Выбрать главу

„Man sollte ihnen für ihre gute Idee die Hände schütteln, die Geschwister zusammenrufen und das ‚Mondprojekt‘ beschließen, nicht?“ fuhr Delth fort. „Nur ein winziger Haken: Es verbraucht siebzig Prozent unserer Energiereserven, von dem Einsatz an Fähren und Materialien will ich gar nicht reden. Und der Ausgang, der Erfolg dieses Projektes ist durchaus ungewiß.“

„Wir müssen uns etwas einfallen lassen, alle Varianten bis ins letzte durchrechnen, die Wahrscheinlichkeiten einschätzen…“

„Wahrscheinlichkeiten einschätzen — Beth! Du bist naiv. Du brauchst nur den schlimmstmöglichen Fall zu analysieren. Ohne alle großartige Systemanalyse kann ich dir das Ergebnis schon jetzt sagen: In den Jahrzehnten, Jahrhunderten, wo sich der Planet verwandelt, stirbt das Schiff mangels Energie. Vivat Andymon! — Nein, ich will keine Diskussion. Keine, in der ihr alle nur rosa Wunschbrillen tragt.“ Gegen Delths Sträuben stellte die vierte Gruppe ihre Pläne zur Diskussion. Delth war nicht der einzige, der Bedenken vorbrachte. Aber keiner wehrte sich so entschieden wie er gegen das Mondprojekt. Am Schluß der Debatte stand er praktisch allein gegen die Geschwister.

Anschließend fand ich ihn und Alfa auf dem Gang zur Zentrale. Alfa hielt ihm erregt vor, daß er Daleta und ihre Gruppe diskriminiere, wenn er deren Pläne einfach als naive Tagträume bezeichne. Sie griff mit den Händen durch die Luft, als suche sie nach Worten. „Langsam glaube ich selbst, daß du sie nur länger im Schiff, also unter deiner Herrschaft, halten willst, wie Gimth behauptet.“

Delths Gesicht war krebsrot. Er wußte, daß er sich, auch wenn wir ihn alle als fähigen Kommandanten anerkannten, einzig und allein auf seine Überzeugungskraft stützen konnte. Und jetzt, bei einer Überlebensfrage, ging ihm diese ab! Mit geballten Fäusten lief er im Gang auf und ab.

„Lenk doch ein, wir reiben uns sonst nur auf“, bat Alfa.

„Fall mir nicht in den Rücken“, fuhr er sie an.

Ich sah, wie er durchatmete, um sich zu beruhigen. „Tut mir leid“, sagte er zu ihr. Dann sah er mich.

„Du wärst mir auch keine große Hilfe jetzt“, schimpfte er. Er boxte mich in die Seite. „Dabei müßtest doch wenigstens du, Beth, ein Einsehen haben. Daß man ihnen diese Gedanken partout nicht austreiben kann. Manchmal möchte ich sie übers Knie legen. Mistplanet! Daß sie einfach nicht warten können… Man muß sich eben beherrschen!“

Obwohl ich die Lage weniger kritisch beurteilte, konnte ich Delth, dessen Sorgen und den Druck seiner Verantwortung gut verstehen. „Es ist nun mal für uns alle schwer. Und den einen trifft’s mehr, den anderen weniger. Jeder sucht seine Methode, um darüber hinwegzukommen - über die Zeit. Sie haben Pläne geschmiedet. Die sind nicht völlig unvernünftig, Delth. Die können wir nicht einfach zerreißen. Sonst setzen sie sich über uns hinweg. Und wenn wir eine realisierbare Variante fänden, dann wäre uns allen geholfen.“

„Ach Beth“, plötzlich klang seine Stimme müde, „kommst du mir jetzt auch damit. Wir können nur warten. Siehst du nicht, daß sie lediglich ihren Wunsch, das Schiff zu verlassen, was zu erleben, in Pläne umgesetzt haben — als ob ich nicht auch auf Andymon wollte!“ Er ließ mich stehen und ging in seine Kabine.

Wenn ich daran dachte, daß uns - nach den Hochrechnungen Gammas - weitere acht Jahre der Gefangenschaft bevorstanden, war es kein Wunder, daß sich die Geschwister so verzweifelt an das „Mondprojekt“ klammerten, für das sie immer ausgefeiltere, günstigere Varianten erarbeiteten.

Nach einer Woche verstummte der Streit, und plötzlich fühlte ich wieder die alte Arbeitsatmosphäre, in der jeder sein Bestes gab. Kleine Arbeitsgruppen bildeten sich, um die Pläne zu überprüfen, neu zu kalkulieren.

Allein Delth blieb skeptisch. ‚ Jetzt hast auch du dich anstecken lassen, Beth. Bei Alfa konnte ich das noch verstehen, die muß sich immer einfühlen, aber wenn sogar du…“

„Delth“, ich klopfte ihm auf die Schulter, „Delth, es ist nicht einfach, aber ich bin überzeugt, daß die Kraft des Schiffs ausreicht.“

„Na schön“, sagte er resignierend. Es wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn Delth sich sofort hätte überzeugen lassen.

Die Arbeit auf den Monden begann nach vier Wochen gründlichster Vorbereitung. Und sie war erfolgreich. Beinahe hätte sie uns glücklich gemacht.

Mission ohne Rückkehr

Andymon, der Planet, wütete. Wir konnten es sogar mit bloßen Augen vom Schiff aus sehen: Neu entstandene bräunliche Schlieren durchzogen die Atmosphäre, bildeten ausgefranste Bänder am Äquätor und weitläufige, hellere Strudel in Polnähe. Täglich veränderten sich die verschmierten dreckfarbenen Muster.

Der Planet wütete. Hörbar. Alarm! schrillten die Notfallklingeln des Computers, wenn die Signale eines weiteren Meßpunktes aussetzten. Im Schlamm versackt, von Lava überflutet, unter Staub begraben, auseinandergebrochen, zertrümmert, wir wußten nicht, wie die einzelnen automatischen Meßeinheiten zerstört wurden. Alarm! — Wir stellten die Klingeln ab. Es genügte zu sehen, daß im Übersichtsbild ein weiterer grüner Punkt erlosch. Ohnmächtig beobachteten wir, wie der Planet unser Überwachungsnetz zerriß. Nur aus der Hochatmosphäre erhielten wir noch Luftproben und Proben der Algen.

Wir schickten drei Sonden hinab, zwei kamen an, aber ihre komplizierten Instrumente litten unter den abrupten Temperaturschwankungen und ständigen Bodenstößen, mit denen die Planetenkruste auf die veränderten Belastungsverhältnisse reagierte. Und wo die Plastversiegelung aufbrach, drangen feinster Staub, aggressive Gase oder salzhaltiges Wasser ein.

Jota lief gegen ihre Gewohnheit völlig aufgelöst mit zerzaustem Haar und finsterem Gesicht durch die Korridore. Und wer sie ansprach, bekam ihre Anklage zu hören: „Ich habe euch gewarnt, es war zu früh! Warum habt ihr mich die Tests nicht beenden lassen? Warum mußtet ihr dieses Monstrum mit einer viel zu hohen Mutationsrate aussetzen? Jetzt seht ihr das Ergebnis: Eure Superalge verändert sich völlig unkontrolliert. In der Hochatmosphäre schwirren die absonderlichsten Mutanten herum. Und wie es am Boden aussieht, wissen wir nicht. Wehe, wenn sich die falsche Mutante verbreitet, dann bricht alles zusammen. Und wir können nichts dagegen unternehmen, weil uns die Proben fehlen. Wir können uns gleich einen neuen Planeten suchen. Ich habe euch gewarnt!“

Jotas Worte machten uns bestürzt. Und wir hatten nur eine begrenzte Anzahl Sonden in Reserve. Der Planet wütete mit unverminderter Gewalt, und ich schlief schlecht, wälzte mich, als sei ich selbst einer unserer trudelnden Flugkörper.

„Ich schau mal unten nach, hol ein paar Proben rauf und setze ein paar stabilere Stationen hin“, sagte Delth während des gemeinsamen Frühstücks am nächsten Morgen, als ob es sich um belanglose Arbeit am Computer handelte.

„Nein“, rief Alfa erschrocken, „Delth, das ist Wahnsinn, seit Monaten durfte niemand mehr auf den Planeten.“

Delth streichelte ihre Hand. „Aber Alfa, reg dich nicht auf… Wir dürfen nicht noch mehr Sonden verschwenden. Automaten sind für den Planeten nicht flexibel genug — und außerdem, neuerdings fliegt ja jeder, wohin es ihm behagt.“

Letzteres bezog sich auf die beginnenden Arbeiten auf den Monden. Delth stand ihnen weiterhin skeptisch gegenüber.

„Von mir aus können wir Sonden verschwenden“, erwiderte Alfa ernst, „aber dich haben wir nur einmal.“ Sie zog ihre Hand unter der seinen weg.

„Du redest ja, als ob so ein Flug sonstwie gefährlich wäre… Außerdem muß es sein. Andymon entgleitet unserer Kontrolle sonst völlig.“

Es war ein verwegener Entschluß, ganz Delth, aber die Notwendigkeit leuchtete mir sofort ein.

„Die letzten Daten stimmen mit der Hochrechnung nicht mehr überein, die Alge verändert sich, da ist etwas im Gange… Ich fliege, der Lander ist schon ausgerüstet.“