Выбрать главу

»Professor!«, hauchte Miss Preussler ungläubig. »Was reden Sie da?«

Mogens schüttelte noch einmal den Kopf. »Nicht alles, was wir nicht verstehen und was uns erschreckt, ist deshalb gleich unbedingt das Werk Satans«, sagte er.

»Das ist wahr, Miss Preussler«, fügte Graves hinzu. »Auch, wenn Sie der Gedanke immer noch erschrecken mag, doch wessen Zeuge wir gerade geworden sind, das ist der unumstößliche Beweis dafür, dass es dort draußen zwischen den Sternen noch andere Wesen gibt. Ihr Wirken mag uns unheimlich und erschreckend vorkommen, aber bitte glauben Sie mir: Es ist nicht der Gehörnte, der hier seine Hand im Spiel hat.«

»Hören Sie auf!«, antwortete Miss Preussler. Ihre Stimme bebte.

»Ich kann Sie ja verstehen«, sagte Graves lächelnd. »Auch wenn Sie es nicht glauben, aber ich kann sehr gut nachempfinden, was Sie jetzt fühlen, meine Liebe. Auch mir erging es nicht anders, damals, als ich auf die ersten Hinweise gestoßen bin. Und es hat lange gedauert, bis ich bereit war, die Augen zu öffnen und zu sehen. Ihre Auffassungen von Religion und Glauben und die meine mögen voneinander abweichen, und doch glaube auch ich an einen allmächtigen Schöpfer, der das Universum erschaffen hat und über uns wacht.«

Miss Preussler sah ihn nun vollends verstört an. »Das glaube ich Ihnen nicht«, antwortete sie, ohne dass in ihrer Stimme wirkliche Überzeugung gewesen wäre. »Kein wirklicher Christenmensch würde solch ketzerische Thesen aufstellen.«

»Aber macht es denn Gottes Schöpfung nicht nur umso wunderbarer, wenn man daran glaubt, dass er noch mehr Welten wie die unsere erschaffen hat?«, fragte Graves beinahe sanft. »Vielleicht Tausende. Vielleicht Millionen, mit Millionen Völkern, die an ihn glauben?«

Miss Preussler wirkte nun endgültig verstört. Sie setzte - ganz automatisch, wie es Mogens erschien - zu einer weiteren, geharnischten Antwort an, schüttelte dann aber nur hilflos den Kopf. Statt noch etwas zu sagen, bedachte sie Graves mit einem zornig-verstörten und Mogens mit einem eindeutig vorwurfsvollen Blick, dann drehte sie sich mit einem Ruck herum und ging zu Tom hin, der in einigen Schritten Abstand stehen geblieben war.

Graves sah ihr kopfschüttelnd nach, mit einem Male aber gar nicht mehr zornig oder arrogant, wie es Mogens schien, sondern fast sanft, dann hob er seine Lampe und drehte sich gleichzeitig herum.

»Komm, Mogens«, sagte er. »Gehen wir ein Stück voraus. Ich glaube, Miss Preussler möchte im Moment allein sein. Keine Sorge - sie ist bei Tom in guten Händen.«

Mogens zögerte zwar, sah aber dann ein, dass Graves vermutlich Recht hatte. Er hatte Miss Preussler niemals zuvor so erschüttert gesehen; nicht einmal am Morgen, nachdem der Sheriff sie zurückgebracht hatte.

Schweigend schloss er sich Graves an, und sie gingen in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Erst nach einer geraumen Weile - und auch erst, nachdem er einen raschen Blick über die Schulter zurückgeworfen und sich überzeugt hatte, dass Tom und Miss Preussler weit genug hinter ihnen zurückgefallen waren, um seine Worte nicht hören zu können - knüpfte er wieder an das unterbrochene Gespräch an. »Das war genial, Jonathan«, sagte er. »Ich hätte niemals geglaubt, dass es jemandem möglich wäre, Miss Preussler auf diese Weise zu überrumpeln.«

Täuschte er sich, oder blitzte es in Graves' Augen kurz und amüsiert auf, als er seine Worte hörte? »Wer sagt, dass ich sie überrumpelt habe?«

»Du hast wieder einmal die Regeln geändert, nicht wahr?«, vermutete Mogens.

Graves schüttelte heftig den Kopf. »Keineswegs«, sagte er. »Was ich gesagt habe, war meine ehrliche Überzeugung.«

Nun war es Mogens, der ihn verwirrt ansah. »Du willst behaupten, dass du plötzlich an Gott glaubst?«, fragte er.

»Ich habe gesagt, dass all diese Welten dort draußen von einem Gott erschaffen worden sind«, bestätigte Graves. »Aber habe ich gesagt«, fügte er hinzu, und plötzlich klang seine Stimme ein ganz kleines bisschen besorgt, »von welchem?«

41.

Mogens war verstört, und das Gefühl wurde mit jedem Schritt schlimmer, den er Graves und dem zitternden bleichen Finger aus Licht folgte, den dieser in die Dunkelheit vorausschickte. Hätte er versucht, sich diese Situation vorher in Gedanken auszumalen, so hätte er erwartet, dass er am Anfang verstört und ungläubig reagieren würde, später dann zweifelnd und schließlich, nachdem er eine angemessene Schamfrist eingehalten und seinem akademischen Verstand hinlänglich Zeit gewährt hatte, alle notwendigen Bedenken vorzubringen und alle Argumente gegeneinander abzuwägen, freudig erregt. Aber das genaue Gegenteil war der Fall.

Der Anblick der tanzenden Sterne hatte ihn einfach überwältigt. Da war gar kein Platz mehr gewesen für Zweifel, für irgendein Wenn und Aber oder logische Argumente. Er hatte gesehen, und das, was er gesehen hatte, das hatte die Barrieren seines Intellekts einfach überrannt, blitzschnell und ohne ihm auch nur die mindeste Chance zur Gegenwehr zu lassen. In dem Moment, als er in der uralten Höhle gestanden und dem faszinierenden Tanz eines Sternbildes zugesehen hatte, das in dieser Konstellation schon seit fünftausend Jahren nicht mehr existierte, hatte er gewusst, dass Graves die Wahrheit sagte. Er hatte es wissen wollen.

Nun kamen die Zweifel.

Selbstredend gab auch der hartnäckig kritischste Teil seines Verstandes - der Wissenschaftler in ihm, den er für seinen Geschmack in letzter Zeit entschieden zu oft bemühen musste - zu, dass es mit der Höhle der Dogon etwas Besonderes auf sich hatte. Selbst der größte Zweifler konnte das, was er gerade mit eigenen Augen gesehen hatte, nicht einfach wegdiskutieren. Aber waren eine fünftausend Jahre alte Felszeichnung und eine Hand voll tanzender Lichter tatsächlich schon Beweis genug für das, was Graves behauptete? Die ganz eindeutige Antwort auf diese Frage war natürlich nein. Mogens kannte die Gefahr, in die gerade Menschen mit einem vermeintlich wissenschaftlich geschultem Verstand gerne gerieten, wenn sie etwas glauben wollten. Die Geschichten geradezu lächerlich großer Irrtümer, Täuschungen und Lügen hätten ganze Bände gefüllt, hätte sich jemand die Mühe gemacht, sie niederzuschreiben, und Graves und er hatten in ihrer Zeit als Studenten zahlreiche Nächte damit zugebracht, sich über die Irrtümer und Fehlinterpretationen zu amüsieren, denen gestandene Professoren und hoch angesehene Experten aufgesessen waren. Die schwebenden Lichter allein bedeuteten nichts, gar nichts.

»Tom!« Graves' Stimme drang so warnungslos in seine Gedanken, dass er erschrocken zusammenzuckte und sich alarmiert umsah. Sie hatten den Hieroglyphengang erreicht und schon beinahe zur Gänze durchschritten, ohne dass er es wirklich zur Kenntnis genommen hätte. Jetzt war Graves stehen geblieben und hatte den Arm ausgestreckt. Das Licht der Grubenlampe, die er in der anderen Hand hielt, verlor sich in der Schwärze des Ganges vor ihnen, aber Mogens war nervös genug, um eine Bewegung darin zu gewahren, die es nicht gab.

»Bring mir das Gewehr!«, verlangte Graves. Tom beeilte sich, an Mogens vorbeizukommen und die Waffe hinüber zu reichen, und Graves fügte in Mogens' Richtung und in wenig überzeugendem Ton hinzu: »Eine reine Vorsichtsmaßnahme.«

Er nahm das Gewehr entgegen, klemmte es sich mit einer Bewegung, die eine beunruhigende Routine in solcherlei Dingen verriet, unter den Arm und fuhr fort: »Vielleicht wäre es trotzdem besser, wenn du ein Stück zurückbleiben würdest. Um ein wenig auf Miss Preussler aufzupassen.«

Seine Worte klangen nicht wirklich überzeugend, fand Mogens. Wenn es sich wirklich um eine reine Vorsichtsmaßnahme handelte, warum wirkte Graves dann plötzlich so nervös?