Выбрать главу

»Kann man nichts machen«, sagte ich. »Man muß fair sein. Und bis dahin kann alles Mögliche passieren.«

Ich vermutete, daß Axminster Schwierigkeiten hatte, seinen Auftraggebern begreiflich zu machen, daß ich in der Lage war, an Pips Stelle zu treten, weil ich nicht alle Pferde aus dem Stall ritt, jedenfalls zunächst nicht. Aber als die Wochen vergingen und ich keine ernsthaften Schnitzer zu machen schien, wurden andere Jockeis immer seltener eingesetzt. Ich gewöhnte mich daran, meinen Namen ständig auf den Anzeigetafeln zu lesen, drei oder vier Rennen pro Tag zu reiten, zufrieden und erschöpft in mein Zimmer zurückzukehren und am nächsten Morgen energiegeladen und begeistert zu erwachen. In mancher Hinsicht gewöhnte ich mich sogar ans Gewinnen. Es war keine Seltenheit mehr für mich, auf den Siegerplatz geführt zu werden, begeisterten Besitzern zuzuhören oder mein Bild in den Sportzeitungen zu sehen.

Ich begann, eine Menge Geld zu verdienen, gab aber nur wenig aus. Im Hintergrund stand stets die Erkenntnis, daß meine Wohlhabenheit zeitgebunden war.

Pips Bein heilte gut. Tick-Tock und ich beschlossen jedoch, uns gemeinsam einen Wagen zu kaufen. Es war ein cremefarbener Mini-Cooper aus zweiter Hand, der relativ wenig Benzin brauchte und in der Ebene eine Spitze von hundertzwölf km/h erreichte. Ein Bekannter Tick-Tocks, der eine Werkstätte hatte, empfahl ihn uns.

»Jetzt brauchen wir nur noch getigerte Sitzbezüge und zwei Blondinen im Fond«, meinte Tick-Tock, als wir das kleine Fahrzeug vor meiner Wohnung wuschen, »dann können wir jederzeit als Titelbild in der >Eleganten Welt< erscheinen.« Er klappte die Motorhaube hoch und sah sich mindestens zum zehntenmal den Motor an. »Wirklich einmalig, diese Konstruktion«, sagte er begeistert. Gute Konstruktion hin, gute Konstruktion her, der kleine Wagen machte uns alles viel leichter. Schon nach vierzehn Tagen konnte ich mir nicht mehr vorstellen, wie wir ohne ihn ausgekommen waren. Tick-Tock behielt ihn bei sich, elf Kilometer entfernt, in der Nähe des Stalls, den er ritt, und holte mich ab, falls Axminster mich nicht selbst in seinem Wagen zum Rennplatz fuhr. Die Renn-Sonderzüge fuhren nun ohne uns, während wir an den dunklen Dezembernachmittagen in unserer gemütlichen Schachtel auf Rädern nach Hause brausten.

Während die Götter das Glück auf mein Haupt häuften, ging es anderen nicht so gut. Grant hatte für den Faustschlag weder eine Erklärung noch eine Entschuldigung angeboten. Seit jenem Tag sprach er kein Wort mit mir, aber da er gleichzeitig darauf verzichtet hatte, sich meine Sachen auszuleihen, hatte ich nichts dagegen. Er zog sich mehr und mehr in sich selbst zurück. Der innerliche Vulkan von Gewalttätigkeit zeigte sich nur in der Starrheit seines Körpers und den aufeinandergepreßten Lippen. Er haßte es, berührt zu werden, und fuhr drohend herum, falls ihn jemand im Umkleideraum versehentlich anstieß. Da mein Platz meistens neben dem seinen war, hatte es mehrmals einen Zusammenprall gegeben, weil sich das bei den engen Räumlichkeiten einfach nicht vermeiden ließ, und der grimmige Blick, den er mir bei diesen Gelegenheiten zuwarf, trieb mir eine Gänsehaut über den Rücken.

Ich war aber nicht der einzige, mit dem er nicht mehr redete. Er sagte überhaupt nicht mehr viel. Die Trainer und Pferdebesitzer, die ihn noch einsetzten, brachten ihn weder dazu, vorher über ein Rennen zu sprechen noch nachher zu erklären, was passiert war. Er hörte sich die Anweisungen stumm an und überließ es dem Trainer, sich mit Hilfe des Fernglases selbst darüber zu informieren, wie das Pferd gelaufen war. Wenn er etwas sagte, dann mit einem solchen Schwall von unflätigen Schimpfworten, daß sogar die abgehärteten Männer im Umkleideraum verlegene Blicke wechselten.

Seltsamerweise hatte sich Grants Reittalent jedoch nicht zusammen mit seinem Charakter verschlechtert. Er ritt rauh und brutal wie immer, aber er begann seinen Zorn an den Pferden auszulassen, und im November wurde er zweimal wegen übermäßigen Gebrauchs der Peitsche verwarnt. Die betreffenden Pferde waren mit großen roten Striemen an den Flanken aus dem Rennen zurückgekommen.

Was mich betraf, so brach der Oldfield-Vulkan eines kalten Nachmittags im Parkplatz für Jockeis und Trainer am Rennplatz Warwick aus. Ich kam spät von der Bahn, weil ich das letzte Rennen gewonnen hatte, und von dem begeisterten Besitzer, einem meiner Farmer, in die Bar eingeladen worden war. Tick-Tock war auf einer anderen Rennbahn, und ich hatte den Wagen. Bis ich auf den Parkplatz kam, war er, abgesehen von dem Mini-Cooper und einem Wagen, der ziemlich in der Nähe stand, und zwei oder drei Autos weiter unten, völlig leer.

Ich ging, immer noch zufrieden lächelnd, auf den Mini zu und sah Grant erst, als ich fast vor ihm stand. Ich kam von hinten an die Fahrzeuge heran, und Grants Wagen stand rechts neben dem Mini-Cooper. Das linke Hinterrad lag im Gras inmitten einer Reihe von Werkzeugen. Ein Wagenheber stemmte die Hinterachse seiner schwarzen Limousine hoch, und er kniete davor, das Reserverad in der Hand.

Er sah mich kommen, er sah mich lächeln, und er glaubte, ich lache ihn aus, weil er eine Panne hatte. Ich konnte sehen, wie unbezähmbare Wut in ihm hochstieg. Er stand auf und starrte mich an, die Schultern eingezogen, die Arme herabhängend. Dann beugte er sich vor und hob aus dem Werkzeugwust einen Reifenheber auf. Er ließ ihn durch die Luft pfeifen, ohne den Blick von meinem Gesicht zu nehmen.

»Ich helf Ihnen beim Reifenwechsel, wenn Sie wollen«, sagte ich mild.

Statt einer Antwort trat er einen Schritt zur Seite, schwang den Arm hoch und zertrümmerte mit dem Reifenheber das Heckfenster des Mini-Cooper. Das Glas fiel klirrend in den Wagen, und nur ein gezackter Rand im Rahmen blieb übrig.

Tick-Tock und ich hatten den Wagen erst knappe drei Wochen. Mir schoß das Blut ins Gesicht, und ich trat einen Schritt auf Grant zu, um meinen kostbaren Besitz vor weiterem Schaden zu behüten. Er drehte sich um und hob den Reifenheber wieder.

»Legen Sie das weg«, sagte ich und blieb stehen. Wir waren noch eineinviertel Meter voneinander entfernt. Er rief mir etwas Ordinäres zu.

»Machen Sie keinen Blödsinn, Grant«, sagte ich. »Legen Sie das Ding weg und kümmern Sie sich um Ihren Reifen.«

»Sie -«, sagte er. »Sie haben mir die Stellung geklaut.«

»Nein«, entgegnete ich. Es war zwecklos, noch etwas hinzuzufügen, nicht zuletzt, weil ich mich ganz auf seine Bewegungen konzentrieren wollte, für den Fall, daß er mich niederzuschlagen versuchte.

Seine Augen über den hervortretenden Backenknochen waren rotgerändert. Die Nasenflügel blähten sich. Mit seinem verzerrten Gesicht, der beinahe tierischen Wut und dem hocherhobenen Reifenheber sah er ziemlich gefährlich aus.

Er ließ das Eisen auf meinen Kopf niedersausen. Ich glaube, daß er in diesem Augenblick wirklich übergeschnappt sein mußte, denn wenn er getroffen hätte, wäre ich ohne jeden Zweifel tot gewesen, und er konnte nicht hoffen, unentdeckt davonzukommen. Aber für vernünftige Gedanken war bei ihm kein Raum mehr.

Ich sah seinen Arm den Bruchteil einer Sekunde vor dem Niederfallen hochzucken und hatte Zeit, zur Seite zu springen. Der Eisenstab pfiff an meinem rechten Ohr vorbei. Der Arm fuhr wieder hoch, zielte erneut nach mir. Ich tauchte darunter hinweg, und diesmal lag sein Körper ungedeckt vor mir. Ich machte einen Schritt auf ihn zu und schlug ihm die Faust hart in die Magengrube. Er ächzte, als ihm die Luft wegblieb, der Arm mit dem Reifenheber fiel herunter, und sein Kopf kippte nach vorn. Ich tat einen halben Schritt nach rechts und knallte ihm die Handkante an den Hals. Er fiel auf Hände und Knie, dann streckte er sich schlaff im Gras aus. Ich nahm ihm den Reifenheber ab und stellte ihn zu dem anderen Werkzeug in eine Ledertasche, dann legte ich das Ding in den Kofferraum seines Wagens.