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Er geht noch schneller. Ina kann nicht mehr.

Ina: Ha-alt! Vor wem rennst du denn davon?

Elmar: Vor dir.

Er sieht sich um, ob man sich hier irgendwo hinlegen könnte.

Ina: Komm!

Und zieht ihn weiter.

Auf dem Gipfel. Vor einem pathetischen Panorama.

Ina: Wenn ich wüßte, warum du das alles wissen willst …

Elmar: Wissen mußt.

Ina: Noch schlimmer, wissen mußt. Wenn ich wüßte, warum, dann könnte ich es dir leichter sagen.

Elmar: Wenn ich wüßte, warum du es mir nicht einfach sagen kannst, könnte ich leichter darauf verzichten, es wissen zu müssen.

Ina: Und je mehr du erfährst, desto mehr willst du erfahren. Noch nie hat mich ein Mann so mit diesem Vergangenheitszeug gequält.

Elmar: Solange du mir verschweigst, was du mit dem und dem gehabt hast, das heißt: gesprochen hast, getan hast, solange hast du mit dem und dem etwas gemeinsam, wovon du mich ausschließt. Du begreifst immer noch nicht, daß ich dich ganz will oder gar nicht. Mir ist das auch neu. Die Männergeschichten der Frauen, mit denen ich zu tun hatte, waren mir gleichgültig. Wenn die Frauen davon anfingen, wie es mit dem und dem war, habe ich mich gelangweilt.

Ina: Und jetzt: Totalbesitz.

Elmar: Ja.

Ina: Zum Islam übertreten. Den Schleier nehmen.

Elmar: Das wär mein Ideal.

Ina, zeigt mit dem Finger auf sich selbst: Schauspielerin.

Ina zündet sich eine Zigarette an. Elmar streichelt sie. Sie begreift, daß er teilnimmt an ihrer Sucht.

Ina: Wenn du mir das Rauchen abgewöhnst, heirate ich dich.

Elmar: Und wenn wir verheiratet sind, fängst du wieder an.

Ina: Dann …

Sie schaut in die Weite.

Ina: Ich war noch nie auf einem Berg.

Sie macht die Zigarette aus.

Ina: Diese Berge … Deine Berge.

Elmar: Ich weiß von den Bergen weniger als sie von mir.

Sie küßt ihn noch schnell. Sie gehen abwärts. Leicht und flott, als wären sie übermütig.

IX.

Im Flugzeug einträchtig nebeneinander. Ina und Elmar. Als der Start sie in die Sitze drückt, beugt sich Ina herüber und flüstert ihm ins Ohr.

Ina: Wenn du in Berlin nicht sofort über mich herfällst, bin ich sauer.

Er macht ein Gesicht, als atme er einen köstlichen Duft, und drückt ihre Hand, bis sie einen Schmerzlaut ausstößt. Ihm fällt etwas ein.

Elmar: Moment.

Er bückt sich und holt aus seiner Tasche einen Brief. Eine Seite, in großer Schrift beschrieben.

Elmar: Da.

Er liest dann mit.

Ina, liest: Jetzt reicht es! Verschwinde! Das einzige, was Du noch tun kannst für mich: Verschwinden. Wenn Du am Samstag nicht verschwunden bist, fliegen Deine Sachen zum Fenster hinaus. Du bist ein Unmensch. Vielleicht krank. Unzurechnungsfähig. Auf jeden Fall ein Unmensch. Ich verachte mich, weil ich das nicht früher bemerkt habe. Schluß jetzt. Hau bloß ab. Sofort.

Marianne

Elmar: Mir tut sie leid.

Ina: Sie hat an deiner Unterhose gerochen. Das habe ich auch gemacht.

Elmar: Ich halte den Schmerz, den ich verursache, nicht aus.

Ina: Das versteh ich.

Elmar: Danke.

Der Kapitän meldet, daß jetzt der Sinkflug auf Berlin beginne, in 20 Minuten werde man in Tegel landen, das Wetter sei großartig, 22 Grad Celsius.

Sie genießen die Landung. Ina flüstert ihm ins Ohr.

Ina: Das ist das erste Mal, daß ich so nach Berlin komme, ohne Termin, keine Besprechung, kein Drehtag. Hoffentlich wird es mir nicht langweilig.

Elmar: Ich werde mich bemühen.

X.

In der Presidential Suite des Hotels Maritim proArte in der Friedrichstraße. Elmar ist dabei, eine seiner prächtigen Krawatten zu binden. Ina weiß noch nicht, welcher Rock heute der richtige wäre.

Ina: Wo ziehst du in München hin jetzt?

Elmar: In die Brienner Straße. Ich habe dort immer schon eine Bleibe gehabt.

Ina: Ich verstehe.

Elmar: Aber falsch.

Inas Handy läutet.

Ina: Ach du … ja … Moment …

Sie rennt mit dem Handy ins Bad. Elmar folgt sofort, versucht, den Kopf an der Tür, möglichst viel mitzukriegen.

Ina: … habe ich nicht … habe ich wirklich nicht … das kann ich, du weißt nicht, wie, weißt nicht, wie weit draußen wir wohnen. Zwei bis drei Nächte habe ich durchgearbeitet. Jahrelang … dir auch nicht mehr sagen … erst heute … Berlin ja … die Walterspiel nein … nein, natürlich nicht … Nervensäge … nein … übermorgen … ja … frühestens … aber ja … das weißt du doch … jetzt gleich … bitte, bitte … also … ja … natürlich … ich dich auch, ciao.

Elmar kommt nicht rechtzeitig weg von der Tür. Er lehnt an der Wand, da hängen zwei elegante Schirme, dazwischen lehnt er. Sie kommt heraus, schüttelt den Kopf.

Ina: Das gibt’s doch nicht. Genau wie du. Zwanzig Jahre jünger und dieselbe Tour.

Jetzt erst nimmt sie wahr, wie Elmar dasteht. Er greift sich schnell an die linke Seite. Stößt sich ab, rennt quer durch die Suite, durch Schlaf- und Wohnzimmer hinaus auf die Dachterrasse, die ist riesig. Er rennt vor bis ans Geländer, rennt, ohne in die Friedrichstraßenschlucht hinuntergeschaut zu haben, wieder zurück, nimmt auch da die Wahrzeichen von Berlin-Mitte nicht wahr, dreht wieder um und rennt und rennt. Man weiß nicht, rennt er, um Atem zu kriegen, oder rennt er einfach kopflos herum, auf jeden Fall ist das Panik. Ina rennt ihm nach, will ihn halten, sich ihm in den Weg stellen, er stößt sie zur Seite, einmal rennt er sie direkt um. Sie ist noch nicht angezogen. Er stößt Laute aus. Am ehesten ergibt, was er ausstößt, immer wieder Nei-nnn, nei-nnn … Ina stellt sich vor das Geländer, daß er sich nicht hinunterstürze. Das ist schon ein bißchen theatralisch und seinem Ernst keinesfalls entsprechend.

Ina: Ich habe dir gesagt, daß es einen gibt, einen Bewerber. Einen Musiker.

Elmar: Läßt mich die Vergangenheit abfieseln und treibt’s aktuell mit einem Musiker!

Ina: Einen Augenausdruck wie du. Hab ich gesagt. Das weiß ich. Die gleiche fröhliche Verwegenheit. Die gleiche Labilität. Diese sturzbachartige Verwandlung ins Traurige …

Elmar: Du hast mich geködert, ja geködert mit längst vergangenen Geschichten, alles vorbei, ich sollte glauben, jetzt, an diesem Tag, in dieser Nacht, gibt es nur noch dich und mich, du hast mich hereingelegt.

Ina: Ich habe gesagt, es gibt Bewerber.

Elmar: Besitzer, hättest du sagen müssen.

Ina: Elvis …

Elmar: Elvis! Warum nicht gleich Presley!

Ina: Wenn schon, dann doch Costello! Elvis ist Musiker. Jazzpianist, Gitarrist, Komponist. Für Filme. Ich habe dir erzählt, daß er eine Tochter hat, die entstellt ist von Akne.

Elmar: Mir kommen die Tränen.

Ina: Daß seine Frau Anfälle hat …

Elmar: Hör auf. Hör auf. Sonst …

Ina: Ich bin …

Elmar: Hör auf. Ich kann es nicht mehr hören. Nie mehr etwas. Schluß.

Er rennt weiter. Ina kann nur noch zuschauen. Sie geht zur Tür. Sie hält es für möglich, daß er sein Herumrennen mäßigt, wenn sie nicht mehr zuschaut. Sie geht hinein, kommt aber gleich wieder heraus. Sie hat Zigaretten geholt. Sie bietet ihm eine an. Tatsächlich nimmt er eine. Sie zündet seine und ihre Zigarette an.

Ina: Elvis hat die Musik gemacht für Alles Banane. Und selber gespielt. Gitarre.

Elmar wirft die Zigarette weg und rennt weiter.

Ina: Jetzt will ich dir einmal alles sagen, und du rennst weg.