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Mein Kopfschmerz kam wieder hervor, er kroch langsam vom Hinterkopf in die linke Schläfe und verstärkte sich zu einem metallischen Ziehen.

„Es ist nicht dein Fehler, Beth, und nicht deine Schwäche. Du bist schon der fünfte Fall in dieser Woche.“

Ich dachte an diesem Tag tatsächlich, wir wären biologisch, nervlich unfähig, Andymon zu besiedeln. Aber dieser ungeheuerliche Gedanke ging unter in der Dumpfheit und in dem Schmerz, der mein Hirn füllte. Meine Geschwister lösten mich noch am selben Tag ab. Gamma folgte mir drei Tage später ins Schiff. Dort erholten wir uns gemeinsam.

Die Arbeiten auf Andymon wurden anders organisiert, weniger aufreibend. Und ein Computer überwachte die Anpassung der inneren Uhr eines jeden an die Rotation des Planeten. Er empfahl uns Arbeitsund Ruhezeiten. Es dauerte Monate, bis wir mit Andymon synchron liefen. Lambda aber gelang es lange nicht, sich anzupassen. Zwei weitere Versuche scheiterten. Es schien, als sei sie verdammt, für immer im Schiff zu bleiben. Erst drei Jahre nach uns wurde sie auf Andymon heimisch.

Fusion und Spaltung

Etwa einhundert Kilometer von unserer ersten Siedlung entfernt entstand das von Tag zu Tag dringender benötigte Kraftwerk. Auf die Dauer konnten wir es uns nicht leisten, täglich drei, vier Lastgleiter mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff vom Schiff oder den beiden Monden anzufordern, wo unsere Energieträger produziert wurden. Rover und Copter verbrannten täglich Dutzende von Tonnen der beiden Flüssigkeiten zu Wasser, ebenso die Brennstoffzellen der Stationsgebäude und die ersten Fabriken, kleine Pilotanlagen, deren Produktion in diesen Tagen anlief. Im Gegensatz zu ihnen konnten wir bei unserem künftigen Energielieferanten nicht mit Material und Ausrüstungen sparen.

Als ich, dem Turnus unserer Ablösungen und Aufgabenwechsel entsprechend, bei der Baustelle eintraf, empfing mich Zeth. Er war noch verschlossener als sonst, in dem blauen Overall wirkte auch sein Gesicht blasser als gewöhnlich. Zeth wies mich wortkarg ein, erläuterte mir in der Unterkunft, die zugleich Leitstelle war, anhand eines Modells den Stand der Arbeiten.

„Hier sind wir. Das ist der See, Kühlwasser, Wasser für die H2- und O2-Produktion. Dort ist das Gelände für die künftigen Deponien. Die Deuteriumfabrik, fast fertig. Der Leichtwasserreaktor.“

Letzterer nahm sich neben den Fundamenten des Fusionsreaktors wie Spielzeug aus. Zeth erwähnte nicht, daß der Leichtwasserreaktor in ganzen dreißig Tagen aus vorgefertigten Teilen errichtet worden war und nun die Energie für die Bauarbeiten lieferte. Erst wenn der Fusor lief, würde die ständige Energieknappheit auf Andymon beseitigt sein — vorübergehend.

Vom Kontrollzentrum aus, in dem ich mich befand, war nicht viel zu sehen, eine Fensterfront zeigte das aus riesigen verkitteten Granitblöcken geschaffene Fundament und den wolkenverhangenen Himmel, die andere gestattete einen umfassenden Blick über den Flugplatz, wo Lastgleiter, beladen mit Baumaterial, landeten und leer wieder starteten. Lediglich die Monitore vermittelten einen Einblick in das Baugeschehen: die langsamen Bewegungen der Kräne, die hellen Sterne der Schweißarbeiten.

„Die Lithiumversorgung ist noch offen“, sagte Zeth nach einer langen Pause. Seine Augen waren schmale Schlitze.

„Du sagst das so — so resignierend, Zeth, was ist?“

„Nichts. Das Lithium bekommen wir schon noch. Und wenn’s durch Elektrolyse ist.“ Er wandte sich zur Tür.

„He, Zeth, du hast doch was! Kopfschmerz, Müdigkeit, Schwäche, Schwindel?“

Zeth lachte kurz und gepreßt auf. „Kein Andymonsyndrom, bin schon synchron.“

Ich faßte ihn am Ärmel, hielt ihn zurück. Er wich meinem Blick aus. „Vielleicht zeigst du mir das Baugelände?“

Zeth zuckte mit den Schultern. Kommentarlos führte er mich in die Schleuse, wo wir die Gummianzüge überstreiften. Ich war bislang nie mit Zeth richtig warm geworden, doch schien es mir, als erwarte er mit trotziger Zurückhaltung Hilfe von mir. Von seinen Problemen zu erzählen hatte ihm schon immer Mühe bereitet.

Mit einem Rover fuhren wir an den künftigen Fusionsreaktor heran, seine Größe hatte mich die Entfernung unterschätzen lassen. Über den grauen Fundamenten erhob sich wie ein riesiges Ei im Becher eine irisierende Tragluftplasthalle von gut zweihundert Meter Durchmesser. Sie schützte den Bauplatz vor Regen, Sand und Staub.

Wir verließen den Rover und gelangten durch ein Mauseloch von Eingang über einen spärlich beleuchteten Korridor in das Innere der Kuppel. Gelbliches Licht fiel durch die Kuppel und ließ die Maschinen und Baumaterialien um mich bräunlichgrau und stumpf scheinen.

„Dort kommt der Kern hin, die Plasmasäule, die Gigawattlaser, der Injektor.“ Zeth schaute mich nicht an. Mit seinen Blicken hatte er sich im Treiben der Montageroboter verfangen. Als nenne er technische Daten, sagte er: „Eta hat mich verlassen.“

Ich blickte auf die noch leeren mannsgroßen Rohre des Lithiumkreislaufs, die strahlenförmig nach außen liefen. Unwillkürlich fragte ich: „Teth?“

„Nein, wenigstens nicht Teth. Xith.“ Nach einer längeren Pause fügte er bitter hinzu: „Ich war ihr wohl nicht temperamentvoll genug.“ „Zeth“, sagte ich tastend, „es liegt bestimmt nicht an dir. Wenn sie nun mal so dumm ist… Es ist ihre freie Entscheidung…“

„Weiß ich. Aber es ging ja drei Jahre gut. Ich hatte gedacht, es würde immer so bleiben.“

Ich fühlte mich der Situation nicht gewachsen. Zeth trösten, ihm etwas vormachen: Vielleicht kommt sie zurück? Ohne auf den Weg zu achten, gingen wir vorbei an Halterungen für Magnetspulen, die supraleitend waren bei zweihundert Kelvin, liefen wir über die Blöcke der thermischen Isolation.

„Es gibt ja nicht nur Eta.“ Ich wagte einen neuen Vorstoß.

„Du hast gut reden, du und Gamma, bei euch gibt es nie Probleme.“ Es klang sehr bitter, fast anklagend. „Eta war immer so fröhlich. Was soll ich ohne sie? Wozu brauche ich dann das alles hier?“ Seine Handbewegung umfaßte den Fusor, vielleicht mehr, vielleicht ganz Andymon. „Warum habe ich mich auch an sie gehängt! Hätte ich doch wissen müssen, daß ich auf die Dauer zu langweilig für Eta bin.“ „Zeth, Zeth, du mußt darüber wegkommen. Dein Leben ist nicht zu Ende. An Liebeskummer ist noch keiner gestorben.“ Ich wußte, daß ich Phrasen drosch, angelesene oder im Totaloskop aufgeschnappte, aber was sollte ich sonst sagen?

„Ach, das ist alles Mist. Ich könnte mich in einem Totaloskop vergnügen oder einfach Pillen nehmen. Aber ich will das nicht, auch nicht, daß Alfa mich zu trösten versucht. Die zieht glatt aus Mitleid zu mir.“

Zeth lief immer schneller zwischen Baumaschinen und tonnenschweren Segmenten des Reaktormantels durch. Da er das Terrain besser kannte, konnte ich ihm kaum folgen. An die armstarken Kabel, die unseren Weg kreuzten, teilte er harte Fußtritte aus.

„Halt, Zeth, beruhige dich doch, Zeth!“

Wir waren fast bis zur Sohle des Reaktors vorgedrungen, nun begann Zeth wieder nach außen zu laufen. Er kletterte die kraterförmig umeinandergelegten einzelnen Mantelschichten hinauf. Ich versuchte, ihm auf den Fersen zu bleiben, der Gummianzug behinderte mich, ich schwitzte, bekam zuwenig Luft durch den Atemfilter.

„Zeth!“ ich keuchte, „Zeth!“ Wenn er vor mir den Gipfel des Fundaments erreichte, konnte er sich hinabstürzen. Wir waren nicht im Totaloskop. Auf Andymon bedeutete der Sprung ins Nichts den Tod.

„Zeth!“ Meine Knie wurden weich, immer häufiger griff ich bei all den Stahlverstrebungen, Kabeln, Röhren, Plastsäulen daneben.

Dann stand Zeth ganz oben. Doch er schaute nicht nach außen, wo er nur die Plastkuppel hätte auf schlitzen müssen, sondern nach innen, zu mir herab.

Endlich erreichte ich ihn. Er half mir nicht beim letzten Schritt, sondern sagte mit wiedergewonnener Stimme: „An diesen drei Punkten werden sich die Wärmeaustauscher befinden.“