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Angélique drängte es, sich nach ihrem Gatten umzuwenden und ihn zu beschwören: »Ich bitte Euch, seid vorsichtig!«

Zu gleicher Zeit genoß sie diese stumme Huldigung. Ihre unberührte, der Liebkosungen entwöhnte Haut sehnte sich nach einer nachdrücklicheren Berührung, der von wissenden Lippen, die sie zur Wollust erweckten. Und wie sie sehr aufrecht, ein wenig steif dasaß, fühlte sie eine Flamme in ihre Wangen aufsteigen. Sie kam sich lächerlich vor und sagte sich, daß es bei alldem nichts gebe, was dem Erzbischof mißfallen könne, denn schließlich war sie die Frau dieses Mannes, sie gehörte ihm. Das Verlangen überkam sie, sich ernst, mit geschlossenen Augen, seiner stürmischen Umarmung hinzugeben.

Zweifellos entging Joffrey ihre Verwirrung nicht, er würde sich wohl höchlichst darüber amüsieren. »Er spielt mit mir wie die Katze mit der Maus. Er rächt sich für meine Verachtung«, sagte sie sich hilflos.

Um über ihre Verlegenheit hinwegzukommen, rief sie endlich einen der kleinen Neger, der auf einem Kissen in einem Winkel des Raumes schlummerte, und befahl ihm, die Konfektdose zu bringen. Als der Kleine ihr den Kasten aus Ebenholz mit Perlmuttereinlagen reichte, der kandierte Nüsse und Früchte, Gewürzplätzchen und Rosenzucker enthielt, hatte Angélique ihre Kaltblütigkeit zurückgewonnen, und sie folgte mit verstärkter Aufmerksamkeit der Unterhaltung der beiden Männer.

»Nein, Monsieur«, sagte Graf Peyrac, während er nachlässig einige Veilchenpastillen knabberte, »glaubt nicht, daß ich mich den Wissenschaften mit dem Ziel hingegeben habe, die Geheimnisse der Macht und der Gewalt kennenzulernen. Ich habe immer eine natürliche Neigung für diese Dinge gehabt.«

»Ihr sprecht von Macht, Monsieur de Peyrac«, sagte der Erzbischof, »Macht über die Menschen, Macht über die Dinge. Habt Ihr nie daran gedacht, daß die ungewöhnliche Verbesserung Eurer Lebensverhältnisse vielen verdächtig erscheinen könnte, vor allem dem stets wachsamen Auge der Kirche? Euer Reichtum, der mit den Jahren anschwillt, Eure wissenschaftlichen Arbeiten, die Euch Gelehrte aus aller Herren Ländern zuführen? Ich habe im vergangenen Jahr einen dieser gelehrten Herrn, einen Deutschen, gesprochen. Er konnte es gar nicht fassen, daß es Euch gelungen sein sollte, geradezu spielend Probleme zu lösen, über welche die größten Geister dieser Zeit vergeblich gegrübelt haben. Ihr sprecht zwölf Sprachen ...«

»Pico della Mirandola im vergangenen Jahrhundert hat achtzehn gesprochen.«

»Ihr besitzt eine Stimme, die den großen italienischen Sänger Maroni vor Neid erblassen ließ, Ihr dichtet aufs trefflichste, Ihr seid - verzeiht mir, Madame - ein Meister in der Kunst, die Frauen zu verführen .«

»Und das hier .?«

Angélique ahnte beklommenen Herzens, daß Joffrey die Hand an seine versehrte Wange geführt hatte.

Die Verlegenheit des Erzbischofs löste sich in einer Grimasse der Ungeduld. »Nun, Ihr macht es - ich weiß nicht, auf welche Weise - vergessen. Ihr habt zu viele Talente, glaubt mir.«

»Eure Vorwürfe verwundern mich und bringen mich in Verlegenheit. Ich habe nicht gewußt, daß ich in solchem Maße Neid errege. Es schien mir im Gegenteil, als sei ich mit einem schlimmen Fluch beladen.«

Er beugte sich vor, und seine Augen funkelten, als habe er eben die Gelegenheit zu einem hübschen Scherz entdeckt.

»Wißt Ihr, Eminenz, daß ich in gewisser Hinsicht ein hugenottischer Märtyrer bin?«

»Ihr ein Hugenotte?« rief der Kirchenfürst entsetzt aus.

»Ich sagte:    in gewisser Hinsicht. Hier die Geschichte. Nach meiner Geburt vertraute mich meine Mutter einer Amme an, bei deren Wahl sie sich nicht vom Gesichtspunkt der Religion, sondern von dem der kräftigsten Brüste leiten ließ. Nun, die Amme war Hugenottin. Sie nahm mich in ihr Cevennendorf mit, das zur Herrschaft eines reformierten Adligen gehörte. Nicht weit davon entfernt gab es, wie das so zu sein pflegt, einen weiteren Adelssitz und katholische Dörfer. Ich weiß nicht, wie es dazu kam, jedenfalls war ich drei Jahre alt, als Katholiken und Hugenotten sich in die Haare gerieten.

Meine Amme und die Frauen ihres Dorfs hatten im Schloß des reformierten Edelmanns Schutz gesucht. Mitten in der Nacht nahmen es die Katholiken im Sturm. Allen Bewohnern wurde der Hals abgeschnitten, und das Schloß wurde in Brand gesteckt. Mich selbst beförderte man, nachdem man mir das Gesicht mit drei Säbelhieben gespalten hatte, durchs Fenster, und ich fiel zwei Stockwerke tief in einen von Schnee erfüllten Hof. Der Schnee bewahrte mich vor den glühenden Funken, die allenthalben herabregneten. Am Morgen fand mich einer der Katholiken, der zum Plündern zurückkam, erinnerte sich, daß ich das Kind toulousanischer Adliger war, hob mich auf und steckte mich zusammen mit meiner Milchschwester Margot, der einzigen Überlebenden des Blutbads, in seine Kiepe. Der Mann mußte mehrere Schneestürme

über sich ergehen lassen, bis er die Ebene erreichte. Als er in Toulouse ankam, lebte ich noch. Meine Mutter brachte mich auf eine besonnte Terrasse, entkleidete mich und ließ keinen Arzt zu mir, denn sie sagte, sie würden mich zugrunde richten. Erst in meinem zwölften Lebensjahr konnte ich gehen. Mit siebzehn schiffte ich mich ein. Dies ist der Grund, warum ich die Muße hatte, soviel zu studieren. Dank der Krankheit und der Bewegungslosigkeit zuerst, dank meiner Reisen danach. Darin liegt wohl nichts Verdächtiges.«

Nachdem der Erzbischof eine Weile geschwiegen hatte, sagte er nachdenklich:

»Euer Bericht macht vieles verständlich. Ich wundere mich nicht mehr über Eure Sympathie für die Protestanten.«

»Ich habe keine Sympathie für die Protestanten.«

»Sagen wir also: über Eure Antipathie gegenüber den Katholiken.«

»Ich habe keine Antipathie gegenüber Katholiken. Ich habe lediglich Abscheu vor allem Sektiererischen, Unechten, Engherzigen. Ich bin, Monsieur, ein Mann der Vergangenheit und finde mich in unserer Epoche der Intoleranz schwer zurecht. Ich hätte ein oder zwei Jahrhunderte früher auf die Welt kommen sollen, in jener Zeit der Renaissance, als die französischen Barone Italien entdeckten und hinter ihm das leuchtende Erbe der Antike: Rom, Griechenland, Ägypten, die Länder der Bibel .«

Seine Eminenz machte eine kaum merkliche Bewegung, die Angélique nicht entging.

»Er hat ihn dorthin gebracht, wo er ihn haben wollte«, sagte sie sich.

»Reden wir von den Ländern der Bibel«, erklärte sanft der Erzbischof. »Sagt uns doch die Heilige Schrift, daß König Salomon einer der ersten Magier war und daß er Schiffe nach Ophyr schickte, wo er, sicher vor neugierigen Blicken, durch die Transmutation gemeine Metalle in edle verwandeln ließ. Die Geschichte berichtet, daß er seine Schiffe goldbeladen zurückbrachte.«

»Die Geschichte berichtet auch, daß Salomon nach seiner Rückkehr die Steuern verdoppelte, was beweist, daß er nicht viel Gold mitgebracht haben kann, und vor allem, daß er nicht wußte, wann er seinen Vorrat würde ergänzen können. Wäre er wirklich der Methode des Goldmachens auf die Spur gekommen, hätte er gewiß weder die Steuern erhöht noch sich die Mühe gemacht, seine Schiffe nach Ophyr zu schik-ken.«

»Seine Weisheit hat ihn davon abgehalten, seine Untertanen in Geheimnisse einzuweihen, mit denen sie Mißbrauch getrieben hätten. Eine gewisse Tarnung war notwendig. Lacht nicht, Monsieur«, rief der Erzbischof ziemlich scharf. »Die Grundwahrheiten der Kirche dulden keine Verspottung.«

»Ich lache nicht über die in der Bibel geschilderten Tatsachen, sondern über ihre sophistische Auslegung.«

»Hütet Euch, Monsieur, über die geheiligten Dinge zu lästern.«