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Auf dem Heimweg blieb Angélique stumm, aber sobald sie die Schwelle der Bratstube überschritten hatte, schüttelte sie entschlossen ihre Besorgnisse ab. »Meine Liebe«, sagte sie sich, »es ist durchaus möglich, daß du eines schönen Morgens mit durchschnittener Kehle in der Seine schwimmend aufwachst. Das ist eine Gefahr, die dich seit langem verfolgt. Wenn es nicht die Fürsten sind, die dich bedrohen, dann sind es die Gauner! Wenn schon! Du mußt kämpfen, selbst wenn dieser Tag dein letzter sein sollte. Man wird mit Schwierigkeiten nicht fertig, ohne sie mit beiden Händen anzupacken und ohne ein bißchen was vom eigenen Ich herzugeben . War es nicht der Sieur Molines, der mir das einmal gesagt hat .?«

»Und nun an die Arbeit, Kinder!« erklärte sie mit lauter Stimme. »Die Damen von der Blumeninnung sollen wie Butter an der Sonne schmelzen, wenn sie diese Schwelle überschreiten.«

Die Damen waren in der Tat entzückt, als sie in der Abenddämmerung die drei Stufen zum »Kecken Hahn« hinunterstiegen. Die Gaststube war einladend und zugleich originell hergerichtet und von köstlichem Waffelduft erfüllt. Im Kamin prasselte ein munteres Feuer, das zusammen mit den Kerzen der auf den benachbarten Tischen stehenden Leuchter funkelnde Reflexe auf die stattliche Batterie von Zinngeräten warf, die kunstvoll auf Anrichtetischen angeordnet war: Schüsseln, Humpen, Fischkessel, Kuchenformen. Außerdem hatte Angélique einige Silbersachen requiriert, die Meister Bourgeaud für gewöhnlich argwöhnisch in seinen Truhen verschlossen hielt: zwei Kannen, einen Essigbehälter, zwei Eierbecher und zwei Fingerschalen. Mit Früchten und Rosinen reich garniert, schmückten sie ebenfalls die Tische, und diese Einzelheiten waren es, die die Gevatterinnen am meisten in Staunen versetzten, wenn sie auch als kluge Geschäftsfrauen ihrer Befriedigung nicht allzu offen Ausdruck geben mochten. Sie warfen einen kritischen Blick auf die an den Deckenbalken aufgehängten Hasen und Schinken, beschnüffelten argwöhnisch die Platten mit Wurst und kaltem Fleisch, die in grüner Soße eingelegten Fische und prüften mit kundigem Finger die Zartheit des Geflügels. Die Innungsmeisterin, die Mutter Marjolaine genannt wurde, fand schließlich die schwache Stelle dieses prächtigen Arrangements.

»Hier fehlt’s an Blumen«, sagte sie. »Dieser Kalbskopf würde mit zwei Nelken in den Nasenlöchern und einer Pfingstrose zwischen den Ohren nach viel mehr aussehen.«

»Madame, wir wollten uns nicht unterstehen, auch nur durch ein Petersilienstengelchen mit der Anmut und Geschicklichkeit in Konkurrenz zu treten, die Ihr in jener Domäne an den Tag legt, in der Ihr Königinnen seid«, erwiderte Meister Bourgeaud höchst galant.

Man bat die drei würdigen Damen, vor dem Feuer Platz zu nehmen und holte einen Krug vom besten Wein aus dem Keller. Der anmutige Linot, der auf dem Kaminstein saß, drehte sanft die Kurbel seiner Leier, und Florimond spielte mit Piccolo.

Das Menü des Festessens wurde in einer Atmosphäre ausgesprochener Herzlichkeit festgelegt. Es war kein Zweifeclass="underline" man verstand sich prächtig.

»Und nun«, seufzte der Bratkoch, nachdem er die Blumenhändlerinnen unter tiefen Bücklingen zur Tür geleitet hatte, »was machen wir mit dem ganzen Kram, der da auf unsern Tischen herumsteht? Gleich werden die Handwerker und Arbeiter kommen. Die denken gar nicht dran, diese delikaten Sachen zu essen, geschweige denn, sie zu bezahlen. Wozu diese unnützen Ausgaben?«

»Ihr verwundert mich, Meister Jacques«, widersprach Angélique streng. »Ich habe Euch wahrhaftig für einen gewitzteren Geschäftsmann gehalten. Diese unnützen Ausgaben, wie Ihr sagt, haben Euch eine Bestellung verschafft, die Euch das Zehnfache der heutigen Kosten einbringen wird. Ganz abgesehen davon, daß man noch gar nicht voraussehen kann, was diese Damen springen lassen, wenn sie erst mal in Stimmung sind. Wir werden sie zum Singen und Tanzen animieren, und wenn die Straßenpassanten merken, wie lustig es in dieser Bratstube zugeht, werden sie Lust verspüren teilzunehmen.«

Wenn er es auch nicht wahrhaben wollte, so teilte Meister Bourgeaud doch im stillen Angéliques Hoffnungen. Der Eifer, den er auf die Vorbereitungen für den Saint-Valbonne-Festschmaus verwandte, ließ ihn seinen Hang zum Weinschoppen vergessen. Er gewann nicht nur seine frühere Behendigkeit zurück, sondern auch die angeborene, salbungsvolle Liebenswürdigkeit des Gastwirts schlechthin, der etwas auf sich hält. Nachdem Angélique ihn schließlich davon überzeugt hatte, daß die äußere Aufmachung für das Florieren seines Unternehmens von größter Wichtigkeit sei, ließ er sich sogar herbei, ein vollständiges Küchenjungenkostüm für seinen Neffen und

- für Flipot zu bestellen.

Turmhohe Mützen, Kittel, Hosen, Schürzen - das und die Tischtücher und Servietten dazu wurden zu den Wäscherinnen geschickt und kamen gestärkt und schneeweiß zurück.

Am Morgen des großen Tages trat Meister Bourgeaud lächelnd und sich die Hände reibend zu Angélique.

»Kindchen«, sagte er in herzlichem Ton, »du hast es fertiggebracht, daß in meinem Haus wieder Leben und Frohsinn herrscht, genau wie zu Lebzeiten meiner gottseligen, guten Frau. Und das hat mich auf einen Gedanken gebracht. Komm mit mir.«

Er ermutigte sie durch ein vielsagendes Augenzwinkern und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Hinter ihm stieg sie die Wendeltreppe bis zum ersten Stock hinauf. Als sie das eheliche Schlafzimmer Meister Bourgeauds betraten, wurde Angélique von einer Besorgnis erfaßt, auf die sie bis dahin noch nicht verfallen war. Wollte der Bratkoch am Ende gar diejenige, die in so vorteilhafter Weise seine Frau zu ersetzen im Begriff war, auffordern, ihre Dienstbeflissenheit auf ein anderes Gebiet auszudehnen?

Sein lächelnd-verschmitzter Gesichtsausdruck, während er die Tür schloß und mit geheimnistue-rischer Miene auf die Kleiderkammer zuschritt, war nicht dazu angetan, sie zu beruhigen.

Von panischer Angst ergriffen, fragte sie sich, wie sie sich dieser katastrophalen Situation gegenüber verhalten sollte. Würde sie auf ihre so schön ausgedachten Projekte verzichten, aufs neue mit ihren beiden Kinder auf dem Arm und gefolgt von ihrer armseligen kleinen Herde diese bequeme Zuflucht verlassen müssen?

Sich fügen? Es wurde ihr heiß bei dem Gedanken, und beklommen sah sie sich in diesem typischen Schlafgemach des kleinen Geschäftsmanns um - mit seinem großen Bett mit den Vorhängen aus grüner Serge, den beiden Sesselchen, der Kommode aus Nußbaumholz, auf der ein Waschbecken und eine silberne Kanne standen. Über dem Kamin hingen zwei Bilder, die Szenen aus der Passionsgeschichte darstellten, und in einem Ständer lehnten die Waffen, der Stolz jedes Handwerkers und Bürgers: zwei kleine Gewehre, eine Muskete, eine Hakenbüchse, eine Lanze, ein Degen mit silbernem Stichblatt und Griff. Denn der Wirt des »Kecken Hahns« war bei aller Lässigkeit im gewöhnlichen Leben Sergeant der Bürgermiliz, und die Sache mißfiel ihm keineswegs. Im Gegensatz zu vielen seiner Zunftgenossen begab er sich frohgemut ins Châtelet, wenn er zum Wachdienst aufgerufen wurde.

Im Augenblick hörte ihn Angélique im anstoßenden kleinen Verschlag rumoren und schnaufen. Endlich kam er mit einer mächtigen Truhe wieder zum Vorschein, die er mühsam vor sich her schob.

»Hilf mir ein bißchen, Mädchen.«

Mit vereinten Kräften zogen sie die Kiste in die Mitte des Raums, und Meister Bourgeaud wischte sich die Stirn.

»So«, sagte er, »ich hab’ nämlich gedacht ... Schließlich hast du selbst mir ja immer erklärt, wir müßten uns für dieses Festmahl so fein machen, wie es nur möglich ist. David, die beiden Knirpse und ich selbst - wir treten ordentlich ins Gewehr. Ich werde meine braunseidene Hose anziehen. Aber du, mein armes Mädchen, du machst uns keine rechte Ehre, trotz deines hübschen Gesichtchens. Nun, da hab’ ich gedacht .«

Er hielt inne, zögerte, dann öffnete er die Truhe. Da lagen, fein säuberlich geordnet und mit einem Büschel Lavendel parfümiert, die Kleider der Meisterin Bourgeaud, ihre Mieder, ihre Hauben, ihre Halstücher, ihre schöne Schweifkappe aus schwarzem Tuch mit eingefügten Quadraten aus Seide.