Während des Redens hatte sie ihren Umhang zurückgeschlagen, die Spitzen ihres Mieders aufgebauscht und das kleine goldene Kreuz zurechtgeschoben, das sie an einem Samtband um den Hals trug. Die Augen der Männer leuchteten angesichts dieses schönen Frauenzimmers auf, dessen flammend rotes Haar eine zierliche Spitzenhaube kaum verdeckte.
Angélique war in den Lichtschatten zurückgewichen. Leichter Schweiß perlte an ihren Schläfen. Sie hatte Bertille erkannt, die Zofe der Herzogin von Soissons, die vor ein paar Monaten wegen des Kaufs von Kouassi-Ba mit ihr verhandelt hatte.
»Hast du was für mich?« fragte Jean-Pourri.
Mit vielverheißender Miene hob das Mädchen die Serviette von dem Korb, den der Lakai auf den Tisch gestellt hatte, und entnahm ihm ein neugeborenes Kind.
»Da«, sagte sie.
Jean-Pourri untersuchte den Säugling mit kritischer Miene.
»Fett, wohlgestaltet«, bemerkte er und zog ein verdrossenes Gesicht. »Dafür kann ich dir kaum mehr als dreißig Livres geben.«
»Dreißig Livres!« rief sie entrüstet. »Hör dir das an, Jacinthe! Dreißig Livres. Du hast ihn ja gar nicht richtig angeschaut. Bist nicht fähig, die Ware zu würdigen, die ich dir bringe.«
Sie riß die Windel weg, die das Neugeborene bedeckte, und hielt es völlig nackt in den Fackelschein.
»Schau’s dir richtig an.«
Das aus seinem Schlaf gerissene kleine Wesen bewegte sich ein wenig.
»Oh!« rief die Polackin aus. »Es hat schwarze Stellen!«
»Es ist ein Mohrensohn«, flüsterte die Zofe, »eine Mischung von Schwarz und Weiß. Du weißt, wie schön sie werden, die Mulatten, mit einer Haut wie Gold. Man bekommt sie nicht oft zu sehen. Später, wenn er sechs oder sieben Jahre alt ist, kannst du ihn als Pagen teuer wiederverkaufen.«
Sie kicherte maliziös.
»Wer weiß, vielleicht kannst du ihn seiner eigenen Mutter, der Soissons, wiederverkaufen.«
Jean-Pourris Augen funkelten begehrlich.
»Es ist gut«, erklärte er. »Ich gebe dir hundert Livres.«
»Hundertfünfzig.«
Der widerliche Geselle rang die Hände.
»Du ruinierst mich! Ahnst du, was mich das kostet, diesen Vogel aufzuziehen, zumal wenn er fett und kräftig bleiben soll? Außerdem, wer sagt mir, daß es wirklich ein Mulatte ist?« - »Ich schwöre dir, daß sein Vater schwärzer als die Unterseite eines Kochkessels war.«
Eine der Frauen stieß einen entsetzten Schrei aus:
»Oh, ich wäre vor Angst erstarrt. Wie konnte nur deine Herrin .«
»Man sagt doch, es genüge, daß ein Mohr einer Frau ins Weiße der Augen schaut, um sie schwanger zu machen«, meinte die Polackin.
Die Zofe lachte frivol.
»Ja, das sagt man . Und man bekam es zwischen den Tuilerien und dem Palais Royal immer wieder zu hören, besonders nachdem die Schwangerschaft meiner Herrin offenkundig geworden war. Die Geschichte ist bis in die Gemächer des Königs gedrungen. Seine Majestät hat gesagt: tatsächlich? Dann muß es ja wohl ein sehr tiefer Blick sein?< Und als er meiner Herrin im Vorzimmer begegnete, hat er ihr den Rücken gezeigt. Ihr könnt euch denken, wie sie sich geärgert hat, die Soissons. Sie, die so sehr hoffte, ihn wieder zu kapern! Aber der König ist wütend, seitdem er ahnt, daß ein schwarzhäutiger Mann von der Soissons zu den gleichen Bedingungen aufgenommen worden ist wie er. Und unglücklicherweise ist weder der Ehemann noch der Liebhaber, dieser kleine Halunke von Marquis de Vardes, bereit, die Vaterschaft auf sich zu nehmen. Aber meine Herrin ist nicht auf den Kopf gefallen. Sie wird den Redereien schon einen Riegel vorschieben. Zunächst mal wird sie offiziell erst im Dezember niederkommen.«
Und die Bertille setzte sich, indem sie einen triumphierenden Blick in die Runde warf.
»Schenk mir einen ein, Polackin, dann setz’ ich euch die Sache auseinander. Also das ist ’ne ganz einfache Rechnung. Der Mohr hat den Dienst meiner Herrin im Januar verlassen. Wenn sie im Dezember niederkommt, kann ja nicht gut er der Vater sein, wie? Dann wird sie die Reifen ihres Kleids ein bißchen weiter machen und stöhnen: >Oh, meine Liebe, dieses Kind ist so unruhig! Es lähmt mich. Ich weiß nicht, ob ich heute abend zum Hofball gehen kann.< Und dann im Dezember eine Niederkunft mit großem Trara. Das wird der Moment sein, Jean-Pourri, wo du uns ein frisch geschlüpftes Kind verkaufst, mag sein Vater sein, wer will. Der Mohr steht außer Diskussion, das ist das einzige, worauf es ankommt. Jedermann weiß, daß er seit Februar auf den königlichen Galeeren rudert.«
»Warum ist er auf den Galeeren?«
»Wegen einer üblen Zaubereigeschichte. Er war der Komplice eines Hexenmeisters, den man auf der Place de Grève verbrannt hat.«
Trotz aller Selbstbeherrschung konnte Angélique nicht umhin, einen Blick auf Nicolas zu werfen. Doch Nicolas aß und trank teilnahmslos. Noch tiefer zog sie sich in die Dunkelheit zurück. Sie hätte etwas darum gegeben, den Saal verlassen zu können, obwohl sie andrerseits darauf brannte, noch mehr zu hören.
Der Zwerg Barcarole sprang auf den Tisch neben das Glas der Zofe.
»Hu! Die Voisin, meine berühmte Meisterin, hat bei der Herzogin keine Abtreibung vornehmen wollen, weil es ein Mohrenkind war, das sie unter dem Herzen trug.«
»Woher hat sie’s gewußt?« fragte jemand.
»Sie weiß alles. Sie ist eine Hellseherin.«
»Sie brauchte nur ihre Handfläche zu betrachten, und schon hat sie ihr alles haargenau gesagt«, erläuterte die Zofe mit scheuer Miene. »Daß es ein Mischling war, daß der Mann, der es gezeugt hatte, geheime Zauberkünste kannte, daß sie das Kind nicht töten konnte, weil das ihr, die auch eine Hexe war, Unglück bringen würde. Meine Herrin war völlig ratlos: >Was sollen wir tun, Bertille?< fragte sie mich. Sie ist furchtbar zornig geworden, aber die Voisin hat nicht nachgegeben. Sie hat gesagt, sie wolle meiner Herrin bei der Niederkunft beistehen, und niemand würde etwas erfahren. Aber mehr könne sie nicht tun. Und sie hat viel Geld verlangt. Die Sache ist vergangene Nacht in Fontainebleau passiert, wo der ganze Hof sich den Sommer über aufhält. Die Voisin brachte einen ihrer Männer mit, einen Zauberer namens Lesage. Meine Herrin ist in einem kleinen Haus niedergekommen, das der Tochter der Voisin gehört, in nächster Nähe des Schlosses. In der Morgendämmerung hab’ ich meine Herrin zurückgebracht, und in aller Frühe hat sie sich in vollem Staat und bis zu den Augen geschminkt bei der Königin eingefunden, wie es üblich ist, da sie ihrem Hause vorsteht. Das wird eine ganze Menge Leute enttäuschen, die sich in diesen Tagen an ihrer Verlegenheit weiden wollten. Geschieht ihnen ganz recht, daß sie nicht auf ihre Kosten kommen. Madame de Soissons ist noch immer in andern Umständen, sie wird erst im Dezember ein schneeweißes Kind zur Welt bringen, und es ist sogar möglich, daß Monsieur de Soissons es anerkennt.«
Schallendes Gelächter folgte dem Beschluß der Geschichte. Barcarole schlug einen Purzelbaum.
»Ich habe meine Meisterin zu Lesage sagen hören, die Sache mit der Soissons sei genauso viel wert wie ein gefundener Schatz.«
»Oh, sie ist raff gierig!« brummte Bertille grollend. »Sie hat so viel verlangt, daß meine Herrin mir grade noch eine kleine Halskette schenken konnte, um sich für meine Hilfe erkenntlich zu zeigen.«
Nachdenklich musterte sie den Zwerg.
»Hör mal«, sagte sie plötzlich, »ich glaube, du könntest eine sehr hoch gestellte Persönlichkeit, die ich kenne, glücklich machen.«
»Ich hab’ ja immer gesagt, daß mir noch eine große Zukunft beschieden ist«, erwiderte Barcarole bescheiden und brachte sich auf seinen kleinen Stummelbeinchen in eine vorteilhafte Stellung.
»Der Zwerg der Königin ist gestorben, und das hat die Königin sehr bekümmert, die sich über alles erregt, seitdem sie in andern Umständen ist. Und die Zwergin ist verzweifelt. Niemand kann sie trösten. Sie müßte einen neuen Gefährten haben ... von ihrer Größe.«