»Ich hege tiefe Ehrfurcht vor ihnen. Aber ich wiederhole: ich lehne es ab, sie mit jenen Problemen zu vermengen. Ich möchte sogar noch weitergehen: Salomon konnte die Transmutation der Metalle in Gold nicht kennen, denn die Transmutation ist ein unmögliches Phänomen. Die Alchimie ist eine Kunst, die nicht existiert, eine unglückselige Farce, die aus dunklen Zeiten stammt und von ganz allein der Lächerlichkeit verfallen wird, denn niemand wird jemals die Transmutation bewerkstelligen.«
»Und ich sage Euch«, rief der Erzbischof erbleichend aus, »daß ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe, wie Becher einen zinnernen Löffel in ein Produkt dieser Zusammenstellung tauchte und ihn in Gold verwandelt wieder herauszog.«
»Er war nicht in Gold verwandelt, er war mit Gold überzogen. Hätte der gute Mann sich die Mühe gemacht, diese oberste Schicht mit einem Stichel abzukratzen, wäre er sofort auf das darunterliegende Zinn gestoßen.«
»Das ist richtig, aber Becher versichert, das sei der Anfang der Transmutation gewesen, das erste Stadium des eigentlichen Phänomens.«
Es entstand eine Pause. Joffreys Hand glitt über die Lehne von Angéliques Sessel und streifte den Arm der jungen Frau. Lässig sagte er:
»Wenn Ihr überzeugt seid, daß Euer Mönch die Zauberformel gefunden hat, was war dann der Zweck Eures heutigen Besuches?«
Der Erzbischof verzog keine Miene.
»Becher ist überzeugt, daß Ihr das letzte Geheimnis kennt, das die Vollendung der Transmutation erlaubt.«
Graf Peyrac lachte hellauf.
»Nie habe ich eine komischere Behauptung gehört. Ich sollte mich mit so kindlichen Versuchen abgeben? Armer Becher! Ich überlasse ihm gern alle Aufregungen und Hoffnungen der falschen Wissenschaft, die er ausübt, und .«
Ein fürchterliches Geräusch, ähnlich einem Donnerschlag oder einem Kanonenschuß, unterbrach ihn. Joffrey richtete sich auf und erbleichte.
»Das ... das ist im Laboratorium. Mein Gott, wenn nur Kouassi-Ba nicht getötet worden ist!«
Er stürzte nach der Tür.
Der Erzbischof war ebenfalls aufgesprungen und stand nun aufgereckt wie ein Hüter der Gerechtigkeit da. Schweigend fixierte er Angélique.
»Ich gehe, Madame«, sagte er schließlich. »Mir will scheinen, als tue in diesem Hause Satan bereits seinen Zorn über die Tatsache meiner Gegenwart kund. Erlaubt, daß ich mich zurückziehe.«
Und er entfernte sich mit großen Schritten. Man hörte das Knallen der Peitschen und die Rufe der Kutscher, während die bischöfliche Kutsche gleich darauf über den großen Vorhof rollte.
Angélique konnte sich nicht schlüssig werden, was sie tun sollte. Es drängte sie, in den Flügel des Schlosses hinüberzulaufen, aus dem das donnerähnliche Geräusch gekommen war. Joffrey schien ernstlich besorgt gewesen zu sein. Ob es Verletzte gegeben hatte? Ihre Pflicht war es, sich zu vergewissern. Dennoch rührte sie sich nicht von der Stelle. Das Geheimnis, mit dem der Graf seine Arbeiten umgab, hatte ihr mehr als einmal klargemacht, daß dies der einzige Bezirk war, den er vor der Neugier der Uneingeweihten verschloß. Nur aus Rücksicht auf die Persönlichkeit seines Besuchers hatte er sich zu einigen oberflächlichen Erklärungen bereit gefunden. Genügten sie, um den Argwohn des Erzbischofs zu beschwichtigen?
Angélique erschauerte. »Hexerei!« Sie blickte umher. In dieser bezaubernden Umgebung wirkte das Wort wie ein böser Scherz. Aber es gab da noch zu viele Dinge, die Angélique nicht durchschaute.
»Ich werde dort drüben nachsehen«, beschloß sie. »Auf die Gefahr hin, daß er böse wird.«
Aber sie hörte den Schritt ihres Gatten, und gleich darauf betrat er den Salon. Seine Hände waren rußverschmiert. Gleichwohl lächelte er.
»Gottlob nichts Ernstes. Kouassi-Ba hat nur ein paar Hautwunden abbekommen, aber er hatte sich so gut unter dem Tisch verborgen, daß ich zuerst glaub-te, die Explosion habe ihn zerfetzt. Hingegen sind die materiellen Schäden beträchtlich. Meine wertvollsten Retorten aus besonderem böhmischen Glas liegen in Scherben. Nicht eine einzige ist übriggeblieben!«
Auf seinen Wink trugen zwei Pagen ein Becken und eine goldene Wasserkanne herbei. Er wusch sich die Hände, dann schüttelte er seine Spitzenmanschetten zurecht.
Angélique nahm all ihren Mut zusammen.
»Ist es nötig, Joffrey, daß Ihr diesen gefährlichen Experimenten so viele Stunden widmet?«
»Es ist nötig, Gold zum Leben zu haben«, sagte der Graf und wies mit einer schweifenden Geste auf den prächtigen Salon, dessen vergoldete Holzdecke er kürzlich neu hatte bemalen lassen. »Aber darum geht es gar nicht. Ich empfinde bei diesen Studien ein Vergnügen, das nichts anderes mir verschaffen kann. Darin liegt der Zweck meines Lebens.«
Angélique gab es einen Stich ins Herz, als beraubten sie solche Worte eines kostbaren Guts, aber da sie bemerkte, daß ihr Mann sie prüfend betrachtete, bemühte sie sich um eine gleichgültige Miene, während er fortfuhr:
»Darin liegt der einzige Zweck meines Lebens, abgesehen von dem, Euch zu erobern«, schloß er mit einer höfischen Verbeugung.
»Ich will absolut nicht in Rivalität mit Euern Phiolen und Retorten treten«, sagte Angélique eine Spur zu lebhaft, »aber die Worte Seiner Eminenz haben einige Unruhe in mir ausgelöst, wie ich Euch gestehen muß.«
»Wirklich?«
»Habt Ihr in ihnen keine verborgene Drohung gespürt?«
Er antwortete nicht sogleich. Ans Fenster gelehnt, sah er nachdenklich über die flachen Dächer der Stadt hinweg, die sich so eng aneinanderdrängten, daß sie mit ihren runden Ziegeln einen riesigen Teppich in den Farbtönen des Klees und des Mohns bildeten.
Da ihr Gatte verstummt war, kehrte Angélique zu ihrem Sessel zurück, und ein Negerknabe stellte das Kästchen aus Korbgeflecht neben sie, in dem die schimmernden Seidenfäden ihrer Handarbeit in buntem Wirrwarr durcheinanderliefen.
Es herrschte Stille im Palast an diesem Tage nach dem Fest. Angélique dachte daran, daß sie bei der Mittagstafel allein dem Grafen Peyrac gegenübersitzen würde, sofern sich der unvermeidliche Bernard d’Andijos nicht einstellte ...
»Habt Ihr die Taktik des Herrn Großinquisitors beobachtet?« fragte der Graf plötzlich. »Er spricht zunächst von der Moral, streift im Vorbeigehen die >Orgien< in unserm Hause, spielt auf meine Reisen an und führt uns von da aus zu Salomon. Kurz, man steht plötzlich vor der Tatsache, daß Baron Benoît de Fontenac, Erzbischof von Toulouse, mich auffordert, mit ihm mein Geheimnis des Goldmachens zu teilen, andernfalls werde er mich wie einen Hexenmeister auf der Place des Salins verbrennen lassen.«
»Das ist eben die Drohung, die ich herauszuhören glaubte«, sagte Angélique verängstigt. »Meint Ihr, daß er sich wirklich einbildet, Ihr wäret mit dem Teufel im Bunde?«
»Er? Nein. Das überläßt er seinem naiven Becher. Der Erzbischof besitzt eine zu nüchterne Intelligenz und kennt mich zu genau. Nur ist er überzeugt, daß ich das Geheimnis in Händen halte, auf künstlichem Wege Gold und Silber zu mehren. Er möchte es auch kennen, um es selbst nutzen zu können.«
»Er ist ein verworfener Mensch!« rief die junge Frau aus. »Dabei wirkt er so würdig, so aufrichtig, so großmütig.«
»Das ist er auch. Seine Geldmittel fließen den barmherzigen Werken zu. Er hält täglich freien Tisch für die armen Kirchenbeamten. Er kümmert sich um die Brandgeschädigten, um die Findelkinder und so fort. Er ist durchdrungen von der Unschuld der Seelen und der Größe Gottes. Aber er ist auch vom Dämon der Herrschsucht besessen. Er sehnt sich nach der Zeit zurück, da der einzige Herr einer Stadt, ja selbst einer Provinz der Bischof war, den Krummstab in der Hand, Recht sprechend, strafend, belohnend. Er erträgt es einfach nicht, zusehen zu müssen, wie mein Einfluß wächst. Wenn die Dinge sich so weiterentwickeln, wird es in ein paar Jahren der Graf Peyrac sein, Euer Gatte, meine liebe Angélique, der Toulouse beherrscht. Gold und Silber verleihen Macht, und hier fällt nun die Macht in die Hände eines Gehilfen des Satans. Da gibt es für Seine Eminenz kein Zögern. Entweder wir teilen die Macht oder .«