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»Sind Sie weitergekommen?«, wandte sich Graves an Miss Preussler. »Ich meine: Konnten Sie mit ihr reden?«

»Nein«, antwortete Miss Preussler. Sie wirkte ein bisschen niedergeschlagen. »Entweder sie kann nicht sprechen, oder sie will es nicht. Ich glaube allerdings eher, sie kann es nicht. Das Einzige, was ich bisher mit Sicherheit weiß ist, dass sie große Angst vor Männern hat.« Sie zuckte unglücklich mit den Schultern. »Und dass sie sich weigert, dieses tote Kind zurückzulassen.«

»Das könnte daran liegen, dass es ihres ist«, sagte Graves ruhig.

Miss Preussler wurde kreidebleich. »Was reden Sie da? Dieses... dieses Ding ist nicht einmal ein Mensch.«

»Zum Teil sicher nicht«, bestätigte Graves. »Zu einem anderen schon. Nein, Miss Preussler, ich fürchte, diese bedauernswerte junge Dame ist die Mutter dieses schrecklichen Geschöpfes.«

»Das ist vollkommen absurd!«, beharrte Miss Preussler. Aber die Blicke, mit denen sie das Mädchen maß, wirkten mit einem Mal unsicherer, fast ängstlich.

»Es bestätigt das, was ich vermutet habe«, murmelte Graves. »Auch wenn ich zugeben muss, dass ich es vorgezogen hätte, mich zu irren.«

»Was hast du vermutet, Jonathan?«, fragte Mogens.

Graves ignorierte ihn. Einige Sekunden lang sah er das Mädchen mit großer Konzentration an, dann wandte er sich an Miss Preussler. »Ich bitte um Entschuldigung, meine Liebe, aber ich fürchte, ich muss Ihnen eine etwas unschickliche Frage stellen.«

»Ich kann mir kaum etwas vorstellen, was noch... unschicklicher ist als das hier.«

Graves druckste einen Moment herum. »Sie waren niemals verheiratet, nicht wahr?«, fragte er dann.

»Nein.«

»Aber Sie haben doch sicherlich... ich meine... also... haben Sie jemals...«

»Ja?«, fragte Miss Preussler.

Graves räusperte sich unbehaglich und sah plötzlich überallhin, nur nicht in ihre Richtung »Können Sie Kinder bekommen, Miss Preussler?«, stieß er schließlich hervor.

»Wie?«, keuchte Miss Preussler.

»Haben Sie jemals in Erfahrung gebracht, ob Sie in der Lage sind, Kinder zu gebären?«, fragte Graves. »Wenn Sie verheiratet wären, selbstverständlich«, fügte er hastig hinzu.

Selbst im Farben verändernden Licht der Fackeln konnte Mogens erkennen, dass Miss Preussler heftig errötete. Aber der Ausbruch, auf den er wartete, blieb aus. »Nein«, gestand sie nach einer Weile. »Es... gab da einen jungen Mann, vor vielen Jahren. Er hatte ehrbare Absichten. Wir wollten heiraten, aber er entstammte einer sehr wohlhabenden und einflussreichen Familie aus dem Süden, und er war ihr letzter männlicher Nachkomme. Seine Familie hatte wohl Angst, dass die Linie mit ihm endet, sollte er keine Nachkommen haben.«

»Also haben sie darauf bestanden, dass Sie sich einer entsprechenden Untersuchung unterziehen«, vermutete Graves.

»Ja«, bestätigte Miss Preussler. Aber sie sah Mogens bei diesem Wort an, und er konnte erkennen, wie unendlich schwer es ihr fiel, über diese intimen Details aus ihrem allerprivatesten Leben zu sprechen. »Das Ergebnis entsprach nicht unseren Erwartung. Ich kann keine Kinder bekommen. Diese Gnade hat Gott der HERR mir nicht zuteil werden lassen.«

»Seien Sie dankbar, dass es so ist«, antwortete Graves. »Gott war gnädig zu Ihnen. Ihre Unfruchtbarkeit ist wahrscheinlich der Grund, aus dem Sie noch leben und bei uns sind.«

»Was soll das heißen?«, fragte Mogens.

Graves fuhr, an Miss Preussler gewandt, fort. »Erinnern Sie sich, was Sie mir erzählt haben? Die Ghoule haben Sie untersucht, auch an... ähm... intimen Stellen. Ich glaube, sie haben Sie nur gehen lassen, weil Sie nicht in der Lage sind, Kinder zu gebären.«

»Unsinn!«, sagte Mogens. Aber das war wenig mehr als ein bloßer Reflex, in Grunde nur der Ausdruck des Entsetzens, mit dem ihn das erfüllte, was Graves sagte. Dennoch fuhr er mit schriller Stimme fort: »Woher sollten diese Kreaturen das wissen?«

»Was weiß ich«, antwortete Graves. »Vielleicht haben sie es gerochen. Vielleicht spüren sie es irgendwie. Manche Tiere verfügen über sehr scharfe Sinne, Mogens, und diese Wesen stammen nicht einmal von unserer Welt. Und es passt alles zu dem, was ich in den letzten Jahren in Erfahrung gebracht habe.«

Mogens weigerte sich immer noch zu akzeptieren, was er hörte, auch wenn er tief in sich längst begriffen hatte, dass es so war. Er konnte trotzdem nicht anders: »Du willst uns doch nicht ernsthaft weismachen...«

»... dass diese Ungeheuer menschliche Frauen entführen, um sich mit ihnen fortzupflanzen?«, fiel ihm Graves ins Wort. Er zuckte die Achseln. »Was ich weiß ist, dass ich niemals ein Weibchen dieser Bestien zu Gesicht bekommen habe. Und dass sie schon seit langer Zeit Frauen entführen, von denen nie wieder eine Spur gesehen wird. Reim dir den Rest selbst zusammen.«

»Aber das ist völlig unmöglich!«, beharrte Mogens. »Es ist eine vollkommen fremde Spezies! Wie können sie sich mit Menschen paaren?«

»Du hast es selbst gesagt, Mogens«, antwortete Graves. »Es ist eine vollkommen fremde Spezies. Wir wissen nicht, wozu sie fähig sind und wozu nicht. Wir wissen nicht einmal, ob die Kreaturen, die wir kennen gelernt haben, tatsächlich dieselben sind, die vor so langer Zeit hierhergekommen sind. Vielleicht waren sie ganz anders. Vielleicht ist das, was wir kennen, nur das Ergebnis der Vermischung unserer beider Rassen.«

Mogens hatte das Gefühl, dass das noch nicht alles war. Es war möglicherweise alles, was Graves sagen wollte, aber ganz gewiss nicht alles, was er wusste. Bevor er jedoch eine entsprechende Frage stellen konnte, mischte sich Miss Preussler ein.

»Bitte verzeihen Sie, Doktor Graves«, sagte sie. »Ich bin sicher keine Wissenschaftlerin und verstehe nichts von alledem, worüber Sie da reden - aber was Sie sagen, erscheint mir vollkommen unsinnig.«

»So?«, fragte Graves. Er wirkte leicht amüsiert.

»Ich meine: Selbst wenn Sie Recht haben, was die Herkunft dieser Kreaturen angeht - wie kann sich eine Spezies entwickeln, die nur aus männlichen Exemplaren besteht?« Sie lächelte unsicher. »Auch wenn ich nicht viel Erfahrung in diesen Dingen habe, so scheint mir da doch... etwas zu fehlen.«

»Ein sehr kluger Einwand«, antwortete Graves. »Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Niemand weiß, warum diese Wesen hierher gebracht worden sind. Vielleicht war es niemals geplant, dass sie sich fortpflanzen. Es ist gut möglich, dass sie künstlich erschaffen worden sind.«

»Künstlich?«, wiederholte Miss Preussler ungläubig.

»Vielleicht«, schränkte Graves ein. »Oder sie wurden nur hierher gebracht, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Vielleicht wurden sie nur als Arbeiter hergebracht oder als Wächter... ich nehme nicht einmal an, dass sie hier bleiben sollten. Irgendetwas muss schief gegangen sein. Vielleicht sind einige wenige Exemplare entkommen und haben einen Weg gefunden, sich fortzupflanzen.«

»Und das hast du all die Zeit über gewusst?«, flüsterte Mogens entsetzt.

»Nicht gewusst«, korrigierte ihn Graves. »Aber ich habe es geahnt - oder sollte ich besser sagen: befürchtet.«

»Und du hast es niemals jemandem gesagt?« Mogens' Stimme begann zu zittern. Er hätte Graves angeschrien, hätte er noch die Kraft dazu gehabt.

»Gesagt?«, wiederholte Graves, während er sich gänzlich zu ihm herumdrehte und ihn auf sonderbar nachdenklich und teilnahmsvoll zugleich wirkende Weise ansah. »Aber wem denn?«

»Allen!«, erwiderte Mogens. »Der Polizei! Dem Militär! Den... den Behörden! Mir!«

Graves lächelte milde. »Aber was hätte ich ihnen denn sagen sollen?«, fragte er. »Dass ich den Verdacht habe, Geschöpfe aus einer fremden Welt trieben seit Jahren ihr Unwesen bei uns? Dass ich glaube, dass sie Frauen entführen, damit sie ihre Kinder austragen, und unter Friedhöfen leben und sich von Leichen ernähren?« Er schüttelte fast sanft den Kopf. »Wer hätte mir wohl geglaubt?«