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Der Planet hatte in den wenigen Tagen, die wir um ihn kreisten, Delth verändert, er war nicht mehr der alle Zweifel vom Tisch wischende Kommandant des Schiffs.

Draußen brüllten die Triebwerke einer startenden Rakete auf, sie beförderte Mineralien ins Schiff, Halbmetalle, die das Schiff benötigte, um abgenutzte Teile zu ersetzen und um mehr und immer mehr Geräte und Ausrüstungen zu produzieren.

Ringsum heulten und pfiffen Milliarden Kubikkilometer giftiger Atmosphäre, knirschten Kontinente toten Gesteins. Andymon! Wir wollten den Planeten gründlich umformen — würde er nicht Gleiches mit Gleichem vergelten?

Aussaat

Über drei Wochen kreiste das Schiff um Andymon, wir alle hatten den Planeten betreten, doch noch immer hatte die eigentliche Umgestaltung nicht begonnen. Ich war mit der Errichtung eines Netzes von automatischen Überwachungspunkten beschäftigt, die uns eine weitgehende Kontrolle über alle Vorgänge in der Andymonatmosphäre gewährleisten sollten, doch nach und nach begann ich mich zu fragen, weshalb nichts Entscheidendes geschah.

Gamma, die mit den Genetikern zusammenarbeitete, zeigte sich nicht besonders gesprächig. Sie aß nicht im Speisesaal, kam jeden Tag spät aus dem Labor und war dann so zerschlagen, daß ich anfing, mir Sorgen um ihre Gesundheit zu machen. Und wenn ich sie fragte, antwortete sie: „Nichts Neues“ oder warf mir Brocken von Sätzen über irgendein Detail hin, das ich nicht einordnen konnte.

Eines Vormittags hielt ich die Ungewißheit nicht länger aus. Ich beschloß, meine Programme und Meßreihen zu verlassen, um nach Gamma und dem Stand der genetischen Arbeit zu sehen. Ich fand die Tür des Biolabors verschlossen, von innen verriegelt. Einen Augenblick glaubte ich an einen Unfall, eine Verseuchung, die die automatische Verriegelung ausgelöst hätte, nein, gleichzeitig und genauso automatisch wären wir alarmiert worden. Ich zuckte mit den Schultern, na schön, dann wollten sie eben nicht gestört werden. Unzufrieden trottete ich den Gang zurück.

Fith aus der dritten Gruppe kam mir mit erhobenen Händen entgegen. „Na, haben sie sich immer noch verbarrikadiert?“ fragte er und gab mir einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter. Ich nickte. „Ja“, erklärte er mir grinsend, „seit sie uns vorgestern rausgeworfen haben, sperren sie ab. Die penetrante Neugier würde sie nur von der Arbeit abhalten. Das ist typisch Jota, nicht wahr? Und das Intercom haben sie auch abgeschaltet.“

Noch während wir miteinander sprachen, trat zögernd die kleine Daleta auf uns zu. Sie lächelte uns freundlich an und fragte erwartungsvolclass="underline" „Wie steht’s? Gibt’s was Neues? Wann sind die endlich fertig?“

Wären wir länger stehengeblieben, hätte sich ein Auflauf gebildet. Alle Wege des Schiffs schienen an der verschlossenen Labortür vorbeizuführen. Jeder wartete auf das entscheidende Ereignis.

Am nächsten Tag hing an der Tür des Biolabors ein mit braunem Filzstift fahrig beschriebener Zettel. Ich drängte mich in die Traube erregt diskutierender Gefährten, bis ich lesen konnte:

Forschungen verlaufen planmäßig.

Hilfe nicht nötig.

Mutationsrate weiter gesenkt. JOTA

Mich boxte jemand in die Seite, es war Shinth. „Beth, was ist eine Mutationsrate?“ fragte er.

Ich holte tief Luft, da fing mein Ohr eine unglaubliche Behauptung auf.

„Mir hat Ilona gesagt, in einem halben Jahr könne man frühestens mit einer brauchbaren Alge rechnen.“

Ein Schweigen der Enttäuschung. Die Geschwister standen betreten da, die Lippen zusammengekniffen oder zu Boden starrend. Dann brach sich Entrüstung Bahn.

„Was machen die nur im Labor?“

„Ruft Delth, Delth muß her!“

„Ist schon unterwegs.“

Tatsächlich kam er gerade herangeeilt. Inzwischen war es auf dem Korridor recht eng geworden. Alle redeten durcheinander. Delth bat um Ruhe. „Was wollt ihr denn?“ fragte er. „Was erwartet ihr? Ein Wunder? Sofort?“ Sein Blick, der mich traf, drückte Mißbilligung aus. Ich zuckte mit den Schultern, schließlich war ich nur zufällig hier. „Ein halbes Jahr ist euch zuviel? Ihr werdet noch länger warten müssen, warten und warten und warten…“

Es klang, als habe er Freude an dem Gedanken, jedoch wußte ich, daß dieser Delth genauso quälte wie mich oder die anderen - vielleicht sogar mehr.

„Jeder Tag, den wir jetzt länger warten, erspart uns vielleicht Jahre. Und unsere Geschwister wissen, was sie tun. Wenn sie sagen, es dauert noch so lange, dann haben sie ihre Gründe für diese Annahme.“

Ich schwieg, doch vor allem die Jüngeren murrten. Das Bulletin an der Labortür empfanden sie als Beleidigung ihres Informationsbedürfnisses. Ein Witzbold hatte das „planmäßig“ ausgestrichen und durch „im Sande“ ersetzt. Myth war gerade dabei, auch noch „nötig“ gegen „möglich“ und „Mutation“ gegen „Erfolg“ auszutauschen.

Delth, der begriffen hatte, daß eine bessere Information und ein klärendes Gespräch notwendig waren, trat an das nächste Intercom. Schadenfroh beobachtete ich ihn. Doch er mußte einen besonderen Code kennen, und nach einem erregten Wortwechsel nickte er uns zu. Weitere zehn Minuten noch standen wir vor geschlossener Tür, dann bequemte man sich zu öffnen.

Mißmutig beobachtete Jota, wie wir in ihr Reich drangen, die Aufschriften der Proberöhrchen lasen, durch die runden Fenster der Autoklaven schauten, an den Displays herumspielten.

Ich hatte inzwischen in einem Nachbarzimmer Gamma entdeckt. Sie schaute mich mit einem müden Lächeln an und war Minuten später wieder in ihre Arbeit versunken. Ich stand da und betrachtete sie. Was wollte ich eigentlich? Daß sie mir ständig hinterherlief? Ihr die Arbeit wegnehmen? Es war ein unschönes Gefühl, sich von der Alge auf Platz zwei verdrängt zu wissen. Ich räusperte mich, doch Gamma schaute nicht auf. Die Hände aneinanderschlagend, ging ich zurück. Irgendwann würden sie ja ihre dämliche Alge hochgepäppelt haben.

„Ja, es wird wahrscheinlich noch lange dauern“, bekannte Jota. „Wir vollziehen hier Evolution nach, einen Prozeß, der auf der Erde Jahrmillionen erfordert hat. Die gesamte automatische Forschungskapäzität unserer Biolabors ist voll äusgelastet. Für jede neue Algenmutante muß so viel getestet werden: Wie wird sie sich in den späteren Phasen der Transformation verhalten? Wie im Kontakt mit der Oberfläche? Wie im Kontakt mit den künftigen Meeren? Welche Mutationen sind möglich? Welche Einflüsse auf sie haben atmosphärische Entladungen? Kosmische Strahlung? Die mutagenen Substanzen in der Luft, am Boden, bei vulkanischen Eruptionen? In welche Richtung könnte eine Evolution dieser Alge verlaufen?“

„Seid ihr da nicht zu penibel?“ Fith unterbrach lässig Jotas Vortrag. „Vergeßt aber nicht, die Einwirkungen der Alge auf uns zu berücksichtigen!“

Zeth, der uns Eindringlinge bislang geflissentlich übersehen hatte, wandte sich ruckartig von seinem Elektonenmikroskop ab. „Ihr wißt anscheinend nicht, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet. Jede Unexaktheit kann sich hier bitter rächen. Da muß man die nötige Ausdauer aufbringen — und wenn es nötig ist, auch mal ein Jahr warten können.“

Einige der Geschwister lachten. Sicher hatten sie wie ich die Gerüchte über Zeths Wissenschaftsfimmel gehört. Angeblich aß er nur nach Tabelle und ließ sich sogar seinen täglichen Schlafbedarf ausrechnen.

„Wir können nicht einfach beschließen, daß wir das Ergebnis bereits haben“, fügte Zeth nach einer Pause finster hinzu.

Das vermochten wir sicher nicht. Aber wir konnten beschließen, welches Risiko wir eingehen wollten. Und darüber gab es eine lange Diskussion, in der wir viele Details besprachen.