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Gemeinsam schauten wir auf Krane, Maschinen, Montageroboter. Jede ihrer Bewegungen und jeder ihrer Handgriffe waren vorausberechnet. Sie kannten unsere Probleme nicht.

Plötzlich schrie Zeth: „Macht schneller, ihr lahmen Affen!“

Die Roboter fühlten sich nicht angesprochen.

Das Fusionskraftwerk lieferte zur Überraschung aller schon zwei-hündertdreiundachtzig Andymontage nach Baubeginn den ersten Strom. Ich kannte einen Grund dafür.

Atempause

Seit wir für Andymon arbeiteten, ließen wir uns vom Computer über das Intercom wecken, eine Gewohnheit, die ich heute für eine der typisch irdischen Unsitten halte. Denn die Maschinen haben sich nach dem Rhythmus des Menschen zu richten, nicht umgekehrt. An einem Morgen jedoch blieb alles ruhig.

Ich hatte geträumt, lange und ausgiebig geträumt, nun kam ich allmählich zu Bewußtsein. Im Raum war es völlig dunkel. Wieso wache ich schon so früh auf, überlegte ich mühsam und langte nach dem Armband, das als Computer, Uhr und Videofon funktionierte. Für alle Geschwister, die sich außerhalb des Schiffs aufhielten, war das Tragen des kleinen Armbandcomputers, der in erster Linie der Kommunikation diente, zur Selbstverständlichkeit geworden. Die grünglimmenden Zahlen verwunderten mich, dann wurde mir bewußt: Es war bereits nach Schichtbeginn. Meine Müdigkeit verflog. Ich rüttelte Gamma an der Schulter, sie drehte sich zu mir um und gähnte.

„Gamma, wach auf; der Computer hat uns nicht geweckt!“ Ich sprang aus dem Bett, rannte zum Intercom, stellte gleichzeitig die Zimmerbeleuchtung ein.

„Soviel menschliches Verständnis hat er sonst nicht gezeigt“, murmelte Gamma, die Augen fest zusammenkneifend. Sie hüstelte, um ihre Stimme unter Kontrolle zu bringen.

Ich hantierte am Intercom, hatte endlich den richtigen Code gefunden — und auf dem Bildschirm erschien ein einziges lakonisches Wort: FEIERTAG. Wir brachen in ein befreiendes Gelächter aus. Ilonas Idee, den Computer darauf achten zu lassen, daß wir uns nicht überarbeiteten, trug Früchte.

„Glatte Sabotage, das ist glatte elektronische Sabotage, Beth“, sagte Gamma. Sie sprang zurück ins noch warme Bett und begann ihren lindgrünen Pyjama aufzuknöpfen. So fing mit einem wundervollen Morgen ein schöner Tag an.

In der kleinen Kantine zum Frühstück trafen wir Joth, Resth und Szina, später, als wir fast aufgegessen hatten, kam noch Ilona dazu.

„Hat der Computer mich heute früh erschreckt“, erzählte Ilona lachend und blies einige blonde Haare, die nicht über ihre Schultern fielen, von den Sommersprossen.

„Uns auch“, sagte ich und verschluckte mich fast am letzten Brokken Ei. „Ich habe keine Ahnung, was ich heute mache.“

Gamma klopfte mir vorsichtshalber auf den Rücken. „Arbeiten dürfen wir nicht, es wäre disziplinlos. Im Schiff könnten wir baden gehen, aber erst hochfliegen - nein.“

„Zum Totaloskop habe ich auch keine Lust“, sagte Ilona, „lieber flirte ich ein wenig mit Resth.“

Resth wurde prompt rot, antwortete aber forsch: „Ich mach mich nur noch schnell schön!“ und ging.

„Vielleicht können wir doch baden gehen?“ Ilona nahm den Faden wieder auf.

„Ja“, sagte ich, „im Taucheranzug aus Teflongeweben, damit uns die Salze nicht bis auf die Knochen zerfressen.“

„Gut, nicht gerade baden, aber was haltet ihr von einem Picknick am Ozean? Das wäre doch ein richtiger Feiertag.“

„Leider darfst du dabei nicht den kleinsten Bissen einschieben, sonst ist deine Lunge in der scharfen Brise hin.“ „Ihr werdet’s ja erleben“, sagte Ilona. „Ich jedenfalls schlage einen Ausflug vor. Helft ihr mir, die anderen einzuladen?“

Freiwillig übernahm ich die heikle Aufgabe, alle am Reaktorbau Beteiligten zu verständigen, also auch Zeth. Er schimpfte auf den Computer. „Ich bin zehn Minuten zu spät in der Zentrale gewesen, dadurch hat es fast fünfzehn Minuten Verzug gegeben. Na, inzwischen habe ich den rausgeholt.“

„Zeth“, sagte ich behutsam, „heute ist Feiertag. Es ist nicht gut, wenn du dich zu sehr in die Arbeit vergräbst, du ruinierst dich. Außerdem haben wir beschlossen, dem Zeitplan des Computers zu folgen.“

„Der ist mir schnuppe.“ Zeths Backenknochen traten hart bervor. „Ich bin längst mit Andymon synchron, und ich habe meinen eigenen Zeitplan. Wenn ihr feiern wollt — bitte. Aber nicht mit mir.“

Der kleine Bildschirm erlosch. Und war es nicht besser, daß Zeth ausblieb? Denn Eta und Xith nahmen bestimmt teil.

Auf dem Weg zum Flugfeld passierten wir das überdimensionale Ortsschild, das Myth vor wenigen Tagen aufgestellt hatte. Unsere drei Baracken „Andymon-City“ zu nennen! Doch allmählich, nach vielem Gelächter und obwohl wir alle den Ausdruck unpassend fanden, begann sich dieser entweder großsprecherische oder prophetische Name einzubürgem.

Wir flogen in zwei Koptern. Viel konnte ich während des Dreihundertkilometerfluges nicht erkennen, Wolken verdeckten das Land. Dann und wann rissen sie minutenlang auf, und wir überquerten eine graubraune Fläche oder eine grüne — Algenschlamm. An manchen Stellen war er sicherlich metertief, doch nur die oberste Schicht lebte, darunter waren die Algen erstickt und verfaulten.

Als wir landeten, versuchte ich, die Küste des Delth-Ozeans mit den Konturen auf der Karte in Übereinstimmung zu bringen. Es gelang mir nicht. Hatte ein neues Beben die Oberfläche des Planeten verändert?

Gamma sah meine gerunzelte Stirn. Sie warf einen Blick auf die Karte und überprüfte ihre Fähigkeit, meine Gedanken zu erraten. „Kein Beben, Beth, nur eine Doppelflut. Ladym und Gedon auf einer Seite von Andymon.“

Der Kopter landete mit einem harten Ruck, das Jaulen der Motoren verstummte, es war still.

„Setzt die Masken auf“, sagte Gamma, auch ich schob meine übers Gesicht und mußte dabei über den absurden Picknickkorb lächeln, den Ilona trug. Nein, den Spaß wollte ich ihr nicht verderben. Und wenn ich mir mit der einen Hand die Nase zuhalten müßte und bei angehaltenem Atem schnell einen Bissen verschlänge. So giftig konnte die Atmosphäre nun nicht mehr sein; die Gummianzüge waren immerhin schon überflüssig geworden.

Wir kletterten die kurze Leiter hinab und staken sofort bis über die Knöchel im Morast. Andymon, wie ich ihn kenne und liebe!

Der zweite Kopter setzte gerade auf und spritzte Schmutz zu uns herüber. Wir begaben uns auf die Suche nach einem trockenen, festen Fleckchen Boden. Ein Hügel, direkt am Meer, die hoch aufgischtende Brandung überragend, bot eine geeignete Stelle.

Nach und nach versammelte sich hier die gesamte Bevölkerung von Andymon, bis auf Zeth — und natürlich ohne die Geschwister, die gerade im Schiff oder auf den Monden lebten.

Wir setzten uns auf den braunen, festgebackenen und warmen Boden und schauten uns in die maskenbewehrten Gesichter. Was nun?

Genau diesen Zeitpunkt hatte Ilona abgepaßt. Wie ein Wesen aus einer anderen Welt — vielleicht aus der Zukunft Andymons — kam sie vom Kopter daher. In der Rechten schwenkte sie den stilvollen gelben Plastkorb. Und sie trug ein Kleid, kaleidoskopbunt, viel zu bunt für Andymon und so lang, daß es über den Gummistiefeln schon braun beschmiert war. Aber da war noch etwas, das uns alle den Atem anhalten ließ: Ihr blondes Haar wehte frei im Wind, und auf ihrem Gesicht mit den geröteten Wangen spielte unverhohlener Triumph: Ilona trug keine Maske! Gegen sie waren wir einfarbig gespritzte, trübe, gesichtslose Roboter.

Nach dem ersten Erstaunen rissen sich Eta, Alfa und die jüngeren Geschwister die lästigen Masken vom Kopf. Szina schleuderte ihre in hohem Bogen ins Meer. Gamma und ich zögerten noch.

„Ihr braucht keine Angst zu haben“, schrie Ilona mit sich vor Freude überschlagender Stimme, „seit Wochen unternehme ich Tierversuche mit Mäusen und Schimpansen. Es lassen sich keine Schädigungen mehr nachweisen. Der Sauerstoffgehalt ist hoch genug, nichts Ätzendes ist mehr in der Luft, keine Allergien treten mehr auf. Vivat Andymon!“ Sie jubilierte. Die Überraschung war ihr gelungen.