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Vor meinen Augen wurde er durchsichtig und verblaßte. Ich rief ihn, aber es hatte keinen Zweck.

Raus, dachte ich, doch das Totaloskop gab mich nicht frei. Dafür quoll jetzt hellflüssige Lava aus den Bodenritzen, ich schwitzte schon bei ihrem Anblick. Sie kann dir nichts antun, dachte ich, die Totaloskope sind sicher. Und wenn sie dich verschlingt, bist du draußen. Aber in Psiths Welt konnte ich nicht sicher sein. Er durfte mich nicht mehr ziehen lassen.

Die Lava näherte sich. Meine Haut schlug Blasen. Weg! Weg! Der Schmerz, als die Lava meine Füße umschloß, ließ mich emporspringen, und der rettende Gedanke kam: Ich kann doch fliegen! Schon jagte ich raketengleich mit ausgebreiteten Armen in den Himmel, sah in der Hast der Flucht zu spät das riesige Spinnennetz, das sich von Horizont zu Horizont erstreckte. Meine rechte Hand berührte einen Faden, und schon klebte ich an dem ätzenden Leim und spürte das vom herannahenden Untier ausgelöste Vibrieren. Blitzschnell ließ ich den Arm heiß werden. Der Leim, der Faden verdampfte. Knapp entging ich den geifernden Mandibeln. Ich wußte jetzt, daß ich um mein Leben kämpfte.

Von fern hörte ich Hilferufe: Gamma! Ich flog auf sie zu, sah sie von drohenden Robotern umzingelt. Ich durchschaute die Falle zu spät, Gamma verwandelte sich in Psith, der mir einen Strahl Antiprotonen entgegenschleuderte. Noch einmal entkam ich, hetzte weiter aus einer Gefahr in die nächste, bis ich das Muster der Schrecknisse durchschaute: Psith spielte mit meinen Ängsten, um mich in den Wahnsinn zu treiben. Gamma hatte mich gewarnt, meinem Körper konnte nichts geschehen, wohl aber meinem Bewußtsein. Ich überwand meine Furcht und zerschellte auf dem harten Boden Andymons.

Zerschlagen legte ich die Adapter ab und stieg aus dem Totaloskop. Ich wankte etwas, und meine Füße zeigten tatsächlich Blasen, entstanden durch die intensive Vorstellung. Aber das war nicht schlimm.

„Er ist verrückt“, sagte ich, „er wollte mich erledigen.“

So schwer es mir fiel, ich berichtete alle Details. Sie wurden mit dem Computerprotokoll verglichen. Realzeit fünf zehn Minuten. Ein kurzer Totaloskoptrip. Fast ein Jahr verzichtete ich auf weitere.

Psiths Heilung beanspruchte viel Zeit. Wir behandelten ihn durch gezielte Steuerung seiner Illusionen.

Einige jüngere Geschwister verlangten die allgemeine psychologische Überwachung eines jeden mit regelmäßig zu absolvierenden Computertests, um Wiederholungen des Falles zu vermeiden. Wir diskutierten lange und entschieden uns dann dagegen, denn es hätte bedeutet, Aufmerksamkeit für unsere Geschwister und Anteünahme an ihrem Leben durch maschinelle Checklisten zu ersetzen.

Der sterbende Wald

Szina hielt die Infrarotluftbildaufnahmen prüfend in der Hand, das abstrakte Muster rötlicher, grauer und brauner Flächen hatte mit der Schonung vor uns nicht die entfernteste Ähnlichkeit. Dennoch verrieten die Bilder viel über die schmächtigen, kaum einen Meter hohen Stämmchen: Die Bäume waren krank, vertrocknet. Das Werk der sechsten Gruppe, die Voraussetzungen für die Landwirtschaft, insbesondere ein gemäßigteres Klima und einen ausgeglichenen Wasserhaushalt schaffen wollten, geriet in Gefahr.

Szadeth war seiner Gefährtin und mir vorausgeeilt, er stand schon mitten in den jungen Bäumchen, die ihm kaum bis an den Gürtel seiner blauen Ärbeitshose reichten.

„Verdorrt, alles verdorrt!“ schrie er uns zu und brach einen blattlosen Ast vom dürren Stamm. Wir gingen über den staubigen Boden zu ihm. Sein breites schwarzes Gesicht drückte Unmut aus.

„Der ist noch in Ordnung“, sagte ich und zeigte auf einen anderen Setzling. Von Maschinen angepflanzt, standen sie in schnurgeraden horizontweiten Reihen.

„So viele sind tot!“ Szina lief von Bäumchen zu Bäumchen, betastete die Zweige, nur wenige trugen frische grüne Blätter. Grüngelbe, braune überwogen, und manche Zweige waren völlig kahl.

„Zum Glück sind nicht alle betroffen, einige Arten scheinen sich recht gut zu halten.“ Ich versuchte meine Geschwister zu trösten.

Szadeth packte ein Bäumchen und riß es ohne Mühe aus, in seinen Händen zerbrach es wie Reisig. „Du hast gut reden, Beth“, er blickte mich nicht an, zerstückelte die Zweige, „für dich ist das lediglich ein interessanter Fall, du willst nur wissen, warum die Luftbilder weniger Chlorophyll anzeigen als geplant. Während du deine neugierige Nase mal hier, mal da reinsteckst, haben wir geschuftet, denn das hier ist unser Wald.“

„Szadeth“, flüsterte Szina. Sie wischte sich verstohlen eine Träne von der bleichen Wange. Ihre Augen glänzten wie im Fieber.

„Ja, schon gut. Ich weiß ja, daß du nichts dafür kannst, Beth, aber das ist unser Wald, das war unser Wald, diese trockenen Holzstummel.“ Er stieß mit dem Fuß gegen die dürren Stämme, sie brachen, knickten um wie Strohhalme.

„Wir haben die Setzlinge im Schiff aufgezogen, sie vegetativ vermehrt und auf Andymon gebracht. Wir haben sie anpflanzen lassen, die Automaten überwacht und Bewässerung und Düngung organisiert. Du glaubst gar nicht, wieviel Zeit und Mühe in diesen paar Quadratkilometern Wald steckt…“ Er hatte den Faden verloren, lief kreuz und quer durch die Baumreihen, brach wahllos Ästchen ab, sogar solche mit grünen Blättern.

Dann faßte er sich, winkte mich zu sich. „Es kann nicht allein die Trockenheit sein, der Boden ist noch nicht ausgedörrt, das Niederschlagsdefizit ist nur gering.“

Ich grub mit bloßen Händen einen der toten Stämme aus dem Boden, auch Szina hockte sich schwerfällig neben uns. Gemeinsam musterten wir die Pflanze Zentimeter um Zentimeter.

„Hab ich geahnt“, Szadeth kratzte mit seinen festen Fingernägeln die dünne Rinde ab, „hier, die Leitgefäße sind zerstört, siehst du? Parasiten!“ Er hielt mir die Bruchstelle der Wurzel unter die Nase.

Zuerst sah ich nichts, dann erkannte ich feine schwarze Pünktchen. Wer wußte, als was sie sich unter dem Mikroskop entpuppen würden.

„I!“ sagte Szina und erhob sich, sie stützte sich dabei eine Sekunde auf Szadeth. Dann standen auch er und ich auf.

„Die kommen nicht von selbst hierher“, sagte er und ballte seine Fäuste. „Da hat einer im Schiff geschludert, wenn ich den erwische…, wenn ich den erwische… Die hat jemand vom Naturpark eingeschleppt…“ „Komm, das hat niemand absichtlich getan. Und früher oder später wäre es sowieso geschehen. Parasiten sind ökologisch ganz normal, ja sinnvoll. Und nicht alle Bäume wurden befallen. Eine Menge wird überleben.“ Ich wollte ihn beschwichtigen.

„Auf der Erde, sind Parasiten vielleicht ökologisch angebracht, aber nicht hier“, sagte Szina leise, ihre Wangen glühten, „hier wirft uns das über ein Jahr zurück. Auf der Erde gibt es Bäume, die sind tausend Jahre alt. Ich möchte, daß unsere Kinder auf einem wundervoll belebten Planeten aufwachsen, auf einem Planeten wie die Erde, mit dichten grünen Wäldern und…“

Unwillkürlich lachte ich, Szina sprach voll Pathos wie nach einem längeren Totaloskoperlebnis. Sie verstummte abrupt. Wie hätte ich auch ahnen können?

Wir sammelten Proben ein, befallene und unbefallene Bäumchen, Bodenproben, steckten alles in Plastbeutel. Erst die Laboruntersuchungen würden zeigen, um welche Art Parasiten es sich handelte und wie etwas gegen sie unternommen werden konnte.

Während wir zum Kopter zurückliefen, stellte ich mir vor, wie der Wind den lockeren Boden aufwirbelte, auch jene kleinen schwarzen Pünktchen mit sich trug, über Hunderte und Tausende Kilometer mit sich führte, wie sie dann irgendwo wieder zu Boden fielen, vielleicht in der nächsten Pflanzung? Gab es ein Mittel, diese Ausbreitung einzudämmen? Was konnte gegen eine planetenweite Epidemie unternommen werden? Die von uns entworfenen und angelegten Wälder, Wiesen, geschützten Täler, Seen waren noch zu jung, zuwenig stabil, zu anfällig. Schon ein Parasit konnte das mühsam erreichte Gleichgewicht zerstören. Und ich wußte, daß es nicht bei den schwarzen Pünktchen bleiben würde. Alles konnten wir nicht kontrollieren, soviel wir auch planten, vorausberechneten, berücksichtigten. Wie unzureichend ist unser Wissen, das Ergebnis vieler Jahre des Lernens, auf das ich so stolz war, angesichts der Wirklichkeit Andymons!