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Und das, dachte Mogens, obwohl sie doch mit den Geologen aus dem benachbarten Zeltlager nichts zu tun hatten. Außerdem fiel ihm erneut auf, wie glatt Tom dieses komplizierte Wort von den Lippen ging, über das so mancher seiner Studenten in Thompson gestolpert wäre. Er schwieg auch dazu, nahm sich aber fest vor, sich in den nächsten Tagen etwas eingehender über Tom zu erkundigen.

Der Weg wurde schlechter, kaum dass sie die Friedhofsmauer hinter sich gelassen hatten, und verwandelte sich nach einer weiteren halben Meile endgültig in einen besseren Trampelpfad, der Mogens fast schlimmer vorkam als der steinige Weg, den sie über den Berg genommen hatten. Mogens warf Tom einen schrägen Blick zu, den dieser aber geflissentlich ignorierte.

Schließlich verschwand die Straße ganz. Vor ihnen lag nur noch eine Mauer scheinbar undurchdringlichen Gestrüpps, auf die Tom aber unbeirrt zuhielt, ohne auch nur das Tempo zu drosseln.

»Ähm... Tom«, begann Mogens.

Tom lächelte, reagierte aber ansonsten nicht, und er nahm auch das Tempo nicht zurück. Der Ford schoss auf das Gebüsch zu, und Mogens klammerte sich instinktiv an seinem Sitz fest und wartete auf das Geräusch von splitterndem Holz oder auch zerbrechendem Glas.

Stattdessen fegte der wuchtige Kühlergrill des Ford nur ein paar dünne Äste zur Seite, und vor ihnen lag eine lang gestreckte, asymmetrische Freifläche, auf der sich eine Hand voll kleiner Blockhütten um einen zentralen Platz drängte, in dessen Zentrum sich ein niedriges weißes Zelt erhob. Ein kleines Stück abseits stapelten sich Balken, gehobelte Bretter und andere Baumaterialien, und jenseits der Blockhütten entdeckte Mogens gleich drei weitere Automobile; darunter auch einen Lastwagen mit einer offenen Pritsche, auf der sich etliche längliche Holzkisten stapelten. Das mussten wohl die »Särge« sein, von denen Tom gesprochen hatte. Es war kein einziger Mensch zu erblicken.

Während Tom den Ford geschickt um die Gebäude herumchauffierte und neben den anderen Fahrzeugen abstellte, wandte sich Mogens noch einmal im Sitz um und schaute zurück. Die Lücke im Unterholz hatte sich hinter ihnen wieder geschlossen. Der Weg war nicht mehr zu sehen. Was hatte Tom gesagt? Doktor Graves wollte keine Fremden im Lager.

»Wir sind da«, sagte Tom überflüssigerweise und stieg aus. Während Mogens einen Moment lang damit beschäftigt war, den ihm unvertrauten Öffnungsmechanismus der Tür zu ergründen, eilte Tom bereits um den Wagen herum und öffnete die Tür von außen. Mogens lächelte verlegen, aber der Junge war diplomatisch genug, kein Wort über seine vermeintliche Unbeholfenheit zu verlieren, sondern trat nur zwei Schritte zurück und machte eine wedelnde Handbewegung zu der am weitesten entfernten Blockhütte.

»Dort hinten ist Ihre Unterkunft«, sagte er. »Gehen Sie ruhig schon hin. Ich bring Ihnen Ihr Gepäck.«

Mogens dachte mit einem leisen Gefühl von schlechtem Gewissen an die beiden prall gefüllten, schweren Koffer im Gepäckraum des Ford, aber dann wandte er sich dennoch mit einem stummen Kopfnicken um und steuerte das bezeichnete Gebäude an. Obwohl die Straße staubtrocken gewesen war, war der Boden, über den er nun ging, so morastig, dass seine Schuhsohlen darin einsanken und seine Schritte kleine, schmatzende Laute verursachten, und er schauderte leicht, als er aus dem Windschatten des Wagens heraustrat und ihn ein eisiger Luftzug streifte. Und war da nicht ein sachtes Zittern des Bodens unter seinen Füßen, so als bewege sich tief im Leib der Erde etwas Großes, Uraltes, das kurz davor war, aus einem äonenlangen Schlaf zu erwachen...?

Mogens schüttelte den Kopf, lachte über seine eigenen, närrischen Gedanken und ging schnell weiter. Seine Schritte verursachten noch immer jene schmatzenden Laute, die ihn aber jetzt nicht mehr erschreckten, sondern ihn mit einem Gefühl deutlichen Ärgers an seine fast neuen Lederschuhe denken ließ, die er sich nun möglicherweise ruinierte.

Seine Laune sank noch weiter, als er sich der Blockhütte näherte, die Tom ihm gewiesen hatte. Sie war winzig, allerhöchstens fünf oder sechs Schritte im Geviert und hatte - zumindest auf den beiden Seiten, die Mogens einsehen konnte - nur ein einziges schmales Fenster, dem ein schwerer Laden vorgelegt war. Auch die Tür machte einen äußerst massiven Eindruck und hatte - ebenso wie der Fensterladen - zwei fingerbreite, senkrechte Schlitze, ungefähr in Augenhöhe, die aussahen wie Schießscharten. Zusammen mit den dicken, sorgsam aufeinander gefügten Balken, dem wuchtigen Dach und der massiven Tür drängte sich Mogens unwillkürlich der Vergleich mit einer kleinen Festung auf. Diese Hütte - zusammen mit den anderen - musste älter sein, als er bisher angenommen hatte. Möglicherweise stammte dieses ganze Lager ja noch aus einer Zeit, in der sich seine Bewohner den Angriffen erzürnter Ureinwohner dieses Landes erwehren mussten, denn jedes einzelne des knappen halben Dutzends kleiner Gebäude machte einen äußerst wehrhaften Eindruck.

Mogens öffnete die Tür und trat gebückt ein, um sich nicht an dem niedrigen Türsturz den Schädel anzuschlagen. Als er den Kopf wieder hob, erlebte er eine Überraschung.

Das Innere des Gebäudes war weitaus geräumiger, als er erwartet hatte - und vor allem heller. Unter der Decke brannte ein vierarmiger Leuchter mit elektrischen Glühbirnen, und es duftete angenehm nach Seife - und frisch aufgebrühtem Kaffee. Die Einrichtung war spartanisch, aber durchaus annehmbar. Es gab ein überraschend breites, offenbar frisch bezogenes Bett, Tisch und Stühle sowie ein wohl gefülltes Bücherregal und etwas, dessen Anblick Mogens nun wirklich überraschte: Gleich neben dem Bücherbord erhob sich ein zierliches Stehpult. Es war lange her, dass Mogens so etwas auch nur gesehen hatte, aber zu der Zeit, als er selbst noch studiert hatte, hatte er es stets vorgezogen, im Stehen an einem solchen Möbelstück zu arbeiten. Graves musste sich wohl daran erinnert haben. Offensichtlich legte er wirklich Wert darauf, ihm den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Der Gedanke verschlechterte Mogens' Laune allerdings eher, statt sie zu heben. Er war nicht bereit, Jonathan Graves auch nur die Spur einer Chance zu lassen.

Außerdem waren da immer noch seine ruinierten Schuhe.

Mogens blickte missmutig zuerst auf die unregelmäßige Spur brauner schmieriger Fußabdrücke, die er auf dem frisch gebohnerten Fußboden hinterlassen hatte, dann auf seine besudelten Wildlederschuhe. Der Anblick erinnerte ihn an einen gewissen Vorfall vor vier Tagen, der mit Graves und Miss Preusslers Katze Cleopatra zu tun hatte.

»Machen Sie sich nichts draus, Professor«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Das passiert hier andauernd, selbst im Hochsommer. Es liegt am Boden, wissen Sie? Der Grundwasserspiegel ist so hoch, dass wir praktisch auf einem Schwamm stehen.«

Mogens drehte sich fast erschrocken um und blickte ins Gesicht eines vielleicht fünfzigjährigen, grauhaarigen Mannes, der ihm allerhöchstem bis zum Kinn reichte, dennoch aber gut doppelt so viel wiegen musste wie er. Trotz dieser unbestreitbaren Fettleibigkeit und des damit einhergehenden Eindrucks von Unbeholfenheit hatte er die Hütte so lautlos betreten, dass Mogens nicht das Geringste gehört hatte. Jetzt stand er zwei Schritte hinter ihm, strahlte ihn an wie ein Weihnachtsmann, der sich versehentlich den Bart abrasiert hatte, und streckte ihm eine fleischige, stummelfingerige Hand entgegen.

»Mercer«, sagte er fröhlich. »Doktor Basil Mercer. Aber vergessen Sie den ›Doktor‹ ruhig. Sie müssen Professor VanAndt sein.«

Mogens zögerte einen unmerklichen Moment, Mercers ausgestreckte Hand zu ergreifen; er hatte das Händeschütteln nie gemocht, zum einen, weil er es für ziemlich unhygienisch hielt, zum anderen, weil ihm diese Geste eine oftmals unangemessene Intimität zwischen zumeist wildfremden Menschen zu schaffen schien. Mercer hatte jedoch etwas so Einnehmendes, dass er nur einen Sekundenbruchteil zögerte, bevor er nach seiner dargebotenen Hand griff.