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Auch Tom schien mit dem Schrecken davongekommen zu sein, während Graves' einzige Blessuren aus einer zerrissenen Jacke samt dem dazugehörigen Hemd zu bestehen schienen.

»Also gut«, sagte Mogens grimmig. »Dann lasst ihn uns in die Kiste schaffen. Schnell.«

Obwohl das Ungeheuer sicher gefesselt und so gut wie hilflos war, musste Mogens all seinen Mut zusammennehmen, um sich ihm noch einmal zu nähern und Graves und Tom dabei zu helfen, es zu einer der vorbereiteten Kisten zu zerren. Es kostete ihn auch nicht nur unerwartet viel Überwindung, sondern ebenso große Kraft. Selbst wenn man das enorme Gewicht des Fangnetzes bedachte, musste der Ghoul mindestens doppelt so viel wiegen, wie er gedurft hätte; die Kreatur war nicht größer als ein durchschnittlich gewachsener Mensch, zwar kräftig, aber keinesfalls so massig, wie sie es angesichts ihres Gewichtes hätte sein müssen.

Dafür war sie aber auch übermenschlich stark. Selbst zu dritt und obwohl er so hoffnungslos in das Netz verstrickt war, dass er sich kaum noch rühren konnte, gelang es ihnen nur mit äußerster Mühe, den Ghoul zu bändigen. Das Ungeheuer machte es ihnen noch zusätzlich schwer, indem es sich knurrend und geifernd vor Wut hin und her warf. Mogens handelte sich zwei oder drei weitere blaue Flecke ein, und auch Tom bekam einen Tritt in den Leib, der ihn vor Schmerz aufstöhnen ließ, aber am Ende gelang es ihnen dennoch, das Ungeheuer in die schwere Holzkiste zu bugsieren. Während Mogens und Tom den Ghoul auf Graves' Geheiß hin niederhielten, wandte Graves selbst all seine Kraft auf, um das linke Handgelenk der Bestie mit einer der schweren Eisenschellen zu binden, die mit der Innenwand des Sarges verschraubt waren. Seine Kraft reichte sogar noch aus, auch den anderen Arm des Monstrums zu fesseln, aber dann sank er zu Tode erschöpft zu Boden und schüttelte matt den Kopf. Tom überließ es Mogens allein, das tobende Ungeheuer zu bändigen, während er den zweiten Teil der undankbaren Aufgabe übernahm, die Glieder des Ghouls mittels eiserner Ringe zu fixieren. Seine Nase blutete, als er es endlich geschafft hatte und sich schwer atmend neben Graves zu Boden sinken ließ. Im ersten Moment hatte er nicht einmal die Kraft, den Arm zu heben und sich das Blut aus dem Gesicht zu wischen.

Endlich ließ sich auch Mogens von der Brust des Ungeheuers hinuntergleiten. Obwohl der Ghoul mittlerweile noch zuverlässiger gebunden war, kroch er hastig rücklings so weit zurück, bis er mit Schultern und Hinterkopf gegen den zweiten leeren Sarg stieß. Der Anprall war so heftig, dass der Deckel mit einem Knall zuschlug, der wie ein Kanonenschuss durch die dunkle Tempelkammer hallte.

»Wir haben es geschafft, Mogens«, sagte Graves. Er rang so kurzatmig nach Luft, dass Mogens Mühe hatte, ihn überhaupt zu verstehen. Dennoch war nicht zu überhören, wie zufrieden er war. »Ich kann es fast selbst nicht glauben, aber wir haben es geschafft. Weißt du überhaupt, was das bedeutet?«

»Ja«, antwortete Mogens gepresst. »Dass ich mich morgen früh wahrscheinlich nicht mehr bewegen kann.« Er verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Sein ganzer Körper fühlte sich taub an, und seine Ohren klingelten noch immer von dem Knall, mit dem der Deckel zugefallen war.

»Wir haben es geschafft!«, wiederholte Graves in einem Ton, als zweifelte er selbst am meisten an dem, was er sagte. »Und es war noch dazu leichter, als ich gedacht hatte.«

»Leichter?«, krächzte Mogens fassungslos.

Wie um seine eigenen Worte ad absurdum zu führen, versuchte sich Graves hochzustemmen und sank mit verzerrtem Gesicht und einem hörbaren Keuchen zurück. Dennoch fuhr er, kaum wieder zu Atem gekommen, fort: »Du hast immer noch keine Ahnung, womit wir es zu tun haben, wie?«

Das hatte Mogens tatsächlich nicht. Aber er war jetzt weniger sicher denn je, ob er es überhaupt wissen wollte.

Mühsam stemmte er sich hoch, ging zu der offen stehenden Kiste und beugte sich mit klopfendem Herzen vor, wobei er instinktiv einen Abstand einhielt, der ihn aus der Reichweite der Krallen und Zähne des Ghouls hielt, obwohl dieser gleich doppelt gefesselt war. Graves gesellte sich zu ihm, während Tom ging, um die Laterne zu holen. Mogens registrierte beiläufig, aber mit einem Gefühl ehrlicher Dankbarkeit, dass er im Vorbeigehen den Deckel der dritten Kiste schloss, in der Hyams' Leichnam lag.

»Wir haben es geschafft, Mogens«, sagte Graves zum dritten Mal. »Weißt du, was das bedeutet?«

Der Triumph in Graves' Stimme war mittlerweile nicht mehr zu überhören, aber Mogens versuchte vergeblich, in sich selbst etwas Ähnliches zu entdecken. Ganz im Gegenteil spürte er plötzlich, dass die Angst immer noch da war, kein bisschen weniger schlimm als zuvor, nur, dass sie jetzt eine andere Qualität angenommen hatte. Sein Herz begann schon wieder heftiger zu pochen, als er sich vorbeugte, um das Ungetüm zu betrachten.

Selbst gefesselt bot der Ghoul einen Furcht einflößenden Anblick. Mogens korrigierte seine Schätzung, das Gewicht des Ungeheuers betreffend, ein gehöriges Stücke nach oben. Die Kreatur maß allerhöchstem sechs Fuß und konnte somit kaum größer sein als Graves, aber sie war unglaublich massig. Mogens schätzte ihr Gewicht auf mindestens zweihundertfünfzig Pfund, und er war sicher, dass davon nicht eine Unze überflüssiges Fett war. Als er die Kisten, die Graves vorbereitet hatte, das erste Mal gesehen hatte, da hatte er die schweren Eichenbretter, die breiten eisernen Bänder und die massiven Hand- und Fußfesseln für hoffnungslos übertrieben gehalten. Jetzt fragte er sich, ob sie ausreichten.

»Was für ein Koloss«, murmelte er.

»Ja«, sagte Graves. »Wenn man das Endergebnis sieht, dann sollte man vielleicht in Erwägung ziehen, unsere Ernährungsgewohnheiten zu ändern.«

Mogens warf ihm einen eisigen Blick zu. »Du bist geschmacklos, Jonathan«, sagte er.

Graves grinste nur noch breiter. »Dieser Meinung ist unser Freund da bestimmt nicht.« Er hob rasch die Hand, als er sah, dass Mogens zu einer noch schärferen Entgegnung ansetzte, und fuhr in verändertem Ton und ernster fort: »Und das ist noch nicht einmal das größte Exemplar, dem ich je begegnet bin. Bei weitem nicht.«

Was Mogens anging, so reichte ihm dieses Exemplar vollkommen. Der Ghoul sah nicht nur aus, als könne er mit bloßen Händen einen Bären zerreißen, er strahlte auch eine Wildheit und Wut aus, die Mogens einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ. Das Allerschlimmste aber war das Gefühl, etwas vollkommen Fremdem gegenüberzustehen, etwas, das so absolut falsch war, dass sich alles in Mogens einfach weigerte, es als real anzuerkennen.

Graves beugte sich vor, streckte die Hand aus und zerrte ein paar Mal kräftig an den Maschen des Netzes, bis er einen Blick auf den Schritt des Ghouls werfen konnte.

»Was soll das?«, fragte Mogens.

»Ein männliches Exemplar«, sagte Graves. Es klang nicht wirklich wie die Antwort auf seine Frage, dachte Mogens, sondern eher wie etwas, das er zu sich selbst gesagt hatte, und das ihn mit Besorgnis erfüllte.

»Und was stimmt daran nicht?«, fragte er.

»Oh, nichts«, antwortete Graves hastig. »Es ist alles in Ordnung.« Er grinste schief. »Im Gegenteil, wenn das da ein Mensch wäre, dann würde ich jetzt vor lauter Neid grün im Gesicht werden.«

Mogens schenkte ihm einen eisigen Blick, und Graves schaltete sein infantiles Grinsen wieder ab. »Es ist nur so, dass alle Ghoule, die wir bisher gesehen haben, männlich waren. Natürlich sind wir noch niemals so nahe an eines dieser Geschöpfe herangekommen wie jetzt, aber ich bin dennoch sicher, dass es alles Männchen waren. Und das ist sonderbar.«

»Vielleicht gehen nur die Männchen auf Futtersuche«, vermutete Mogens.