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Er kehrte in den Vorplatz zurück und beugte sich über das Treppengeländer.

»De Guiche, Liebster, kommt nur herauf. Wir sind hier richtig.«

In dem eintretenden Edelmann - einem hübschen, schlanken und sehr brünetten Jüngling - erkannte Angélique den Grafen de Guiche, den ältesten Sohn des Herzogs von Gramont. Der besagte Philippe nahm de Guiche beim Arm und lehnte sich zärtlich an seine Schulter.

»Oh, wie bin ich glücklich! Wir werden bestimmt die bestfrisierten Leute des Hofs sein. Péguillin und der Marquis d’Humières werden vor Neid erblassen. Ich habe gesehen, wie sie sich verzweifelt auf die Suche nach ihrem Barbier machten, den de Vardes ihnen dank seiner gewichtigeren Geldbörse abspenstig gemacht hatte.«

Er brach in ein etwas zu hohes Gelächter aus, strich sich mit der Hand über das frischrasierte Kinn und streichelte dann mit graziöser Geste die Wange des Grafen de Guiche. Ganz hingegeben lehnte er sich an den jungen Mann und schaute ihn schmachtend an. Graf de Guiche lächelte geckenhaft und ließ sich die Huldigung ungeniert gefallen.

Angélique hatte noch nie zwei Männer sich in solcher Weise gebärden sehen, und sie geriet darüber fast in Verlegenheit. Auch der Herrin des Hauses schien es zu mißfallen, denn sie rief plötzlich:

»Ach, Philippe, ich mag dieses Getue hier bei mir nicht. Eure Mutter würde mich wieder einmal beschuldigen, ich begünstige Eure perversen Instinkte. Seit jenem Fest in Lyon, wo wir - Ihr, ich und Mademoiselle de Villeroy - uns als bretonische Bauernmädchen verkleideten, verfolgt sie mich mit solchen Vorwürfen. Und erzählt mir nicht, daß der kleine Péguillin in Verlegenheit ist, sonst schicke ich jemanden auf die Suche nach ihm und lasse ihn hierherbringen. Ich will doch schauen, ob ich ihn nicht entdecke. Er ist der bemerkenswerteste junge Mann, den ich kenne, und ich bete ihn an.«

Auf ihre lärmende und impulsive Art stürzte sie neuerdings zum Balkon, wich jedoch sofort zurück und preßte die Hand auf ihren ausladenden Busen.

»O mein Gott, da ist er!«

»Péguillin?« erkundigte sich der kleine Herr.

»Nein, dieser Edelmann aus Toulouse, der mir so große Angst einflößt.«

Angélique trat ihrerseits auf den Balkon und erblickte ihren Gatten, der in Begleitung Kouassi-Bas die Straße herunterkam.

»Aber das ist doch der Große Hinkefuß aus dem Languedoc!« rief der kleine Herr aus, der sich zu ihnen gesellt hatte. »Warum fürchtet Ihr Euch vor ihm, Kusine? Er hat die sanftesten Augen, eine zärtliche Hand und einen funkelnden Geist.«

»Ihr redet wie eine Frau«, sagte die Dame mit Abscheu. »Es heißt, alle Frauen seien hinter ihm her.«

»Außer Euch.«

»Ich habe mich nie in Sentimentalitäten verloren. Ich sehe, was ich sehe. Findet Ihr nicht, daß dieser düstere und hinkende Mann mit dem Mohren, der so schwarz wie die Hölle ist, etwas Beängstigendes hat?«

Graf de Guiche warf bestürzte Blicke auf Angélique, und zweimal machte er den Mund auf, um etwas zu sagen. Doch sie bedeutete ihm zu schweigen. Die Unterhaltung belustigte sie höchlichst.

»Deutlich herausgesagt: Ihr wißt die Männer nicht mit weiblichen Augen zu betrachten«, erklärte der junge Philippe. »Ihr erinnert Euch, daß dieser Edelmann sich geweigert hat, vor Monsieur d’Orléans das Knie zu beugen, und das genügt, um Euch zu erbosen.«

»Er hat allerdings früher eine seltene Unverfrorenheit an den Tag gelegt .«

In diesem Augenblick sah Joffrey zum Balkon auf. Er blieb stehen, nahm seinen Federhut ab und grüßte mehrmals höchst ehrerbietig.

»Seht Ihr, wie unrecht die bösen Zungen haben!« sagte der junge Edelmann. »Man behauptet, dieser Mann sei voller Dünkel, und dabei . Kann man mit größerem Anstand grüßen? Was meint Ihr, Liebster?«

»Gewiß, Graf Peyrac de Morens besitzt ausnehmend höfliche Umgangsformen«, beeilte sich de Guiche zu antworten, der nicht wußte, wie er die peinliche Situation retten sollte. »Und erinnert Euch des wunderbaren Empfangs, der uns in Toulouse zuteil wurde.«

»Nun, der König selbst denkt mit recht gemischten Gefühlen daran zurück. Was nicht hindert, daß Seine Majestät darauf brennt festzustellen, ob die Frau dieses Hinkenden wirklich so schön ist, wie behauptet wird. Es kommt ihm unbegreiflich vor, daß man ihn lieben könne ...«

Angélique zog sich leise zurück, nahm François Binet beiseite und flüsterte ihm ins Ohr: »Dein Herr ist zurück und wird nach dir rufen. Laß dich nicht durch die Silberstücke all dieser Leute verführen, sonst bekommst du eine Tracht Prügel.«

»Seid beruhigt, Madame. Ich frisiere diese junge Dame fertig und schlüpfe hinaus.«

Sie stieg eilig hinunter und lief in ihr Haus hinüber. Dabei gestand sie sich ein, daß sie diesen Binet gern mochte, nicht nur seines Geschmacks und seiner Geschicklichkeit, sondern auch seiner Schlauheit und seiner Untergebenenphilosophie wegen. Er hatte ihr einmal anvertraut, daß er alle Adligen mit »Hoheit« anrede, um sicherzugehen, niemanden zu kränken.

Im Schlafzimmer, wo die Unordnung noch schlimmer geworden war, fand Angélique ihren Gatten mit umgebundenem Handtuch in Erwartung des Barbiers vor.

»Nun, schöne Dame, Ihr nützt ja Eure Zeit!« meinte er. »Ich lasse Euch in tiefem Schlaf zurück, um mich nach Neuigkeiten und dem Programm der Zeremonien zu erkundigen. Und eine Stunde später finde ich Euch in vertrautem Gespräch mit der Herzogin von Montpensier und Monsieur, dem Bruder des Königs, wieder.«

»Die Herzogin von Montpensier! Die Grande Mademoiselle!« rief Angélique aus. »Mein Gott! Ich hätte es mir denken können, als sie von ihrem Vater sprach, den man in Saint-Denis beigesetzt hat.«

Während Angélique sich rasch entkleidete, erzählte sie, auf welche Weise sie zufällig die Bekanntschaft der berühmten Parteigängerin der Fronde gemacht hatte, der alten Jungfer des Regimes, die nun, nach dem Tode ihres Vaters Gaston d’Orléans, die reichste Erbin Frankreichs war.

»Ihre jüngeren Schwestern, Mesdemoiselles de Valois und d’Alençon, die bei der Trauung die Schleppe der Königin halten werden, sind also nur ihre Halbschwestern. Binet hat sie auch frisiert.«

Der Barbier kam atemlos angestürzt und begann, das Kinn seines Herrn einzuseifen. Angélique stand im Hemd da, aber das machte ihr im Augenblick nichts aus. Es ging darum, sich schleunigst zum König zu begeben, der an diesem Vormittag alle Adligen des Hofs zur Begrüßung zu sich beschieden hatte.

Marguerite, den Mund voller Stecknadeln, warf Angélique einen ersten Rock aus schwerem, gold-durchwirktem Stoff über, dann einen zweiten aus hauchzarter Goldspitze, deren Muster durch Edelsteine betont wurde.

»Und Ihr sagt, dieser weibische junge Mann sei der Bruder des Königs?« fragte Angélique. »Er benahm sich dem Grafen de Guiche gegenüber höchst merkwürdig. Man hätte meinen können, er sei verliebt in ihn. O Joffrey, glaubt Ihr wirklich, daß ... daß sie .?«

»Man nennt das auf italienische Art lieben«, sagte der Graf lachend. »Wir verdanken unsern Nachbarn von jenseits der Alpen die Wiedergeburt der Literatur und der Künste, aber auch die Einführung absonderlicher Sitten. Schade, daß ausgerechnet der einzige Bruder des Königs sie sich zu eigen macht.«

François Binet, geschwätzig wie alle Leute seines Berufs, ergriff das Wort. »Ich habe mir sagen lassen, daß der Kardinal Mazarin die Neigungen des kleinen Monsieur unterstützt habe, damit er im Schatten seines Bruders bleibe. Er soll Anweisungen gegeben haben, ihn in Mädchenkleider zu stecken und auch seine kleinen Freunde so zu verkleiden. Man befürchtet immer, als Bruder des Königs könne er nach dem Vorbild des seligen Monsieur d’Orléans, der reichlich unerträglich war, Komplotte schmieden.«

»Du urteilst recht hart über deine Fürsten, Barbier«, sagte Joffrey.