Выбрать главу

Die Roboter waren unser eigenes Produkt. Zwar gab es im Schiff Guros, Serviceroboter und andere, aber diese waren den Bedingungen Andymons nicht angepaßt. Unsere eigenen Modelle hatten noch ihre Kinderkrankheiten. Chefkonstrukteur Zeth hatte geschworen, sich bei jedem Fehler ein Haar auszureißen. Eine dunkle Strähne lag inzwischen bei den Unterlagen.

Durch drei glückliche Treffer amputierte ich die Arme des Roboters, nun konnten wir uns ihm nähern, ihn ausschalten und abschleppen. Den Rest der Nacht verbrachten wir damit, ihn an einem Seil in die Station zu zerren. Er war zum Schluß mindestens doppelt so schwer.

Und wir wateten nicht nur im Schlamm, sondern auch im eigenen Schweiß, der an der Innenseite der Gummianzüge hinab in die Stiefel gelaufen war. Todmüde erreichten wir die Station. Es gelang uns noch, die Ablösung zu wecken und die Anzüge abzustreifen, dann schliefen wir nackt und schweißverklebt auf den harten Pritschen ein.

Später fanden wir den Fehler. Der Roboter interpretierte das Geflimmer der Regentropfen als Signal. So verfiel er in eine Art Hypnose.

Doch Andymon konnte nicht nur Roboter verrückt machen.

Andymon macht krank

Die Tage auf Andymon vergingen mit einer tristen, aufreibenden Gleichförmigkeit. Wir schliefen, aßen im kleinen Kreis ein Frühstück, das nach Energieeinheiten und nicht nach Geschmack bilanziert war, saßen dann stundenlang vor Monitoren und Kontrollpulten oder wateten durch den Schlamm, um ausgefallene Roboter zu reparieren. Immer häufiger überfiel mich bei der Arbeit eine zähe Müdigkeit. Die langen Tage Andymons, achtundzwanzig irdische Stunden, schienen nicht enden zu wollen. Ich hatte auf nichts mehr Appetit, ich wußte nur, ich mußte arbeiten und arbeiten, und irgendwann würde unsere erste Siedlung eingerichtet und beziehbar sein.

Bis zu dieser Zeit wollte ich meine Augen vor allen Unbilden schließen. Davon gab es genug: ein plötzliches unvorhergesagtes schweres Erdbeben, das eine halberrichtete Halle zum Einsturz brachte, eine neue Schlammflut, die die Dämme bedrohte, und einen Staubsturm an dem einzigen Tag, an dem der Regen aussetzte. Die feinen Körnchen drangen durch die schmälsten Ritzen und legten unsere Maschinen lahm, in der Station verstopften sie das Klimasystem. Wir schmeckten sie im faden Essen, selbst unsere Betten überzog ein dünner Staubfüm. Dazu schwebten wir tagelang in Sorge, der Staub könnte sich als giftig erweisen.

Es kam soweit, daß ich bei der Montageüberwachung einschlief, mein Kopf fiel einfach auf das Pult, und als ich von Gamma geweckt wurde, hatte sich das Muster der Schalter und Knöpfe in meine Wange geprägt. Dazu schmerzte die von kaltem Schweiß bedeckte Stirn. Und im rechten Arm stach es.

„Beth, leg dich doch hin.“ Auch Gammas Stimme klang müde.

Ich habe noch Schicht, wollte ich sagen, doch die Digitaluhr neben dem Monitor zeigte, daß die längst vorüber war. Ich ging in meine Kabine und warf mich, ohne einen Gedanken an Waschen zu verschwenden, aufs Bett.

Jetzt aber konnte ich keinen Schlaf finden, ich wälzte mich von rechts nach links, von links nach rechts. Mein Gesicht, meine Haare waren verklebt, und der Kopf brummte unbarmherzig. Ich versuchte, mich durch die gewohnte Routine in die geeignete körperliche Verfassung zu bringen, zog mich schwerfällig aus, wusch mich - es half nichts. Gedanken wirbelten durch meinen Kopf: Andymon mit seinen roten und schwarzen Felsen, mit Schlamm und schweren Wolken, der Abgrund des Weltraums und die viel zu grellen Sterne, unsere Bauvorhaben, Fahrzeuge, Maschinen, Roboter in unablässiger Bewegung, ein Quirlen wie von Ameisen.

Ich muß schlafen, dachte ich und versuchte es mit autogenem Training, doch ich konnte mich nicht entspannen, die Bilder in meinem Kopf nicht vertreiben.

Da kam mir der Gedanke, daß ich krank sei. Während unserer Kindheit im Schiff waren wir alle an einer Reihe harmloser Infekte erkrankt, sie dienten dazu, unser Immunsystem zu stärken. Doch nun? Vielleicht war ein unbekannter andymonischer Virus mit dem Staub eingedrungen - eine unberechenbare Gefahr für uns alle. Dieser Gedanke mobilisierte meine Kräfte.

Ich hielt es nicht länger im Bett aus und schleppte mich in das medizinische Zentrum, es umfaßte in dieser Ausbaustufe ganze drei Räume. Sie waren leer. Ich ging zum Computer, er meldete mir, daß Joth und Kafa ärztlichen Dienst hätten, doch ich wollte sie nicht grundlos beunruhigen. Wenn sich meine Befürchtung bewahrheitete, würden sie genug Arbeit bekommen.

Dann aktivierte ich das Diagnoseprogramm und gab meine Symptome ein: Kopfschmerz, Schlaflosigkeit, Schweißausbrüche. Der Computer stellte Gegenfragen, wollte die Zusammensetzung von Blut, Urin, Speichel wissen. Ich spuckte und pinkelte und zapfte mir mühsam und ungeschickt Blut ab. Mein Kopfschmerz hatte sich gesteigert, und meine Kraft ließ nach. Ich setzte mich auf den Arztstuhl und verschnaufte einige Minuten. Dann legte ich mich unter den Scanner, der die Temperatur der Körperoberfläche maß sowie Durchblutung und Herztöne. Ich wälzte mich von der Liege und sah die Resultate an. Alles negativ. Natürlich fand das Diagnoseprogramm eine lange Reihe irdischer, für uns exotischer Infekte, die nicht auszuschließen waren, denen jedoch nur eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit zugemessen wurde.

Ob der Erreger meiner Krankheit den ausgeklügelten Programmen und Tests entgangen war? Eine beachtenswerte Prozentzahl erhielt nur ein vegetativ-dystonisches Syndrom, mit dem allerdings eine ganze Liste offener Fragen und Probleme aufgeführt war. Während ich versuchte, ihren Inhalt zu begreifen, fiel ich in einen unruhigen Schlaf voll wirrer Träume von faustgroßen schleimigen Amöben und ertrunkenen Robotern.

Nach einer ungewissen Zeit geriet ich in einen unklaren Dämmerzustand, dessen Schleier sich allmählich lüftete. Um mich geschah etwas.

„Was macht denn der?“

„Lassen wir ihn schlafen. Den hat’s sicher auch erwischt.“

Ich ächzte und versuchte meinen Oberkörper aufzurichten. Der Kopfschmerz hatte nachgelassen, lauerte aber im Hinterkopf.

Joth blickte mich an, trotz seiner fast schwarzen Haut hatte er deutlich Ringe ‘unter den Augen. „Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schlappheit, Schweißausbrüche, unbegründete Ängste?“ fragte er mich monoton.

„Bis auf die Ängste — ja“, ich brachte den Mund kaum auf, „ich kann nur noch vor Displays einschlafen.“

Dann sah ich Lambda, die zusammengekrümmt auf der Diagnoseliege ruhte.

Ungefragt erklärte Joth: „Dasselbe. Das Andymonsyndrom…“

Kafa, die einen beschmierten weißen Kittel trug, strich Lambda das für Andymon viel zu lange Haar aus dem Gesicht und wischte ihr den Schweiß ab. Lambda zuckte mit allen Gliedern, doch sie schlief weiter.

„Dir hilft nur eins, Beth“, wandte sich Joth wieder an mich, „zurück ins Schiff, Ruhe und viel Vitamine.“

„Aber…“, ich war zu zerschlagen, um ihm richtig zu widersprechen. Ich durfte nicht einfach kapitulieren!

„Hör zu, Beth, dein Nervensystem verkraftet das alles nicht: die ständige Überlastung bei der Arbeit, womöglich mit unregelmäßigen Schichten, die geringere Gravitation hier, den Achtundzwanzigstundentag. Deine Biorhythmen dürften ziemlich gestört sein. Hinzu kommt der sensorische Schock: das Displaystarren, die ungewohnte Umgebung, die zu grellen Farben draußen, kein Naturpark für eine Erholungspause, fehlende Ruhe und Bequemlichkeit. Du mußt zurück, um auszuspannen, Beth.“

„Aber Joth…“

„Ich könnte dir zwar Kopfschmerzmittel oder etwas zur Beruhigung geben wie Lambda, ihr ging es einfach zu dreckig, doch damit wäre dir langfristig nicht geholfen. Der Zusammenbruch würde nur aufgeschoben. Es gibt nur eins, Beth, Urlaub und Vitamine.“

Mein Kopfschmerz kam wieder hervor, er kroch langsam vom Hinterkopf in die linke Schläfe und verstärkte sich zu einem metallischen Ziehen.

„Es ist nicht dein Fehler, Beth, und nicht deine Schwäche. Du bist schon der fünfte Fall in dieser Woche.“

Ich dachte an diesem Tag tatsächlich, wir wären biologisch, nervlich unfähig, Andymon zu besiedeln. Aber dieser ungeheuerliche Gedanke ging unter in der Dumpfheit und in dem Schmerz, der mein Hirn füllte. Meine Geschwister lösten mich noch am selben Tag ab. Gamma folgte mir drei Tage später ins Schiff. Dort erholten wir uns gemeinsam.

Die Arbeiten auf Andymon wurden anders organisiert, weniger aufreibend. Und ein Computer überwachte die Anpassung der inneren Uhr eines jeden an die Rotation des Planeten. Er empfahl uns Arbeitsund Ruhezeiten. Es dauerte Monate, bis wir mit Andymon synchron liefen. Lambda aber gelang es lange nicht, sich anzupassen. Zwei weitere Versuche scheiterten. Es schien, als sei sie verdammt, für immer im Schiff zu bleiben. Erst drei Jahre nach uns wurde sie auf Andymon heimisch.