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Er führte uns in einen kleinen Raum in einer Ecke des Studios, wo uns zwei Mädchen in rosa Mänteln mit mechanischem Lächeln erwarteten.

»Es dauert nicht lang«, sagten sie und strichen farbige Creme auf unsere Gesichter. »Nur ein bißchen nachdunkeln unter den Augen ... so. Und jetzt Puder ...« Sie betupften uns mit Watte und stäubten ab, was zuviel haften blieb. »Das wär’s.«

Ich schaute in den Spiegel. Das Make-up verwischte die Umrisse des Gesichts und ließ die Haut weicher erscheinen. Ich war nicht sehr begeistert davon.

»Ohne sehen Sie auf dem Bildschirm wie krank aus«, versicherten uns die Mädchen. »Sie brauchen Make-up, um natürlich und gesund zu wirken.«

Ballerton runzelte die Stirn und beschwerte sich, als eine der jungen Damen seine Glatze bepuderte.

»Sie glänzt sonst stark, verstehen Sie?« meinte sie höflich.

Er sah, daß ich ihn angrinste, und wurde wütend; unter dem Make-up begann sich seine Haut zu röten. Spaß auf seine Kosten gab es bei ihm nicht, ich hätte es eigentlich wissen müssen. Ich seufzte. Das war jetzt das zweitemal, daß ich ihn in einer, wie er es empfinden mußte, unangenehmen Situation beobachtet hatte, und obwohl mir keineswegs daran gelegen war, ihn zu ärgern, schien mir das doch gründlich gelungen zu sein.

Wir kehrten ins Studio zurück, und Kemp-Lore bat uns, doch wieder unsere Plätze einzunehmen.

»Ich erkläre Ihnen kurz den Ablauf der Sendung, damit Sie wissen, was Sie erwartet. Nach der Eröffnungsmusik, gleich zu Anfang, werde ich mich zuerst mit Ihnen unterhalten, John, und zwar ungefähr so, wie wir es besprochen haben. Anschließend wird uns Rob erzählen, was sich bei ihm so tut, wir haben einen Film über das Rennen, in dem Sie dabei waren, Rob, den wir als Illustration verwenden, und ich möchte ihn ziemlich zu Anfang bringen. Er wird da drüben auf dem Bildschirm laufen.« Er zeigte auf einen Monitor. »In den Schlußminuten wird John Gelegenheit haben, Ihre Bemerkungen zu kommentieren, und Sie können abschließend noch ein paar Worte sagen. Wir werden ja sehen, wie es läuft. Die Hauptsache ist, daß man möglichst natürlich spricht. Ich habe Ihnen ja schon erklärt, daß zu vieles Proben die Spontaneität einer Sendung beeinträchtigt. Der Erfolg der nächsten Viertelstunde hängt letzten Endes nur von Ihnen ab. Ich bin überzeugt davon, daß Sie sich beide großartig halten werden.« Er beendete seinen Aufputschungsvortrag mit einem fröhlichen Lächeln, und ich war in der Tat recht zuversichtlich gestimmt.

Einer der Sportsakko-Assistenten stieg auf die Plattform, in einer Hand eine Kaffeekanne, in der anderen eine Kognakflasche. Er goß dampfenden schwarzen Kaffee in die drei Tassen und stellte die Kanne auf das Tablett. Dann zog er den Korken aus der Flasche und befeuchtete den Boden der großen Schwenker.

»Wir sparen keine Kosten und Mühen«, rief er fröhlich. Er nahm drei Zigarren aus der Brusttasche des Sportsakkos und bot sie uns an. Ballerton nahm sich eine, roch daran, rollte sie zwischen den Fingern und zwang seinem mürrischen Mund die Andeutung eines Lächelns ab.

»Zwei Minuten«, rief eine Stimme. Die Scheinwerfer flammten auf, alles dahinter verschwand wie hinter einem schwarzen Vorhang. Einen Augenblick lang zeigte der Monitor die Tassen in Großaufnahme, dann wurde es dunkel, und das nächste Bild zeigte einen Zeichentrickfilm, mit dem Benzin angepriesen wurde. Wir sahen auf dem Gerät, was im Augenblick gesendet wurde.

»Dreißig Sekunden. Bitte Ruhe, bitte Ruhe«, sagte Gordon.

Es wurde totenstill. Ich warf einen Blick auf den Monitor. Er zeigte gerade einen stummen Werbespot für Seifenflok-ken. Hinter dem Scheinwerfer nur undeutlich zu erkennen, stand Gordon mit erhobener Hand. Der Kaffee dampfte. Alles wartete. Kemp-Lore setzte das wohlbekannte Lächeln auf und starrte geradeaus in das runde schwarze Objektiv der Kamera. Das Lächeln verharrte zehn Sekunden lang, ohne daß sich ein Muskel bewegte.

Die galoppierenden Pferde auf dem Monitor wurden aufgeblendet, Gordons Hand zuckte nach unten, an der Kamera vor Kemp-Lore glühte ein rotes Lämpchen auf, und er begann zu sprechen, freundlich und intim, direkt in Millionen Wohnzimmer.

»Guten Abend ... Heute möchte ich Ihnen zwei Männer vorstellen, die beide eng mit dem Hindernisrennsport verbunden sind, aber ihn sozusagen von verschiedenen Polen aus betrachten. Zuerst darf ich Mr. John Ballerton vorstellen ...« Er baute ihn gut auf, übertrieb aber seine Bedeutung. Das National Hunt Committee hatte noch 49 andere Mitglieder einschließlich Kemp-Lores eigenem Vater, die alle mindestens so aktiv und klug waren wie der dicke Mann, dem die Lobpreisungen wie Öl eingingen. Von Kemp-Lore, geschickt geführt, sprach er über seine Pflichten als Aufsichtsperson bei Rennen. Es käme darauf an, sagte er, beide Seiten zu hören, wenn gegen einen Sieger Protest erhoben würde, und das Rennen dem richtigen zuzusprechen und ja, natürlich, auch Jockeis und Trainer wegen kleinerer Verstöße gegen die Regeln zur Rechenschaft zu ziehen und ihnen Geldbußen abzufordern.

Ich beobachtete ihn auf dem Monitor. Ich mußte zugeben, daß er als solider, nüchterner, verantwortlicher Bürger erschien, der das Recht auf seiner Seite hatte. Die dicke Hornbrille verlieh ihm auf dem Bildschirm eine gewisse Autorität, außerdem war seine sonst recht säuerliche

Miene einer liebenswürdigen Jovialität gewichen. Niemand, der beobachten konnte, was Kemp-Lore aus ihm herausholte, hätte ihn für den pompösen Angeber gehalten, den wir von der Rennbahn her kannten. Ich begriff endlich, wie er in das National Hunt Committee gewählt worden war.

Bevor ich es erwartete, wandte sich Kemp-Lore mir zu. Ich schluckte krampfhaft. Er lächelte in die Kamera.

»Und jetzt«, sagte er in der Art eines Menschen, der etwas Besonderes anzubieten hat, »stelle ich Ihnen Rob Finn vor. Er ist ein junger Jockei, dessen Karriere eben begonnen hat. Nur wenige von Ihnen werden ihn kennen. Er hat keine großen Rennen gewonnen, keine berühmten Pferde geritten, und deswegen habe ich ihn heute eingeladen, damit er uns einmal zeigen kann, was es bedeutet, in einer derart vom Konkurrenzkampf überschatteten Sportart vorankommen zu wollen .«

Das rote Licht an der auf mich gerichteten Kamera glühte. Ich lächelte es idiotisch an. Meine Zunge klebte am Gaumen.

»Zuerst ein kleiner Film, der Finn in Aktion zeigt«, fuhr er fort. »Er ist der Reiter mit der weißen Mütze, in diesem Fall viertletzter.«

Wir sahen auf dem Monitor zu. Ich war nur allzuleicht herauszufinden. Es handelte sich um eines meiner ersten Rennen, und meine Unerfahrenheit war klar zu sehen. In den wenigen Sekunden, die der Film dauerte, rutschte die weiße Mütze zwei Plätze nach hinten, und als Illustration für einen erfolglosen Jockei konnte man sich nichts Besseres vorstellen.

Der Film wurde abgeblendet, und Kemp-Lore sagte lächelnd: »Wie haben Sie angefangen, Jockei zu werden, als Sie sich einmal dafür entschieden hatten?«

»Ich kannte drei Farmer, die ihre eigenen Pferde trainierten, und bat sie, mich an einem Rennen teilnehmen zu lassen«, antwortete ich.

»Und sie waren einverstanden?«

»Ja, am Ende schon«, sagte ich. Ich hätte hinzufügen können: Nachdem ich ihnen versprochen hatte, die Renngebühr zurückzugeben und nicht einmal Spesen zu verlangen. Andererseits war aber die Methode, mit der ich die Farmer überredet hatte, mich reiten zu lassen, nicht mit den Regeln zu vereinbaren.

»Gewöhnlich fangen Sprungpferdjockeis entweder als Amateurhindernisreiter oder als Lehrlinge an«, erklärte Kemp-Lore und wandte sich der Kamera zu, deren rotes Auge sofort aufglühte, »aber soviel ich weiß, war beides bei Ihnen nicht der Fall.«

»Nein«, erwiderte ich. »Ich war schon zu alt, um noch Lehrling werden zu können, und als Amateur konnte ich nicht anfangen, weil ich mit Reiten schon Geld verdient hatte.«

»Als Stallbursche?« Er kleidete die Worte in Frageform, aber an seiner Betonung ließ sich erkennen, daß er eine bejahende Antwort erwartete. Schließlich war das die Herkunft der meisten Jockeis, die so wenige Rennen hinter sich hatten wie ich.