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Ich muß sie verblüfft angesehen haben, denn ich kannte sie noch als rotznasige Range, die lieber mit den Affen in den Bäumen turnte als lernte, und nun hatte sie sich in den Jahren im Orbit in ein hochgeschossenes Mädchen verwandelt. Ihre braune Haut bildete mit dem dunklen Haar einen lebhaften Kontrast zu hellen blaugrauen Augen.

„Du weißt“, antwortete ich wie immer auf diese Frage, „das hängt davon ab, wie schnell sich die Atmosphäre verändert. Wenn wir Glück haben, noch ein Jahr, wir werden es an den Parametern ablesen.“

„Ich habe so viele Lernprogramme mit Tests abgeschlossen“, sagte sie anklagend, „ich weiß alles über Geologie und Ökologie, über Konstruktionstechnologie und Roboterstrukturen. Alle Vorbereitungen für die erste Siedlung sind fertig, und auf Ladym stehen Hunderte von Maschinen bereit — nur der Planet trödelt noch. Ich habe keine Lust, Sachen zu lernen, die ich nicht brauchen werde. Lieber lasse ich mir neue Ölfarben hersteilen und male, was mir einfällt.“

Das von grellen Farbtönen strotzende Bild zeigte nicht gerade die Perfektion geübter Pinselstriche, es war in jeder Beziehung naiv, auch im besten Sinne: Es stellte die heile Welt unserer computergestützten Entwürfe dar, mit viel klarem Himmel, viel Grün, mit uns und unseren zukünftigen Häusern. Und inmitten des Dörfchens stand, alles überragend, ein hoher Baum. Hundert Jahre alt mindestens. Ach, Samecha, dachte ich, sosehr ich wünsche, daß sich deine Träume verwirklichen, diesen Baum wirst du nie erleben.

Sie war meinem Blick gefolgt. Ich seufzte und sah ihr an, daß jedes Wort über ihr Bild überflüssig war. „Du wirst nie genug gelernt haben, Samecha“, sagte ich etwas gestelzt, „und der Planet wird uns noch manchen üblen Streich spielen. Und Maschinen werden wir nicht Hunderte brauchen, sondern Tausende. Glaubst du, ich warte gern?“

„Man könnte ja schon mal versuchen? Vielleicht ist es da unten gar nicht mehr so schlimm..

Ihr Blick fing mich ein, ich mußte lächeln. „Samecha, wir haben vor drei Jahren beschlossen, erst dann zu landen, wenn…“

„Das ist schon so lange her, ich weiß gar nicht, ob ich dabei war. Können wir nicht neu beschließen?“

Ich lachte laut heraus, antwortete dann aber ernst: „Du weißt, wie Delth gestorben ist.“

Sie nickte. Als ich den Raum verließ, murmelte sie jedoch: „Immer Delth!“

Die nächsten drei, vier Tage traf ich sie nicht und vergaß unser Gespräch. Aber bald sollte ich wieder daran erinnert werden. Ich war eben mit der Morgenwäsche beschäftigt, da rief Myth über das Intercom: „Kommt alle schnell in die Zentrale!“

Kein Wort darüber, worum es sich handelte. Ich vermutete einen seiner handfesten Scherze.

In der Zentrale herrschte Aufruhr. Der Hauptschirm zeigte die Oberfläche Andymons. „So eine Eigenmächtigkeit!“ hörte ich. Und: „Nur gut, daß ihnen nichts passiert ist.“ — „Warum hat mich niemand informiert, daß es soweit ist?“ — „Gelandet, wer ist gelandet?“

Ich wunderte mich nicht, Samechas Namen zu hören. Zusammen mit Lameth, Teta und Cheth, Geschwistern aus ihrer Gruppe, hatte sie genau die für den Landungstag geplante Aktion durchgeführt. Zwei Lander und ein mit Robotern und Material beladener Lastgleiter standen nun auf dem seit langem ausgewählten, besonderen Schutz bietenden Hochplateau.

Noch während ich mich orientierte, wischte eine Erkenntnis meinen Ärger weg: Die fünfte Gruppe hatte ihr Gesellenstück geliefert, nun waren sie uns gleichwertig.

„Ganz akkurat, absolut präzise sind sie gelandet“, informierte mich Gamma mit einem anerkennenden Unterton.

„Ist alles für eine Rettungsmission vorbereitet?“ fragte ich und blickte mich um.

„Nein? Dann, Teth, übernimm die Kontrolle, Zeth und Lambda in die Skaphander, haltet euch bereit! Ich glaube aber nicht, daß ihr starten müßt.“

Die ferne Kamera strich über Andymon, der Gleiter und ein Lander kamen ins Bild. Nur wenige Sandschwaden zogen vor ihnen vorbei. An einigen Stellen des Bodens erkannte ich die charakteristischen grünen Flecken von Algenschleim.

„Alle Systeme arbeiten einwandfrei.“ Eine Stimme meldete sich aus dem Lander. „Die Wetterlage ist stabil, Bebenvorhersage negativ. Wir beginnen mit Konstruktionsphase eins. Vivat Andymon!“

Eine Sekunde war es ganz ruhig, dann kam Leben in die Zentrale. „Wie sind denn die Parameter für die Atmosphäre? Ich habe gar nicht gewußt, daß es schon so günstig aussieht?“ Eta stellte die im Raum schwebende Frage.

„Es fehlen noch zwei Zehntel“, antwortete Jota.

Ich hatte vor zwei Wochen das letzte Mal die Daten abgefragt und errechnet, daß es noch mindestens ein halbes Jahr dauern würde, bis wir unseren Fuß zum zweiten Mal und endgültig auf den Planeten setzen konnten.

Xith erregte sich lautstark „Sie müssen sofort zurückkehren. Wir befehlen ihnen, daß sie sofort starten, nicht wahr, Beth?“

„Setzt euch erst mal“, sagte ich, um mehr Ruhe in die Zentrale zu bringen, und nahm selbst Platz, drehte den Sessel aber so, daß ich nicht die Instrumente anblickte, sondern die Geschwister. „Bitte, Jota.“

„Also atembar ist die Atmosphäre auf keinen Fall - das kann noch auf Jahre so bleiben —, aber wir hätten längst darüber diskutieren können, ob sich die Landung nicht hätte vorziehen lassen.“

„Du meinst, wir haben uns zu sehr an das Warten gewöhnt?“ unterbrach Xith sie. „Ich nicht!“

„Teta und Samecha“, meldete sich Mema, die ihre Geschwister kennen mußte, „die geben nur auf, wenn es da unten auf dem Planeten absolut unerträglich wird.“

Ich nickte; mir war längst klargeworden, daß meine „Befehlsgewalt“ hier versagte. Dabei erwarteten die Geschwister von mir, daß ich handelte und nicht einfach beide Augen zudrückte.

Gamma, die mich beobachtete, kam mir genau im richtigen Zeitpunkt zu Hilfe. Gemeinsam — aber auch nur gemeinsam — gelang es uns, Delth zu ersetzen.

„Eigentlich könnten wir ihnen dankbar sein. Wenn sie durchhalten, werden wir alle eher auf Andymon landen. Ich bin dagegen, ihnen die Rückkehr zu befehlen“, sagte Gamma.

„Dieser Ansicht bin ich auch“, fügte ich schnell hinzu und konnte auf den Gesichtern der Geschwister fast ungeteilte Zustimmung ablesen. „Wir dürfen aber nicht vergessen, daß es sich hier um einen gefährlichen Alleingang handelt. Von einer Strafe halte ich nichts, das wäre auch eine interne Angelegenheit der fünften Gruppe, aber es ist klar, daß sie noch deutlich erfahren werden, wie wir derartige Einzelaktionen mißbilligen. — So, jetzt aber an die Arbeit! Ich glaube, eine ganze Reihe von Plänen müssen überdacht werden.“ Dankbar nickte ich Gamma zu.

Noch während wir diskutierten, hatten auf Andymon unsere Geschwister und ihre Roboter, mit denen sie gewissermaßen Hand in Hand arbeiteten, einen provisorischen Hangar für den Lander errichtet. In den ersten drei Tagen gelang es ihnen, sich notdürftig einzurichten mit einem winzigen kuppelförmigen Stationsgebäude, einem Antennenmast, einem Windgenerator und einer halbautomatischen Wetterwarte. Dann kam ein Sturm auf, Schlammassen wälzten sich über die Ebene, es sah so aus, als würde der erste Versuch, einen ständigen Stützpunkt zu errichten, scheitern. Der Mast stürzte um, und viele Geräte versagten in der Nässe.

Sobald der Sturm sich gelegt hatte, schickten wir einen bis obenhin vollgepackten Lastgleiter als Verstärkung.

Andymon rief. Die Tage des Wartens waren gezählt. Der Ärger über die fünfte Gruppe war verflogen. Bei jedem ihrer Erfolge triumphierten wir im Schiff Gebliebenen, jeder ihrer Rückschläge bedrückte auch uns — vielleicht sogar stärker als sie.

Nach drei Wochen brachte ein Lander Samecha ins Schiff zurück. Rote Flecken bedeckten ihre geschwollenen Hände. „Ich habe versucht, mit bloßen Händen draußen zu arbeiten“, erklärte sie, „einmal müssen wir doch damit beginnen.“