Выбрать главу

Ein Lichtschein fiel plötzlich ins Innere des Raums. Dann zog ein vorbeikommender Edelmann rasch einen Leuchter zurück und entfernte sich lachend, indem er rief: »Ich habe nichts gesehen.« Die Bewohner des Louvre schienen an solche Szenen gewöhnt zu sein.

Der Marquis de Vardes hatte sich durch diesen kleinen Zwischenfall nicht stören lassen. Erschöpft und halb ohnmächtig überließ sich Angélique den männlichen Armen, die sie umklammerten. Doch ganz allmählich versetzte sie die Neuartigkeit dieses Liebesspiels in eine Erregung, die sie nicht zu bekämpfen versuchte. Als sie sich dessen bewußt wurde, war es zu spät. Der Funke der Wollust entzündete ein vertrautes Verlangen in ihr, das sich bald zu einem verzehrenden Feuer steigerte.

Der junge Mann durchschaute sie. Er lachte spöttisch und bot all seine Liebeskünste auf.

Noch einmal lehnte sie sich innerlich auf, wandte den Kopf ab und seufzte ganz leise: »Nein, nein!« Aber der Widerstand beschleunigte nur ihre Niederlage. Bald gab sie ihre Passivität auf und drängte sich hemmungslos an ihn, überwältigt vom Strom der Lust. Im Gefühl seines Triumphs erließ er ihr nichts, und sie gab sich ihm hin, willenlos, mit halbgeöffneten Lippen und jenen röchelnden Lauten in der Kehle, die den Groll und die Dankbarkeit des besiegten Weibes ausdrücken.

Kaum hatten sie sich gelöst, als sich Angélique auch schon von einem furchtbaren Schamgefühl überwältigt fühlte. Sie barg das Gesicht in den Händen. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken, um nie wieder das Licht sehen zu müssen.

Wortlos schnallte der Offizier seinen Degen um.

»Die Wachen müssen jetzt da sein«, sagte er. »Komm.«

Da sie sich nicht rührte, nahm er sie beim Arm und zog sie aus der Nische. Sie machte sich los, folgte ihm jedoch stumm. Das Schamgefühl brannte noch immer wie glühendes Eisen. Nie mehr würde sie Joffrey ins Gesicht sehen, nie mehr Florimond in die Arme nehmen können. Vardes hatte alles zerstört, alles geschändet. Sie hatte das einzige verloren, was ihr blieb: das Wissen um ihre Liebe.

Am Fuße der Treppe stand, auf seine Hellebarde gestützt, ein Schweizer in weißer Halskrause und einem Wams mit gelben und roten Ärmeln; er hatte eine Laterne neben sich gestellt und pfiff vor sich hin. Als er seinen Hauptmann erkannte, nahm er Haltung an.

»Keine Spitzbuben in der Gegend?« fragte der Marquis.

»Ich habe niemanden gesehen, Monsieur. Aber bevor ich kam, muß hier allerhand los gewesen sein.«

Er hob seine Laterne auf und deutete auf eine große Blutlache.

»Die Pforte nach dem Uferdamm stand offen. Ich habe die Blutspur bis dorthin verfolgt. Vermutlich haben sie den Burschen ins Wasser geschmissen.«

»Es ist gut, Schweizer. Sei wachsam.«

Die Nacht war mondlos. Vom Uferhang stieg ein mulmiger Geruch auf. Man hörte die Mücken summen und das schläfrige Murmeln des Flusses. Angélique blieb am Uferrand stehen und rief ganz leise: »Margot!«

Sie verspürte den Drang, sich in dieses murmelnde Dunkel zu stürzen, ihrerseits in den Schoß der feuchten Nacht zu tauchen.

»Wo bleibst du?« fragte die Stimme des Marquis de Vardes sachlich.

»Ich verbiete Euch, mich zu duzen«, fuhr sie ihn an, während sie von neuem der Zorn überkam.

»Ich duze alle Frauen, die ich mir genommen habe.«

»Ich schere mich nicht um Eure Angewohnheiten. Laßt mich.«

»Hoppla! Vorhin warst du weniger stolz. Ich hatte nicht das Gefühl, dir übermäßig zu mißfallen.«

»Vorhin war vorhin. Jetzt hasse ich Euch.«

Sie wiederholte mehrmals mit zusammengebissenen Zähnen: »Ich hasse Euch!« und spuckte ihn an. Dann setzte sie sich mit unsicheren Schritten in Bewegung.

Es war stockfinster. Nur hie und da beleuchtete eine Laterne das Schild eines Kaufladens, den Torbogen eines Bürgerhauses.

Angélique wußte, daß der Pont-Neuf sich zu ihrer Rechten befand. Sie konnte unschwer die weiße Brüstung erkennen, aber als sie sich in ihre Richtung wenden wollte, schob sich ihr plötzlich eine menschliche Gestalt in den Weg. An ihrem übelkeiterregenden Geruch merkte sie, daß es einer jener Bettler war, die sie am Tage so erschreckt hatten. Sie wich zurück und stieß einen durchdringenden Schrei aus. Hinter ihr erklangen eilige Schritte, und die Stimme des Marquis de Vardes ließ sich vernehmen:

»Zurück, Strolch, oder ich spieße dich auf!«

Der andere blieb mitten im Wege stehen.

»Habt Erbarmen, edler Herr! Ich bin ein armer Blinder.«

»Aber nicht so blind, daß dir meine Börse entgangen wäre!«

Vardes setzte die Spitze seines Degens gegen den Bauch des mißgestalten Wesens, das zusammenzuckte und stöhnend davonlief.

»Vielleicht verratet Ihr mir jetzt, wo Ihr wohnt!« sagte der Offizier hart.

Widerstrebend nannte Angélique die Adresse ihres Schwagers, des Staatsanwalts. Dieses nächtliche Paris beängstigte sie. Man glaubte, das Raunen unsichtbarer Wesen zu vernehmen, ein unterirdisches Leben, dem der Kellerasseln vergleichbar. Stimmen kamen aus den Mauern, Geflüster, höhnisches Gelächter. Hin und wieder drang ein Lichtschein durch die offene Tür einer Schenke oder eines Bordells, und man sah im Pfeifenqualm Musketiere an Tischen sitzen, nackte Mädchen auf dem Schoß. Im nächsten Augenblick schlug das Dunkel der nächtlichen Gassen wieder über ihnen zusammen.

De Vardes sah sich des öfteren um. Von einer zur Seite eines Brunnens versammelten Gruppe hatte sich ein Individuum gelöst und folgte ihnen leisen und geschmeidigen Schrittes.

»Ist es noch weit?«

»Wir sind schon da«, sagte Angélique, die die Wasserspeier und mittelalterlichen Giebel der Häuser der Rue de l’Enfer wiedererkannte.

»Gottlob, denn ich glaube, daß ich genötigt sein werde, ein paar Wänste zu durchbohren. Laßt Euch sagen, meine Kleine, geht nie wieder in den Louvre. Verbergt Euch, bringt Euch in Vergessenheit.«

»Wenn ich mich verberge, werde ich meinen Gatten nie freibekommen.«

Er lachte spöttisch:

»Wie es Euch beliebt, o getreue und tugendhafte Gattin!«

Angélique spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht drang. Sie hätte ihn beißen, ihn erwürgen mögen.

Doch in diesem Augenblick tauchte eine zweite Gestalt mit einem Satz aus dem Dunkel der Gasse auf. Der Marquis drängte die junge Frau an die Mauer und stellte sich mit gezogenem Degen vor sie.

Mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen starrte Angélique die in Lumpen gehüllten Männer an, die im Lichtkreis der vor dem Hause Maître Fallots aufgehängten großen Laterne auftauchten. Der eine von ihnen trug einen Stock in der Hand, der andere ein Küchenmesser.

»Wir wollen Eure Börsen«, sagte der erstere mit heiserer Stimme.

»Ihr werdet zweifellos etwas bekommen, Messires, nämlich ein paar saftige Degenhiebe.«

Angélique bewegte den bronzenen Türhammer mit verdoppelter Kraft. Endlich öffnete sich die Tür um Spaltbreite. Sie schlüpfte ins Haus, während hinter ihr der Marquis de Vardes zurückblieb und sich mit seinem Degen die beiden gierigen Räuber vom Leibe hielt.

Hortense war es, die ihr die Tür geöffnet hatte. In einem Nachthemd aus grober Leinwand, eine Kerze in der Hand, stieg sie, in scharfem Tone flüsternd, hinter ihrer Schwester die Treppe hinauf.

Sie habe es ja immer gesagt. Eine Herumtreiberin, das sei Angélique schon seit ihrer frühen Kindheit gewesen. Eine Intrigantin. Eine ehrgeizige Person, die nur auf das Vermögen ihres Mannes aus gewesen sei und obendrein noch vorgebe, ihn zu lieben, während sie sich nicht entblöde, sich mit Wüstlingen in den verrufensten Gegenden von Paris herumzutreiben.

Angélique hatte kein Ohr für sie. Sie horchte angespannt auf die Straße hinaus und vernahm ganz deutlich Waffengeklirr, dann einen dumpfen Schrei und eilig sich entfernende Schritte.

»Hör doch«, murmelte sie und packte Hortense ängstlich beim Arm.