmal mußten wir da die Stromschnellen hinunter, meine Herren, das war gerade keine Heldentat, aber ein Vergnügen kann man das auch nicht nennen. St. Vincent versteht was vom Rudern, aber ich lern’s in meinem Leben nicht, ich bin überhaupt nicht fürs Wasser geboren. Obwohl ich immer wieder mit dem Wasser zu tun hab’, davon abgesehen. das ist nun einmal so Schicksalstücke. Läßt der Kerl mich nicht allein im Boot? Läßt mich die ganze gottverfluchte Höllenfahrt machen und geht selbst am Ufer spazieren, warm, gesund und trocken? Ja, und wie dann mein Boot glücklich kentert und die halbe Ausrüstung verlorengeht und mein ganzer Tabak und ich gerade noch mit knapper Not das nackte Leben rette, zwei Knochen kaputt und die Nase ein einziger Brei, schimpft er mich einen >Chechaquo< und einen >Taugenichts< und zieht mir zehn Dollar vom Lohn ab! Ja, so ist der feine Herr da drüben! Und jetzt kommen wir an die Geschichte mit den Schwarzfußindianern. Ja, da hat auch nicht viel gefehlt, und ich hätte für den gottverfluchten Lümmel mein süßes, junges Leben hergeben müssen.«

»Wie war das? Erzählen Sie das genauer!« verlangte der Ankläger.

»Na, wegen so einer Squaw war das eben. Was soll’s denn sonst sein? Da hab’ ich ihn mit genauer Not aus der Bredouille herausgebracht und mich schließlich auch. Dann hat er mir versprochen, daß er sich bessern will. Aber vier Wochen später hat er schon wieder die Pfoten an den Indianerweibern, und ich hab’ für ihn die Prügel bezogen. Wie ich ihm danach väterlich zusprechen will, ist er wieder frech geworden, und da ist mir dann nichts übriggeblieben, als einmal ein bißchen an den Fluß hinunterzugehen! Und dann hab’ ich meinem Herrn Chef eine Portion gegeben. Aber nicht zu knapp! Können Sie sich jetzt vielleicht erinnern, Herr Chef? Solche Hiebe haben Sie seitdem nur noch einmal bekommen wie damals in der idyllischen Mondscheinlandschaft am >Windigen Arm<! Mit den Weibern versteht er ja wohl umzugehen, das muß ich allerdings zugeben. Er pfeift nur so, und dann kommen sie angewackelt und machen Kusch, und dann kann er machen, was er will. Also, da war noch eine verdammt hübsche Squaw, fast so hübsch wie die Bella. Da pfiff er ja wohl auch, weil er nun einmal die Schwäche hat. «

»Es genügt, Herr Zeuge«, unterbrach ihn der Vorsitzende. »Wir haben genug von den Squaws gehört.«

»Diesmal bitte ich, den Zeugen nicht zu stören!« protestierte Frona und sah dabei ganz sorglos aus. »Jetzt scheint mir das Thema wichtig zu sein.«

»Immer das Unterbrechen!« knurrte Bishop. »So einen Vorsitzenden habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Und Sie können mir schon glauben, daß ich in ein paar Weltteilen mit dem Gericht so die eine oder andere kleine Bekanntschaft gemacht hab’. Ich könnte schon lange fertig sein, aber immer fährt mir da irgend so ein Grünschnabel dazwischen. Ich bitte auch um Verzeihung, Herr Vorsitzender, natürlich will ich Ihrer Würde nicht zu nahe treten. Also da hatte mein Gregory ja wohl eine Wut auf mich, wegen der väterlichen Züchtigung, wenn ich so sagen darf. Und außerdem hat er vielleicht gedacht, eine hübsche Squaw im Boot ist besser als ein borstiger Junge mit dem Fußsack am Kinn. Auf einmal krieg’ ich da von hinten eines mit dem Gewehrkolben über das Köpfchen, ‘rein die Squaw ins Kanu, mich liegengelassen und los. Wie das Yukonland damals war, das wißt ihr ja, Leute! Stellt euch da einmal einen vor, ohne Ausrüstung, mutterseelenallein, tausend Meilen tief in der Wildnis. Ist das ein Wunder, daß ich nicht gut auf den werten Herrn zu sprechen bin? Gerettet habe ich mich ja, sonst könnte ich euch das alles nicht erzählen. Aber eine Vergnügungsreise war es nicht, und daß ich nicht verhungert und erfroren bin, das begreife ich selbst noch nicht ganz. Und nun hab’ ich hier auch so ein Buch in der Hand, das hat mir die Frau von Peter Whipple verkauft, und das ist ein sehr interessantes Buch, wenn’s auch auf russisch geschrieben ist, und wenn ich auch kein Russisch lesen kann. Aber wenn hier einer Russisch lesen könnte, dann wär’ das schön. Denn da steht auch so einiges drin, was den feinen Herrn ins richtige Licht setzt.«