Выбрать главу

Rudi-Rudij: O du mein Genie.

Strabanzer: Ich bin der Handwerker. Genie bist gefälligst du.

Rudi-Rudij: Ich schreibe mit. Alles.

Strabanzer: Er hat eine Bedingung gestellt. Sein Beruf darf nicht vorkommen. Rudi-Rudij: Kunsthändler.

Strabanzer: Statt Geldhändler! Genial!

Rudi-Rudij: Wenn mein Gehirn so feinfühlig wäre wie mein Schwanz, wär ich ein Genie.

Strabanzer: O Zarensohn! Joni hab ich auf dem Rückweg informiert. Sie nimmt sich den Geldfürsten zur Brust. Der Hauptrollenzwang macht sie unwiderstehlich.

Rudi-Rudij: Du setzt sie aufs Spiel.

Strabanzer: Mich, dich, sie. Alles, was ich nicht habe.

Rudi-Rudij, steht auf: Kommst du noch vorbei?

Strabanzer: Komm vorbei … doch … du.

Rudi-Rudij: Weiß ich, ob das Mäuschen zu Besuch ist?

Strabanzer: Zarensohn!

Rudi-Rudij: Sie spannt dich mir aus, das Luder.

Strabanzer: Wie macht sie das?

Rudi-Rudij: Sie hat etwas, das nichts ist. Die leere Stelle. In der sie dich unterbringt.

Strabanzer: Wenn es im Freien nicht mehr auszuhalten ist. Ich bin aber ununterbringbar.

Rudi-Rudij: Überlaß das Formulieren mir.

Strabanzer: Ich bin ein armer Hund. Und du nützt das aus.

Rudi-Rudij: Moment.

Er geht zu seiner Jacke am Kleiderständer, holt einen Bierdeckel heraus und legt ihn Strabanzer hin.

Rudi-Rudij: Das habe ich gestern nacht einem Pennerpoeten vor der Bar Central abgekauft.

Strabanzer, liest:

Armut ist eine Blume

Mit empfindlichen

Blättern.

Kauf ich dir ab.

Rudi-Rudij: Geschenkt.

Strabanzer: Das ist das Motto für das Othello-Projekt.

Rudi-Rudij küßt ihn leicht auf die Stirn.

Rudi-Rudij: Komm halt.

Strabanzer: Wenn ich schwul wäre, käm ich zu keinem lieber als zu dir.

Rudi-Rudij: Schwul ist man nicht, das wird man.

Strabanzer: Sobald ich’s bin, komm ich.

Rudi-Rudij: Wenn das Luder dich kassiert, bring ich sie um.

Strabanzer: Das kannst du mir überlassen.

Strabanzer sitzt und schaut den Bierdeckel an.

VI.

Die Kronprinzen-Suite in Herrsching, genau nachgebaut im Studio. Joni und Arthur Dreist, der den Kunsthändler darstellen wird, schon in hellgrünen Morgenmänteln. Strabanzer läßt das Studio-Personal wissen, daß er noch eine halbe Stunde mit den Schauspielern allein sein muß. Rudi-Rudij, der Mann für die Ausstattung, der Produktionsleiter und die Frau fürs Kostüm sitzen an einem Arbeitstisch. Strabanzer und die zwei Schauspieler sind in der Szene allein.

Strabanzer: Erste Frage: Wie stellt ihr euch den Beischlaf vor?

Arthur schaut Joni an.

Joni: Gar nicht.

Strabanzer: Findet nicht statt?

Joni: Laut Bocca di Leone-Ästhetik wird nichts vor der Kamera gemacht, was nicht wirklich gemacht wird. Nichts wird imitiert.

Strabanzer: Aber wenn ihr wirklich miteinander vor der Kamera schlafen würdet, das wäre keine Imitation.

Joni: Tun wir aber nicht.

Strabanzer: Arthur?

Arthur: Ja, was soll ich da sagen? In allen Filmen, in denen ich mitgemacht habe, hat man das irgendwie hingekriegt.

Strabanzer: Wie irgendwie?

Arthur: Daß es nachher aussah wie echt.

Strabanzer: Also imitiert?

Arthur: Gespielt. Dazu sind wir ja da.

Joni: Arthur, ich gebe dir heute abend Nachhilfeunterricht in Bocca di Leone-Ästhetik.

Arthur: Ich freue mich.

Strabanzer: Wir machen nichts nach. Das ist alles. Wenn ihr wirklich miteinander schlafen würdet, könnten wir das drehen.

Joni: Nein.

Arthur: Ich bin ihr zu alt. Klar.

Strabanzer: Du möchtest schon?

Arthur: Ich bin jetzt natürlich vorsichtig.

Joni: Arthur, ich habe dich in allen deinen Filmen bewundert …

Arthur: Ich werde dich in allen deinen Filmen bewundern, das weiß ich jetzt schon.

Strabanzer, klatscht in die Hände: Nicht schlecht.

VII.

Ina und Elmar in der nachgebauten Karl-Theodor-Stube im Kronprinz Ludwig. Auch Strabanzer sitzt am Tisch. Er ist der Zuschauer, der Beobachter dessen, was sich zwischen Ina und Elmar abspielt. Sie sehen sich zum ersten Mal. Auch an den anderen Tischen sitzen Gäste. Daß sich alles so ungeniert abspielt, wie es sich abspielt, zeigt die alle Umstände überwindende Schicksalhaftigkeit dessen, was sich da abspielt. Es steigert den Ausdruck, daß ihnen die anderen Gäste gleichgültig sind.

Elmar: Ich bin begeistert.

Ina: Schon.

Elmar: Ich sitze überhaupt nicht mit der Frau am Tisch, mit der ich aus irgendeiner Zweckmäßigkeit verabredet war. Ich habe keine Pläne mehr.

Ina: Was zu diesem Abend geführt hat …

Elmar: Ist vergessen. Anstand, Nichtanstand — weg.

Ina: Wir gehören keinem System mehr an.

Elmar: Hingerissen sein genügt.

Ina: Wenn das so weitergeht, kenn ich mich bald nicht mehr. So bin ich nämlich sonst nicht.

Elmar: Und ich erst! Als hochgetrimmtes Interessenbündel komm ich auf jedem Weg zum Ziel. Das hab ich doch nicht ahnen können, daß Sie diesen Oberpriester seines Ich-Altars von jedem Zwang erlösen.

Ina: Schön, wie Sie mich auffordern, mir zu mir selbst zu gratulieren. Geglückt zu sein ist das Höchste. Weil ich mir dessen durch Sie bewußt geworden bin, kann ich Sie nicht mehr entbehren. Sie müssen leider bei mir bleiben.

Elmar: Und Sie bei mir. Weil Sie aussehen, als habe ein Taifun Sie frisiert.

Ina: Sie sehen aus, als könnten Sie mit Ihren Blicken meine Zigarette anzünden.

Elmar: Sie sehen aus, als könnten Sie voraussagen, was ich heute nacht träume.

Ina lacht.

Elmar: Sie sehen mich an, als hielten Sie mich für den Weltmeister im Stabhochsprung.

Ina: Passen Sie auf, auf einmal bin ich Miss Grönland.

Elmar: Ich, Mister Klimax, bring Sie zum Schmelzen.

Ina: Wir werden in unseren Tränen ertrinken.

Elmar: Ich bin von allen Schwänen dein Schwan.

Ina: So fangen alle Tragödien an. Zum Wohl, Elmar.

Elmar: Ina, zum Wohl.

Sie trinken.

Strabanzer ist offenbar zufrieden mit dem Verlauf. Er nimmt eine Hand von Ina, eine von Elmar, wie der Pfarrer die Hände des Brautpaars nimmt.

Strabanzer: Am liebsten gleich noch mal.

Elmar: Ich bin begeistert.

Ina: Schon.

VIII.

Ina und Elmar wandern im Gebirge. Es geht auf den Wank. Elmar spricht und geht, als wolle er demonstrieren, daß er keine Atemprobleme hat. Ina in einer grünlichen Fallschirmjägerinnen-Kluft. Aufgenähte Taschen und Laschen überall. Elmar mit nicht so modischem Rucksack.

Elmar: Als ich sagte, ich will Kunsthändler werden, hat mein Vater gesagt, dann aber in einer Stadt, in der du Aussicht hast, der Erste am Platz zu sein. Ich habe gesagt: München, nur München, nichts als München. Und er: Du spinnst. Mein Vater wäre gern Kunsthändler geworden, hat dann ein Rahmengeschäft gehabt in Wutberlingen.

Elmar hält an, macht eine Pause. Schaut vor sich hin. Er denkt an seinen Vater.

Ina: Die Väter! Väter sind das Unglücklichste, was es gibt. Ich habe noch nie einen glücklichen Vater getroffen.

Elmar: Natürlich hast du. Ja!! Den Regieassistenten alias Barockengel, der immer nur vierzig Sekunden konnte und dich verführen wollte zu einem Ehedreier, der hat dir stolz sein zehn Monate Altes in den Arm gelegt. Daß du den Dreier abgelehnt hast, sagst du mir zuliebe. Seit ich weiß, daß du glaubst, du mußt mich schonen, bist du vollkommen unglaubwürdig.