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Angélique sagte schließlich zu ihm: »Ihr werdet es nie bekommen, Euer Patent!«

»Wirklich, Frau Prophetin? Und weshalb?«

»Weil Ihr auf Monsieur de Guiche baut, den Schwiegersohn Monsieur Séguiers. Nun, Ihr wißt nicht, daß die Ehe Monsieur de Guiches die reine Hölle ist und daß Monsieur Séguier seine Tochter unterstützt. Euer Patent verschimmeln zu lassen, bedeutet für den Kanzler eine willkommene Gelegenheit, seinen Schwiegersohn zu ärgern, und daß er sie weidlich nutzen wird, darauf könnt Ihr Gift nehmen.«

Sie hatte diese Einzelheiten vom Schmutzpoeten erfahren. Aber der verblüffte Audiger erhob lauten Widerspruch. Die Eintragung seines Patents stehe unmittelbar bevor, und der Beweis dafür sei, daß er bereits mit dem Bau seines Ausschanks in der Rue Saint-Honoré angefangen habe.

Als Angélique die Arbeiten besichtigte, stellte sie fest, daß der Haushofmeister sich ihre Ideen zu eigen gemacht hatte: der Raum würde Spiegel und vergoldete Täfelungen haben.

»Ich denke, diese Neuheit wird die Leute anziehen, die für das Aparte Sinn haben«, erklärte Audiger, der völlig vergaß, von wem dieser Gedanke stammte. »Wenn man ein neues Produkt einführen will, braucht man einen neuartigen Rahmen.«

»Und habt Ihr Schritte unternommen, um Euch das besagte Produkt zu beschaffen?«

»Wenn ich erst mein Patent habe, wird sich das von allein ergeben.«

Die junge Frau nutzte diesen ein wenig fahrlässigen Optimismus aus, um sich nach den Möglichkeiten des Imports großer Mengen von Kakao zu erkundigen. Entdeckte sie sie, würde Audiger auf sie angewiesen sein, und sie genoß im voraus ihre Rache.

Aber David konnte den Juden nicht ausfindig machen, bei dem sein Vater die ersten Ladungen aus Martinique gekauft hatte, und so verfiel sie auf einen andern Gedanken. In letzter Zeit war unter den Kaufleuten und Finanzmännern, die die Schenke besuchten, häufig von der Ostindischen Gesellschaft die Rede gewesen, die durch Monsieur Colbert und den König persönlich gefördert wurde und in jenem fernen Lande mit den Holländern und Engländern in Konkurrenz zu treten gedachte.

Eines Abends brachte ihr Claude Le Petit den Text einer Veröffentlichung über diese Gesellschaft, die der König von einem Mitglied der Academie Française hatte abfassen lassen.

»Es ist ein Meisterwerk, meine Liebe. Hör dir das an: >Und welch ein Paradies, dieses Madagaskar! Dort herrscht ein gemäßigtes Klima, die Erde ist vortrefflich und verlangt danach, kultiviert zu werden. Alles ist in Überfülle zu finden. Das Wasser ist bekömmlich, die Früchte sind köstlich, die Goldadern längs der Küsten und auf den Bergen erschließen sich von selbst. Und vor allem: was für Bewohner! Gutmütig, überaus empfänglich für das Evangelium, beglückt, wenn sie die Christen arbeiten sehen!<«

Claude Le Petit hielt inne und erläuterte:

»Was man zweifellos folgendermaßen übersetzen muß: Auf dieser großen Insel krepiert man vor Hitze und am schlechten Wasser der Sümpfe, man steckt Gold in den Boden, der es verschlingt, und die Bewohner sind so faul, daß sie lieber die Weißen arbeiten sehen und zur Messe gehen, als selbst Hand anzulegen .«

Angélique zog ihn an den Haaren.

»Rebell! Warum bei allem immer nur das Schlechte sehen? Sicher läßt sich da etwas herausholen: Zucker, Tabak, Baumwolle und vor allem Kakao. Im Austausch wird man Weine dorthin schicken, Branntwein, Pökelfleisch, Käse ...«

»Vergiß den so einträglichen Sklavenhandel nicht.«

»Der König hat bereits fünf Millionen Livres in die Sache gesteckt.«

»Der König ist nicht dumm, und er hofft, daß seine Untertanen unter einem andern Himmel mehr Geschäftstüchtigkeit entwickeln als im eigenen Lande.«

Angélique schwieg eine Weile, dann stieß sie einen Seufzer aus.

»Ich glaube, ich hätte mich am Ende mit dem König verständigen können«, sagte sie. »Aber es ist zu spät. Jetzt gibt es für mich nur noch den Kampf!«

Angélique legte ihre Feder auf das Tintenglas und überlas befriedigt die Abrechnung, die sie eben abgeschlossen hatte.

Vor kurzer Zeit war sie aus der »Roten Maske« zurückgekehrt, wo sie noch die turbulente Ankunft eines Schwarms junger Edelleute hatte verzeichnen können, deren mit erlesenen Genueser Spitzen besetzte Kleidung wohlgefüllte Börsen vermuten ließ. Sie waren zudem maskiert gewesen, was als weiterer Beweis für ihren hohen Rang gelten mochte. Gewisse Persönlichkeiten des Hofs zogen es vor, ihr Inkognito zu wahren, um sich in den Schenken ungezwungener vom Joch der Etikette erholen zu können.

Wie häufig in letzter Zeit, hatte die junge Frau es Meister Bourgeaud, David und ihren Gehilfen überlassen, sie zu empfangen. Jetzt, da der Ruf des Hauses gefestigt war, trat sie seltener in Erscheinung und widmete ihre Zeit hauptsächlich den Einkäufen und der Geschäftsführung des Unternehmens.

Man befand sich gegen Ende des Jahres 1664. Ganz allmählich hatte sich eine Entwicklung vollzogen, die vor drei Jahren kein Mensch in der Rue de la Vallée-de-Misère für möglich gehalten hätte. Wenn sie Maître Bourgeaud auch noch nicht das Haus abgekauft hatte, wie sie es insgeheim beabsichtigte, war Angélique sozusagen doch die eigentliche Inhaberin des Unternehmens geworden. Der Bratkoch blieb Besitzer, aber sie übernahm alle Unkosten und hatte entsprechend ihren Gewinnanteil erhöht. Genau besehen, war es jetzt Meister Bourgeaud, der einen Prozentsatz des Überschusses bekam und sich nun glücklich schätzte, jeglicher Sorge ledig zu sein, in seiner eigenen Gastwirtschaft ein fettes Leben führen und sich außerdem für seine alten Tage noch einen guten Batzen zurücklegen zu können. Angélique durfte so viel Geld anhäufen, wie sie wollte. Meister Bourgeaud kam es einzig darauf an, unter ihren Fittichen zu bleiben, von ihrer wachen, tatkräftigen Zuneigung umhegt zu sein. Zuweilen, wenn er von ihr sprach, sagte er »mein Kind«, und das mit so viel Überzeugung, daß viele Gäste der »Roten Maske« an ihre Verwandtschaft glaubten.

Zur Melancholie neigend und stets von seinem nahe bevorstehenden Ende überzeugt, erzählte er jedem, der es hören wollte, er habe, ohne seinen eigenen Neffen zu vergessen, in seinem Testament Angélique reichlich bedacht. Und es schien höchst unwahrscheinlich, daß David gegen die von seinem Onkel getroffenen Verfügungen zugunsten einer Frau, der er sich noch immer völlig unterordnete, Einwände erheben würde. Er wurde im übrigen allmählich ein recht hübscher Bursche, war sich dessen durchaus bewußt und gab im Vertrauen auf die bei der Polackin gewonnenen Erfahrungen die Hoffnung nicht auf, diejenige zu seiner Geliebten zu machen, die er anbetete.

Angélique entgingen Davids Fortschritte auf dem Gebiet der Liebeskunde nicht. Sie ermaß sie an ihren eigenen Reaktionen, denn wenn die Unbeholfenheit des Jünglings sie früher zum Spott gereizt hatte, verursachten ihr jetzt gewisse Blicke ein leicht beunruhigendes Vergnügen. Sie faßte ihn weiterhin hart an wie einen jüngeren Bruder, aber in ihre spitzen Bemerkungen mischte sich, wie sie zuweilen feststellte, eine leise Spur von Koketterie. Immerhin brauchte sie David ja auch. David war einer der Pfeiler, auf denen der Erfolg ihrer zukünftigen Unternehmungen ruhte. Der andere war Audiger, und auch den mußte man sich warmhalten, diesen sehr viel ernsthafter entflammten Liebhaber, dessen betonte Zurückhaltung auf ein immer mehr sich vertiefendes Gefühl schließen ließ. Bei ihm fürchtete sie ein wenig die Hartnäckigkeit des gereiften Mannes, der über das Alter der Liebeleien hinaus ist, ohne dasjenige der Leidenschaften gekannt zu haben. Dieser gesetzte Bürger, Bedienter ohne jeden niedrigen Zug, ehrlich, beherzt und vernünftig wie andere blond oder braun sind, würde sich nicht foppen lassen.

Angélique schüttelte den Sand von dem Blatt, auf dem sie ihre Abrechnung gemacht hatte. Sie lächelte nachsichtig.

»Da lebe ich nun zwischen meinen drei Köchen, die zärtliche Gefühle für mich hegen, jeder auf seine Art. Ob das der Beruf mit sich bringt? Die Hitze des Herdfeuers läßt ihr Herz schmelzen wie das Fett der Truthähne.«