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Der Aufstieg erwies sich als noch schwieriger, als er befürchtet hatte. Der Berg aus Trümmern und zerborstenen, riesigen Steinquadern und -platten war nicht annähernd so massiv, wie er ausgesehen hatte. Immer wieder lösten sich unter seinen Händen und Füßen einzelne Trümmerstücke, manchmal auch ein ganzes Segment, um polternd hinter ihm herabzustürzen, und Mogens war nicht annähernd so sicher, wie er es gerne gewesen wäre, sich das bedrohliche Knistern und Knacken, das aus der unsichtbaren Decke über ihren Köpfen herabzudringen schien, tatsächlich nur einzubilden. Zweimal stürzte er und schlitterte ein ganzes Stück des Weges zurück, den er sich gerade mühsam herauf gequält hatte, und er wäre fast selbst überrascht gewesen, wäre er nicht als Letzter oben angekommen.

Miss Preussler streckte ihm hilfreich den Arm entgegen, und wären Mogens' Erschöpfung und Frustration noch ein ganz kleines bisschen größer gewesen, und sein Stolz nur eine Winzigkeit kleiner, hätte er dieses Angebot sicher auch angenommen. So warf er ihr nur einen trotzigverärgerten Blick zu, robbte die letzten anderthalb Meter aus eigener Kraft nach oben - wobei er sich nicht nur einen Fingernagel abbrach, was erstaunlich schmerzhaft war, sondern auch so hart den rechten Oberschenkel anschlug, dass die Wunde unter seinem Verband wieder zu bluten begann - und langte schließlich, keuchend vor Erschöpfung und mit zusammengebissenen Zähnen, aber mit halbwegs intaktem Stolz, neben ihr an. Miss Preussler maß ihn mit einem sonderbaren Blick, von dem er nicht zu sagen vermochte, ob er nun geringschätzig oder auf eine missbilligende Art amüsiert war, sagte aber nichts dazu.

Ihre Mühe schien umsonst gewesen zu sein. Die junge Fremde war verschwunden, auch wenn es noch nicht allzu weit entfernt sein konnte - Mogens konnte ihre hektisch keuchenden Atemzüge und das Geräusch ihrer Schritte nicht weit vor sich in der Dunkelheit ausmachen, begleitet von dem ununterbrochenen Kollern und Poltern von Steinen, die sich unter ihren Schritten lösten. Aber es dauerte einen Moment, bis es ihm gelang, sie mit seinem Scheinwerferstrahl zu erfassen.

Nur eine halbe Sekunde später gesellte sich auch das Licht von Miss Preusslers Lampe hinzu, und das Mädchen drehte erschrocken den Kopf und sah aus zusammengekniffenen Augen zu ihnen zurück. Das Licht schien ihm Schmerzen zu bereiten, ihm vielleicht auch Angst einzuflößen - was es aber nicht daran hinderte, mit erstaunlichem Geschick und Schnelligkeit weiter zu stürmen, als hätte es sein Lebtag lang nichts anderes getan, als über Ruinen zu klettern und unsichtbaren Hindernissen auszuweichen. Es entfernte sich geradezu unglaublich schnell von ihnen. Noch ein paar Augenblicke, dachte Mogens, und selbst das starke Licht der beiden Scheinwerfer würde es nicht mehr erreichen.

Miss Preusslers Überlegungen schienen wohl in eine ähnliche Richtung zu gehen, denn sie setzte dazu an, sich hochzustemmen und ihre Verfolgung fortzusetzen, aber diesmal ergriff Mogens sie am Arm und hielt sie fest. »Wollen Sie sich umbringen?«, fragte er.

»Aber...«

»Kein Aber!«, schnitt ihr Mogens das Wort ab. Miss Preussler, die einen solchen Ton noch niemals zuvor von ihm gehört hatte, riss ungläubig die Augen auf und starrte ihn verdattert an, und Mogens fuhr, vielleicht eine Spur leiser, doch keinen Deut weniger entschieden, fort: »Wir müssen hier weg! Die Höhle kann jeden Moment einstürzen, begreifen Sie das nicht?«

Mogens war fast erleichtert, nun endlich doch so etwas wie Schrecken in ihren Augen zu erkennen. Einen Atemzug lang starrte sie ihn noch zweifelnd und fragend an, dann warf sie mit einem Ruck den Kopf in den Nacken und richtete auch ihren Scheinwerferstrahl auf die Decke.

Mogens wünschte sich fast, sie hätte es nicht getan. Seine Einschätzung, was die Standfestigkeit dieses unterirdischen Saales anging, war wohl eher zu optimistisch gewesen. Die ehemals prachtvoll bemalte Decke über ihnen hing tatsächlich durch wie ein nasses Segeltuch, und an zahllosen Stellen rieselte Staub herab. Nur ein einzelner, sonderbar gestaucht wirkender Stützpfeiler in ihrer unmittelbaren Nähe schien sie noch davon abzuhalten, endgültig herunterzustürzen, und wie es um dessen Standfestigkeit bestellt war, darüber wagte Mogens nicht einmal nachzudenken. Er überlegte fast panisch, wie lange der letzte Erdstoß zurücklag. Sicherlich nicht mehr als fünf oder sechs Minuten. Zwischen ihm und dem vorhergehenden Beben war deutlich mehr Zeit verstrichen, und zwischen diesem und denen davor noch einmal sehr viel mehr. Natürlich gab es keinen Beweis dafür, dass es überhaupt noch zu einer weiteren Erschütterung kommen würde, aber wenn die Beben aufeinander folgten, taten sie es offensichtlich in kürzer werdenden Abständen. Wenn die Erde noch einmal bebte, dann konnte dies buchstäblich jeden Augenblick geschehen, und wenn das passierte, denn würde diese ganze Halle wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen.

»Aber wir können sie doch nicht einfach...«, begann Miss Preussler.

»Was?«, fiel ihr Mogens ins Wort. Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Glauben Sie mir, Miss Preussler - ich will dieses arme Geschöpf genauso wenig im Stich lassen wie Sie. Aber wir müssen hier weg. Und wir holen es ja nicht einmal mehr ein.«

Tatsächlich war das Geräusch der Schritte mittlerweile fast vollkommen verstummt, und als Mogens seinen Scheinwerferstrahl wieder in die Richtung lenkte, in die sich das Mädchen entfernt hatte, riss er nichts anderes als ein Durcheinander aus Trümmerstücken und tanzendem Staub aus der Dunkelheit. »Wollen Sie wirklich dort hinein?«, fragte er.

Miss Preussler schwieg. In ihrem Gesicht arbeitete es, und Mogens kam sich auf eine absurde Art feige und fast wie ein Verräter vor; weniger an dieser unbekannten jungen Frau, für die sie aller Wahrscheinlichkeit nach so oder so nicht mehr viel tun konnten, sondern vielmehr an Miss Preussler, die auf seine Hilfe und Unterstützung vertraut hatte, und an sich selbst.

Dennoch sagte er nach einigen weiteren Sekunden leise, diesmal fast sanft: »Miss Preussler... Betty... bitte. Wir müssen weg hier. Schnell.«

»Ja«, flüsterte sie. Täuschte sich Mogens, oder schimmerten ihre Augen plötzlich feucht? »Sie haben Recht, Professor.«

Mogens atmete erleichtert auf, und noch bevor er es ganz getan hatte, drang ein gellender, lang anhaltender Schrei aus der Dunkelheit vor ihnen.

Miss Preussler sprang so schnell auf, dass schon ihre eigene Bewegung sie wieder von den Füßen riss und sie hart auf die Knie fiel. Sofort war sie jedoch wieder auf den Füßen und stürmte, ihre Laterne hektisch hin und her schwenkend, wie um die bedrohliche Dunkelheit vor sich mit einer glühenden Schwertklinge aus Licht zu zerteilen, voran. Mogens war eine Sekunde lang so entsetzt, dass er nichts anderes tun konnte als dazuhocken und ihr nachzustarren. Dann aber sprang er hastig auf die Beine und rannte hinter ihr her.

Obwohl auch er jetzt keinerlei Rücksicht mehr nahm, fiel er immer rascher hinter Miss Preussler zurück. Mogens versuchte noch schneller auszugreifen, erreichte damit aber nicht mehr, als endgültig aus dem Takt zu kommen und beinahe zu stürzen. Als er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, war auch Miss Preussler nahezu aus dem Lichtkegel seines Scheinwerfers verschwunden, und vermutlich hätte er sie binnen weniger weiterer Momente endgültig aus den Augen verloren, wäre sie nicht plötzlich stehen geblieben. Ihr Lichtstrahl hörte auf, hektisch hin und her zu tanzen, und richtete sich auf einen Punkt, den Mogens nicht einsehen konnte. Er versuchte, noch schneller zu laufen, kam abermals ins Stolpern und hielt schließlich schwer atmend neben ihr an.

»Was zum Teufel haben Sie sich dabei ge...?« Der Rest seiner Frage blieb Mogens buchstäblich im Hals stecken, als er sah, wohin der Schein ihrer Grubenlampe fiel.

Unmittelbar vor Miss Preussler war die Hallendecke vollends zusammengebrochen, aber ein kleines Stück neben ihr ragte der mannshohe Rest einer zerborstenen Säule aus dem Schutt, die zumindest einen kleinen Teil davon wie durch ein Wunder noch gehalten hatte, sodass ein unregelmäßig geformter, vielleicht zwei Meter hoher Hohlraum darunter verblieben war.