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»Welche? Könnt Ihr garantieren, daß mir nicht auch noch die Wasserverkäufer Schwierigkeiten bereiten und ihren Anteil verlangen werden? Könnt Ihr garantieren, daß sich, falls ich unser Geheimnis mit Euch teile, nicht auch die Apotheker oder die Ärzte einschalten werden, die behaupten, daß die Schokolade ein Produkt von eminent heilsamer Wirkung sei .?«

»In diesem Punkt könnt Ihr beruhigt sein, mein Kind. Die Ärzte und Apotheker sind sich nie einig.«

Doch der beleibte Innungsvorsteher mischte sich ein:

»Ich habe freilich gehört, die Ärzteschaft halte viel von der Schokolade und empfehle den Apothekern, sich damit zu versorgen.«

»Dann allerdings kompliziert sich Euer Fall, meine Liebe, denn die Innung der Spezereiwarenhändler kann sich nicht mit dem Vertrieb eines Medikaments befassen ...«

Angélique hatte ein Gefühl, als platze ihr der Kopf, und stieß einen tiefen Seufzer aus. Sie verabschiedete sich mit der Erklärung, sie werde über die uner-forschlichen Geheimnisse der Gewerbeverordnungen nachdenken, und sie sei überzeugt, daß die Herren bis zum nächsten Mal einen trefflichen Grund gefunden hätten, um sie daran zu hindern, etwas Neuartiges zu unternehmen.

Auf dem Heimweg machte sie sich Vorwürfe, daß sie ihre Erregung nicht besser beherrscht hatte. Aber sie wußte, daß bei diesen Leuten auch mit einem Lächeln nichts auszurichten gewesen wäre. Audiger hatte mit seiner Versicherung ganz recht gehabt, daß ihn die Genehmigung des Königs der Notwendigkeit enthebe, sich um den Schutz der Innungen zu bemühen.

Aber er war wohlhabend und hatte einflußreiche Persönlichkeiten hinter sich, während Angélique und der gute David einigermaßen hilflos der Feindseligkeit der Gilden ausgeliefert waren.

Die Protektion des Königs für dieses erste, vor fünf Jahren ausgestellte Patent zu erbitten, erschien ihr ebenso mißlich wie schwierig. Also begann sie, nach einem Wege zu suchen, der zur Verständigung mit Audiger führen konnte. War es, statt einander zu bekämpfen, schließlich nicht vernünftiger, gemeinsame Anstrengungen zu machen und sich in das Geschäft zu teilen? So konnte Angélique mit Hilfe des Patents und der Fabrikationsgeräte die Beschaffung der Kakaobohnen übernehmen und diese bis zum gebrauchsfertigen Zustand aufbereiten. Der Haushofmeister würde aus dem Pulver das Getränk und alle möglichen Arten von Konfekt her-stellen.

Im Verlauf ihrer ersten Unterhaltung war ihr klargeworden, daß der junge Mann sich noch nicht ernsthaft mit dem Gedanken an die Beschaffungsmög lichkeiten des Rohprodukts befaßt hatte. Ganz obenhin hatte er erwidert, »das bereite nicht die leisesten Schwierigkeiten«, er werde »durch Freunde« genug bekommen.

Nun, durch die Zwergin der Königin wußte Angélique, daß der Transport einiger für die Naschhaftigkeit Ihrer Majestät erforderlicher Säcke Kakao eine wahre diplomatische Mission darstellte und daß es zahlreicher Mittelspersonen und Verbindungen zum spanischen Hof oder nach Florenz bedurfte ... Auf solche Weise konnte man sich aber für den laufenden Bedarf nicht verproviantieren, und bis dahin schien nur Davids Vater sich ernsthaft mit diesem Gedanken beschäftigt zu haben.

Audiger kam häufig in die Schenke zur »Roten Maske«. Wie der »Vielfraß« Montmaur ließ er sich an einem abseits stehenden Tische nieder, immer allein und sichtlich jede Gesellschaft meidend. Seit seinem ersten, sehr kecken und munteren Auftreten war er plötzlich recht einsilbig geworden, und Angélique wunderte sich ein wenig darüber, daß dieser bereits renommierte Berufsgenosse ihr kein Kompliment über ihre Kochkünste machte. Im übrigen nippte er nur an den Speisen und folgte Angélique auf Schritt und Tritt mit den Augen. Der ernste und hartnäckige Blick dieses hübschen, gutgewachsenen und selbstbewußten Burschen schüchterte schließlich die junge Frau ein, die das Getändel des ersten Tags bereute und nicht wußte, wie sie auf die Sache zu sprechen kommen sollte, die ihr am Herzen lag. Vielleicht war sich Audiger klargeworden, daß es schwieriger sein würde, sie beiseite zu schieben, als er ursprünglich gedacht hatte. Vielleicht überwachte er sie jetzt gar?

Allmählich jedoch trieb er es mit dem Überwachen ein wenig weit, denn bei den Ausflügen, die die ganze Familie an diesen Sommersonntagen aufs Land unternahm, tauchte Audiger wiederholt zu Pferde auf und lud sich zu ihrer Mahlzeit im Grünen ein. Wie durch Zufall fanden sich in seiner Satteltasche stets eine Hasenpastete und eine Flasche Champagner.

Oder aber man stieß auf ihn in der Galeote, die auf dem Wasserweg nach Chaillot fuhr, im Marktschiff von Saint-Cloud, in dem seine Bänder, seine Federn und seine Kleidung aus feinem Tuch sich seltsam genug ausnahmen. Am Tage nach einem dieser Ausflüge trat Audiger plötzlich aus seiner Reserve heraus und sagte zu Angélique: »Je länger ich Euch beobachte, desto mehr Rätsel gebt Ihr mir auf, schöne Freundin. Es ist da etwas in Euch, das mich beunruhigt .«

»Bezüglich Eurer Schokolade?«

»Nein . oder vielmehr doch . indirekt. Zuerst bildete ich mir ein, Ihr wärt für die Dinge des Herzens ... und auch des Geistes geschaffen. Und nun merke ich immer mehr, daß Ihr in Wirklichkeit sehr praktisch, ja sogar materiell seid und daß Ihr nie den Kopf verliert.«

»Ich will es hoffen«, dachte sie. Aber sie begnügte sich damit, auf die liebreizendste Art zu lächeln.

»Im Leben gibt es Perioden, in denen man gezwungen wird, sich voll und ganz einer einzigen Sache zu widmen, dann wieder einer andern. Zu gewissen Zeiten ist es die Liebe, die vorherrscht, gewöhnlich dann, wenn das Dasein einem leichtfällt. Zu andern ist es die Arbeit, ein gestecktes Ziel. So will ich Euch auch nicht verheimlichen, daß ich zur Zeit mein Augenmerk in erster Linie darauf richte, Geld für meine Kinder zu verdienen, deren ... deren Vater gestorben ist.«

»Ich möchte nicht indiskret erscheinen, aber da Ihr schon einmal von Euren Kindern sprecht - glaubt Ihr, daß es Euch bei einem ebenso anstrengenden wie unsicheren und vor allem mit echtem Familienleben so wenig zu vereinbarenden Gewerbe gelingen kann, sie ordentlich zu erziehen und glücklich zu machen?«

»Ich habe keine Wahl«, sagte Angélique hart. »Im übrigen kann ich mich über Meister Bourgeaud nicht beklagen und habe bei ihm ein im Verhältnis zu meiner bescheidenen Stellung unverhofft gutes Auskommen gefunden.«

Audiger hüstelte, spielte eine Weile nachdenklich mit den Quasten seines Spitzenkragens und sagte zögernd:

»Und ... wenn ich Euch diese Wahl böte?«

»Was wollt Ihr damit sagen?«

Sie sah ihn an und erkannte in seinen braunen Augen den Ausdruck verhaltener Verehrung. Der Augenblick schien ihr günstig, um die Verhandlungen voranzutreiben: »Da fällt mir ein: Habt Ihr endlich Euer Patent?«

Audiger seufzte.

»Aha, Ihr seid also doch interessiert und verbergt es auch gar nicht! Nun, offen gesagt, ich habe den Stempel der Staatskanzlei noch nicht und werde ihn wohl auch nicht vor Oktober bekommen, denn während der Sommermonate hält sich der Präsident Séguier in seinem Landhause auf. Aber von diesem Zeitpunkt an wird alles ganz rasch gehen, denn ich habe meine Angelegenheit mit dem Grafen de Guiche besprochen, des Kanzlers Schwager. Ihr seht, daß Ihr binnen kurzem keine Aussicht mehr habt, eine hübsche Schokoladenwirtin zu werden ... falls Ihr nicht ...«

»Jawohl ... falls ich nicht ...«, sagte Angélique. »So hört mich an.«

Und sie teilte ihm frank und frei ihre Absichten mit. Sie verriet ihm, daß sie ein Patent besitze, das älteren Datums als das seinige sei und mit dem sie ihm Verdruß bereiten könne, doch sei es wohl am besten, man einige sich. Sie würde die Herstellung des Produkts übernehmen und er die Zubereitung. Und um am Gewinn des Schokoladegeschäfts beteiligt zu sein, würde Angélique ihm helfen und Geld investieren.

»Wo gedenkt Ihr Euer Schokoladegeschäft einzurichten?«

»Im Quartier Saint-Honoré bei der Croix du Tra-hoir. Aber Eure Geschichten haben weder Hand noch Fuß!«