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»Was ist passiert?«, murmelte er. »Ich... es tut mir wirklich Leid. Ich weiß auch nicht... ich meine... bitte entschuldigen Sie, dass...«

»Sie sollten sich vielleicht einmal entscheiden, ob Sie sich nicht erinnern können oder ob das, woran Sie sich nicht erinnern können, Ihnen nun peinlich ist«, sagte Miss Preussler mit sanftem Spott, während sie die Flasche sorgsam wieder zuschraubte und in einer Falte ihres Kleides verschwinden ließ, wo anscheinend eine Tasche verborgen war. So spöttisch ihrer Stimme klang, so ernst war der Blick, mit dem sie ihn währenddessen maß.

Statt irgendetwas darauf zu erwidern, setzte sich Mogens weiter auf und drehte den Kopf. Sie waren nicht allein. Nur ein paar Schritte entfernt kauerte eine zitternde Gestalt vor der Wand. Sie hatte die Knie an den Leib gezogen und saß beinahe in der gleichen Haltung da, in der er gerade noch auf dem Boden gelegen hatte, hatte aber die Arme gehoben und die Hände schützend über dem Kopf zusammengefaltet. Was er von ihrem Gesicht erkennen konnte, war hinter einem Vorhang aus strähnigem, schmutzstarrendem schwarzem Haar verborgen, aber er konnte die Furcht in ihrem Blick fast körperlich fühlen, obwohl er ihre Augen nicht einmal wirklich erkennen konnte.

Langsam, um sie nicht durch eine hastige Bewegung noch mehr zu ängstigen, stand er auf, ging zu der jungen Frau hinüber und ließ sich einen halben Schritt vor ihr wieder in die Hocke sinken. Unendlich behutsam streckte er die Hand aus, ergriff ihren Arm und drückte ihn mit sanfter Gewalt nach unten. Die junge Frau versuchte erschrocken, noch weiter vor ihm zurückzuweichen, was aber nicht möglich war, weil sie sich bereits mit aller Kraft gegen die raue Felswand presste, und zog stattdessen die Knie noch weiter an den Leib. Sie zitterte heftig. Ihre Augen waren schwarz vor Angst.

Es waren nicht Janices Augen. So wenig, wie ihr Gesicht das von Janice war. Sie hatte nicht einmal Ähnlichkeit mit ihr. Sie war viel zu jung - nicht einmal ganz in dem Alter, in dem Janice gewesen war, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, dabei aber so abgemagert und ausgezehrt, dass sie fast wie eine Greisin wirkte -, und soweit er ihr Gesicht unter all dem Schmutz, Schorf und Grind überhaupt erkennen konnte, schienen ihre Züge leicht asiatischen Einschlag zu haben. Ihre Lippen waren aufgeplatzt und entzündet, und Mogens sah, dass ihr nahezu alle Zähne im Unterkiefer fehlten. Da das Kleid, das sie trug, praktisch nur noch aus Fetzen bestand, konnte er sehen, dass sich auch der Rest ihres Körpers in einem ebenso bemitleidenswerten Zustand befand. Die junge Frau war nicht nur halb verhungert, sondern ganz offensichtlich auch schwer misshandelt worden, und das über längere Zeit.

»Verstehen Sie mich?«, fragte er. Er hatte nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet, doch er bekam eine Reaktion, auch wenn sie ihm schier den Atem abschnürte. Die junge Frau begann noch heftiger zu zittern. Abermals versuchte sie, vor ihm zurückzuweichen, und die Angst in ihrem Blick wurde zu etwas, das sich wie ein glühender Dolch in seine Brust bohrte. Er fand plötzlich keine Worte mehr und fuhr sich hilflos mit der Zunge über die Lippen.

»Sie... Sie brauchen keine Angst zu haben«, murmelte er. »Ich tue Ihnen nichts.«

Auch damit schien er es nur noch schlimmer zu machen. Die junge Frau begann leise zu wimmern und verbarg abermals das Gesicht hinter den Armen.

»Das hat keinen Sinn«, sagte Miss Preussler leise hinter ihm. »Ich fürchte, das arme Ding versteht gar nicht, dass Sie ihm etwas sagen wollen. Ich habe es auch schon versucht. Vielleicht spricht sie unsere Sprache nicht.«

Mogens fragte sich beiläufig, wie lange er eigentlich bewusstlos gewesen war, hielt seinem Blick dabei aber fest auf das Gesicht der jungen Frau gerichtet. Er sagte nichts - Miss Preusslers Theorie erschien ihm aus irgendeinem Grund nicht besonders überzeugend, aber er hatte das Gefühl, dass es schon allein der Klang seiner Stimme war, der sie nahezu zu Tode erschreckte -, hob aber, noch sehr viel langsamer als beim ersten Mal, den Arm, streckte behutsam die Hand in ihre Richtung aus und drehte sie ein paar Mal hin und her, um ihr zu zeigen, dass sie leer und nicht etwa zur Faust geballt war, um sie zu schlagen. Das Wimmern der jungen Frau wurde nur noch lauter, und sie zitterte plötzlich am ganzen Leib. Mit einem Male wurde Mogens klar, dass er ihr Todesangst einjagte.

Obwohl er sich mehrere Schritte von der jungen Frau entfernt hatte und nicht einmal in ihre Richtung sah, während er mit Miss Preussler redete, hockte sie noch immer zusammengekauert an der Wand und hatte die Arme über den Kopf gehoben wie ein Kind, das bestraft worden war und nun Angst hatte, noch weiter geschlagen zu werden. »Ich glaube nicht...«, begann er vorsichtig, wurde aber sofort von Miss Preussler wieder unterbrochen.

»Lassen Sie es mich noch einmal versuchen. Vielleicht hat sie sich inzwischen ja ein wenig beruhigt.«

Mogens musste sich nicht einmal umsehen, um zu wissen, dass das bestimmt nicht der Fall war. Aber was hätte er sagen sollen? Dass sie dieses arme Wesen auf keinen Fall mitnehmen konnten, weil sie sie nur belasten, ja, möglicherweise sogar in Gefahr bringen würde? Zweifellos entsprach das den Tatsachen, und ebenso zweifellos wusste Miss Preussler dies genau so wie er - aber es auch nur auszusprechen hätte ihn auf die gleiche Stufe wie Graves gestellt, sowohl in Miss Preusslers Augen als auch in seinen eigenen. So hob er nur die Schultern, wandte sich demonstrativ - allerdings noch immer sehr langsam, um das Mädchen nicht durch eine unbedachte, schnelle Bewegung noch mehr zu verschrecken - ab und ging zum jenseitigen Ausgang der Höhle. Auch dahinter schimmerte das wohlbekannte, geisterhaft grüne Licht, doch Mogens nahm unterwegs trotzdem seine Lampe auf und kramte schon einmal in der Jackentasche, um die Schachtel mit den Schwefelhölzern im Bedarfsfall gleich zur Hand zu haben.

Er brauchte sie nicht. Der nicht einmal anderthalb Meter hohe Durchgang führte in einen schmalen Stollen, der höher und breiter wurde, je mehr er sich seinem Ende näherte, das vielleicht fünfzehn oder zwanzig Schritte entfernt lag, und dabei immer mehr von seinen natürlichen Unebenheiten verlor, bis er schließlich in präzise errichtetes Mauerwerk überging. Auf dem letzten Stück waren die leuchtenden grünen Flechten sorgsam entfernt worden, aber Mogens konnte die Wandmalereien, die die monströsen Steinplatten verzierten, dennoch deutlich erkennen; denn hinter der sorgsam gemauerten Tür, in der der Korridor endete, brannte rotes und gelbes Licht. Als er näher kam, mischte sich der typische Geruch von brennendem Holz in den immer noch allgegenwärtigen Gestank, der die Luft verpestete.

Mit klopfendem Herzen und geduckt, obwohl die Tür mindestens zwei Meter hoch war, trat Mogens in den angrenzenden Raum und hob vollkommen sinnloserweise die Laterne, als er sich aufrichtete und sich dabei rasch einmal um seine eigene Achse drehte.

Der Raum war ebenso leer wie die große Halle, durch die sie oben gekommen waren, befand sich aber in einem viel weiter fortgeschrittenen Stadium des Verfalls. Ein Teil der Decke war eingestürzt und gab den Blick auf einen unregelmäßig geformten, schmalen Schacht frei, der offensichtlich bis zur Oberfläche hinaufführte, und auch die gegenüberliegende Wand zeigte deutliche Spuren gewaltsamer Zerstörung. Ein fast handbreiter Riss spaltete sie vom Boden bis zur Decke, und in dem flackernden rötlichen Licht, das den Raum erfüllte, konnte Mogens Schwaden von tanzendem Staub erkennen. Als er sich dem Riss näherte, sah er, dass noch immer ein Strom aus Staub und feinen Schmutzpartikeln daraus zu Boden rieselte. Was immer hier geschehen war - es lag noch nicht sehr lange zurück. Mogens musste wieder an das schwache Erdbeben denken, das sie am Abend verspürt hatten. Er hatte mittlerweile nicht mehr die geringste Vorstellung davon, wie tief sie sich unter der Erde befinden mochten, doch was sie dort oben nur als sachtes Zittern verspürt hatten, das konnte hier unten durchaus ein gewaltiger Erdstoß gewesen sein.