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Ich lag eine Weile auf einem Bett im Sanitätsraum, aber was ich brauchte, war nur Schlaf, und nach dem Rennen fuhr ich mit James wie vorgesehen nach Berkshire zurück.

»Alles in Ordnung?« erkundigte er sich unterwegs.

»Ja«, sagte ich fröhlich. »Prima.« In Wirklichkeit wurde mir ab und zu schwindlig, ich fröstelte auch ein bißchen, aber es war üblich, den Trainern zu verbergen, wie man sich wirklich fühlte, und ich wußte, daß ich am nächsten Montag wieder würde reiten können.

Der einzige, der sich über meine Glückssträhne geärgert hatte, war John Ballerton, und ich hatte ihn ein paarmal im Paradezirkel gesehen, wie er mich mit zusammengepreßten Lippen feindselig anstarrte.

Seit dem Tag unseres gemeinsamen Auftretens im Fernsehen hatten wir höchstens ein paar Worte miteinander gewechselt, aber von Corin erfuhr ich, daß Ballerton in der Bar in Kempton zu ihm und Maurice Kemp-Lore laut gesagt habe: »Finn ist es gar nicht wert, daß man soviel Geschrei um ihn macht. Er wird ebenso schnell wieder unten sein, wie er hinaufgekommen ist, warten Sie’s nur ab. Und mir tut’s ganz bestimmt nicht leid.«

Angesichts dieser Tatsache war es erstaunlich, daß man mir am Tag nach dem Sturz einen Ritt auf einem seiner Pferde anbot. Zuerst glaubte ich Corin gar nicht. Sein Anruf weckte mich am Sonntag vormittag, und ich glaubte zunächst zu träumen.

»Wenn er zwischen mir und einem Sack Kartoffeln die Wahl hat, dann nimmt er die Kartoffeln«, sagte ich schläfrig.

»Nein, im Ernst, Rob, er möchte, daß Sie morgen in Dunstable Shantytown reiten.« Corins Stimme ließ jede Spur von Humor vermissen. »Ich muß sagen, daß ich nicht ganz begreife, warum, weil er immer gegen Sie eingestellt gewesen ist. Aber vor nicht ganz fünf Minuten hat er sich am Telefon ganz entschieden geäußert. Vielleicht ist das ein Ölzweig.«

»Vielleicht auch nicht«, dachte ich. Mein erster Impuls war, mich zu weigern, aber mir fiel keine passende Ausrede ein, weil Corin in Erfahrung gebracht hatte, daß ich für das Rennen frei war, bevor er mir sagte, um welches Pferd es sich handelte. Eine grundlose Ablehnung war zwar möglich, aber unsinnig. Ballerton hätte dann nicht zu Unrecht etwas gegen mich gehabt, und wenn er im Ernst die Feindseligkeit beenden wollte, was ich bezweifelte, würde ich sie durch eine Ablehnung seines Angebots nur anfachen.

Shantytown war kein Template. Weit, weit gefehlt. Sein ungewisses Temperament und die unzuverlässigen Sprungleistungen wurden mir auf bedrückende Weise von Tick-Tock geschildert, als wir am folgenden Morgen nach Dunstable unterwegs waren.

»Ein Mistvieh«, sagte er und drückte den Gashebel nach unten.

»Da hast du dir etwas eingehandelt.«

»Er ist nicht schlecht in Form«, protestierte ich gelassen.

»Hm. Jedesmal, wenn er gewonnen oder sich plaziert hat, dann nur, weil er durch einen Raketenstart seinem Jockei die Arme aus dem Gelenk riß und wie der Teufel weiterrannte. Man kann sich nur festhalten und das Beste hoffen, was anderes gibt es nicht, wenn er in einer solchen Stimmung ist. Er hat ein gußeisernes Gebiß. Ich wüßte im Augenblick tatsächlich kein Pferd«, schloß Tick-Tock mit satirischer Gespreiztheit, »das auf die Vorstellungen seines Jockeis weniger eingeht.«

Seine Stimme klang nicht bitter, aber wir wußten beide, daß noch vor ein paar Wochen der Ritt auf Shantytown ihm gehört hätte, nicht mir. Seit der Rüge durch die Rennleitung ignorierte ihn Corin Kellar. Das war typisch für Corin, einen Mann abzuhalftern, der in Schwierigkeiten gekommen war, weil er Kellars Interessen gewahrt hatte, und das unfaire Gerücht, Tick-Tock sei ein gewohnheitsmäßiger Faulpelz, erhielt dadurch nur neue Nahrung.

Abgesehen davon, daß er weit weniger Ritte als vorher bekam, zeigte sich Tick-Tock wenig beeindruckt. Er zuckte die Achseln und erklärte mit entschlossener Miene: »Sie werden es sich schon wieder einmal anders überlegen. Ich mache jedes Pferd zu Mus, das sie mir geben. Ab sofort wird mich keiner mehr auf dem achten Platz sehen, wenn ich sechster werden kann, obwohl das Pferd dabei draufgeht.«

Ich hatte lächeln müssen, als ich diese grimmigen Worte von einem Mann hörte, der für seine Gelassenheit bekannt war, fühlte aber Erleichterung darüber, daß er seelisch keinen Knacks davongetragen zu haben schien. Bei ihm gab es keinen Selbstmord oder einen Nervenzusammenbruch.

Shantytown war, als es ans Rennen ging, nicht, was man mir erzählt hatte. Der feuchte, kalte Januarnachmittag hatte nur eine kleine Zuschauermenge angelockt, und als ich den großen, dunklen Fuchs im Paradezirkel umhertrotten sah, dachte ich, wie gut er zu dieser Umgebung paßte.

Weit davon entfernt jedoch, mir die Arme aus dem Gelenk zu reißen, schien Shantytown in Gefahr zu sein, einzuschlafen. Der Start erwischte ihn beim Dösen, und ich mußte ihn über das erste Hindernis antreiben. Er sprang recht gut an, kam aber schlecht auf, und so war es an jedem Hindernis. Ich fand das merkwürdig, wenn ich an Tick-Tocks Worte dachte, aber auch Pferde haben manchmal ihren schlechten Tag, und ich konnte nur annehmen, daß es auch bei Shantytown so war.

Wir liefen die ganzen drei Meilen als letzte hinter dem Feld her, kamen auch als unrühmliche letzte durchs Ziel. Alle meine Bemühungen, ihn auf der Geraden zur schnelleren Gangart zu bewegen, erwiesen sich als fruchtlos. Shantytown hatte von Anfang an keine Energie gezeigt und am Schluß schien er total erschöpft zu sein. Man be-gegnete uns nach der Rückkehr äußerst feindselig. John Ballerton, den ich vor dem Rennen begrüßt hatte, starrte mich zornrot an. Corin, dessen Gesicht einen besorgten, flehenden Ausdruck trug, gedachte mich offenbar als Sündenbock für das Versagen des Pferdes hinzustellen, um sein Gesicht als Trainer zu wahren. Dieses Risiko ging man stets ein, wenn man Corins Pferde ritt.

»Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?« fauchte Ballerton, als ich abstieg und den Sattel abschnallte.

»Tut mir leid, Sir«, sagte ich. »Er ging einfach nicht schneller.«

»Reden Sie keinen solchen Quatsch«, sagte er. »Er ist bisher immer schneller gegangen. Ich habe noch nie etwas Dümmeres gesehen ... Sie wären ja für einen Ackergaul zu schlecht. Wenn Sie mich fragen, hatte das Pferd von Anfang an keine Chance. Sie haben beim Start nicht aufgepaßt und hatten keine Lust, das gutzumachen.«

»Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie ihm nicht allzusehr die Zügel geben dürfen und die ersten beiden Meilen zurückbleiben müssen«, erklärte Corin mißbilligend. »Aber ich finde, daß Sie meine Anweisungen zu wörtlich genommen haben.«

»Was heißt zu wörtlich?« unterbrach ihn Ballerton wütend.

»Haben Sie Angst gehabt oder was? Wenn Sie auf einem Reißer nicht einmal ein anständiges Rennen reiten können, warum versuchen Sie es dann überhaupt? Warum sagen

Sie dann nicht gleich, daß Sie es nicht können? Dann hätten wir uns Zeit und Geld gespart.«

»Das Pferd hat nicht angezogen«, beharrte ich. »Es war einfach zu müde.«

»Kellar!« schrie Ballerton. »Ist mein Pferd ein Reißer oder nicht?«

»Allerdings«, sagte Corin, meinem Blick ausweichend.

»Und Sie haben mir gesagt, daß er fit ist?«

»Ja«, sagte Corin. »Ich dachte, daß Shantytown gewinnt.«

Sie sahen mich anklagend an. Corin mußte gewußt haben, daß das Pferd energielos gelaufen war, weil er das Rennen mit erfahrenem Blick verfolgt hatte, aber er gedachte es nicht zuzugeben. Wenn ich oft für Corin ritt, dachte ich besorgt, würde ich bald ebensoviel mit ihm streiten wie Art.

Ballertons Augen verengten sich und er sagte zu mir: »Ich habe Sie gegen besseres Wissen und nur, weil Maurice Kemp-Lore behauptete, ich hätte Sie falsch beurteilt, gebeten, Shantytown zu reiten. Ich werde ihm sagen, daß er sich irrt. Von mir reiten Sie bestimmt kein Pferd mehr, das kann ich Ihnen versprechen.« Er drehte sich auf dem Absatz um und stakte davon, gefolgt von Corin.