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»Sei vorsichtig damit«, sagte eine Stimme hinter ihm.

Mogens fuhr so erschrocken herum, dass er das Buch um ein Haar tatsächlich fallen gelassen hätte. Er hatte nicht einmal gehört, dass die Tür aufgegangen war. »Jonathan.«

Graves schob die Tür hinter sich ins Schloss und kam näher. Sein Blick glitt aufmerksam über den Tisch, bevor er sich wieder Mogens zuwandte und fortfuhr: »Es sind zum Teil unersetzliche Originale. Wirklich sehr wertvoll.«

»Originale?« Mogens griff instinktiv fester zu, was Graves ein flüchtiges Lächeln entlockte.

»Eine Leihgabe einer kleinen Universität in Massachusetts«, bestätigte er. »Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Mühe es mich gekostet hat, sie zu bekommen. Ich musste meine Seele verpfänden, damit der Kurator sie herausgibt.« Er grinste. »Und die hätte ich gerne wieder.«

Mogens bezweifelte, dass Graves so etwas wie eine Seele hatte, behielt diese Meinung aber wohlweislich für sich und drehte sich fast hastig um, um das Buch ins Regal zurückzustellen. »Du musst dir ja sehr sicher gewesen sein, dass ich zustimme.«

»Nennen wir es: vorsichtig optimistisch«, antwortete Graves. »Ich hoffe, du kannst mit dieser Auswahl etwas anfangen. An ein paar Titel konnte ich mich von früher erinnern, aber ich bin kein Fachmann auf diesem Gebiet und musste mich wohl oder übel auf den Rat des Kurators verlassen. Aber nach allem, was ich gehört habe, ist die Miskatonic University führend auf diesem Gebiet. Ihre Bibliothek genießt einen ausgezeichneten Ruf.«

Mogens hatte noch nie etwas von dieser Universität gehört, so wenig wie von der dazugehörigen Stadt, aber die Auswahl der Titel auf den Regalbrettern vor sich schien Graves' Behauptung zu bestätigen; auch wenn Mogens bezweifelte, dass es sich tatsächlich bei allen um Originale handelte. Er war im Gegenteil fast sicher, dass etliche jener Bücher, von denen nur hinter vorgehaltener Hand geredet wurde, niemals existiert hatten. Doch ob Fälschungen oder nicht, alt waren diese Bände zweifellos.

»Und diese Bücher lässt du einfach so hier herumstehen?«, wunderte er sich. »In einem unverschlossenen Haus, in dem jeder nach Belieben ein- und ausgehen kann?«

»Oh, für unsere Sicherheit ist schon gesorgt, keine Angst«, beruhigte ihn Graves. »Und für die unseres Besitzes auch.« Er kam zwei weitere Schritte näher, und wieder tastete sein Blick sehr aufmerksam über den Tisch, den Mogens gerade aufgeräumt hatte. »Aber ich bin nicht gekommen, um mit dir über Bücher zu fachsimpeln, Mogens. Hast du dich entschieden?«

»Entschieden?« Mogens verstand nicht sofort, was Graves meinte.

»Was mein Angebot betrifft.« Graves machte eine erklärende Geste und verbesserte sich: »Meine Bitte. Wirst du mir helfen?«

»Es ist noch keine zwei Stunden her!«, sagte Mogens. »Ein wenig mehr Zeit solltest du mir schon geben, um eine so weitreichende Entscheidung zu treffen.«

»Gerade Zeit ist es, was wir nicht im Übermaß haben, fürchte ich«, sagte Graves betrübt.

»Warum die Eile?«, fragte Mogens. »Du bist seit einem Jahr hier. Welche Rolle spielen da ein paar Stunden oder Tage?«

»Eine große, fürchte ich«, sagte Graves. »In wenig mehr als einer Woche ist Vollmond. Bis dahin sollten wir unsere Vorbereitungen abgeschlossen haben.«

Mogens blinzelte ihn verstört an.

»Vollmond?«

»Spielt der Vollmond nicht bei vielen magischen Ritualen eine wichtige Rolle?«, fragte Graves. Er lächelte fast schüchtern. »Ich meine: Wir reden doch hier über das, was unsere geschätzten Kollegen als Magie bezeichnen, oder?«

»Aber das bedeutet nicht, dass wir jetzt nachts an einem Kreuzweg auf den Vollmond warten und dabei Krötensteine und Fledermausflügel verbrennen müssen, oder?«, fragte Mogens.

»Wenn es hilft.« Graves blieb vollkommen ernst. Er machte eine Kopfbewegung auf die Tür hinter sich. »Die anderen werden bald zurück sein. Ich wäre dir verbunden, wenn du ihnen nichts von der Kammer erzählen würdest. Zumindest nicht, bis du dich entschieden hast.«

»Selbstverständlich«, antwortete Mogens in leicht beleidigtem Ton. »Und danach übrigens auch nicht. Ganz gleich, wie meine Entscheidung ausfallen wird.«

»Oh, ich bin sicher, du wirst dich richtig entscheiden«, sagte Graves lächelnd. »Aber lass dir nicht zu viel Zeit damit. Ich werde nach dem Abendessen noch einmal vorbeikommen, um deine Entscheidung zu erfahren.«

Mogens sah ihn scharf an. Bildete er es sich nur ein, oder war da ein ganz sachter drohender Ton in Graves' Stimme?

»Ich werde darüber nachdenken«, sagte er und wandte sich brüsk um.

»Tu das«, antwortete Graves.

Mogens wartete, bis er das Geräusch der Tür gehört hatte, die ins Schloss fiel, und er ließ auch dann noch einmal gute fünf oder zehn Sekunden verstreichen, bevor er sich mit zornig zu Fäusten geballten Händen umdrehte, fest entschlossen, Graves kurzerhand hinauszuwerfen, sollte er wieder eins seiner Spielchen mit ihm spielen. Graves war jedoch nicht mehr da, und einen Moment lang kam sich Mogens einfach nur albern vor. Dass er begriff, dass selbst das vermutlich zu dem Spiel gehörte, das Graves ihm aufgezwungen hatte, machte es auch nicht unbedingt einfacher.

Mogens versuchte sich eine Weile damit abzulenken, die Titel auf den Buchrücken vor sich zu studieren, aber es half nicht. Seine Gedanken kehrten immer wieder zu Graves und der unheimlichen Kammer unter dem Friedhof zurück, und schließlich gab er es auf und trat wieder vom Regal zurück. Eine noch kürzere Weile versuchte er, sich mit dem Ordnen und Sortieren seiner Papiere abzulenken, aber das fruchtete beinahe noch weniger. Er richtete Unordnung an statt Ordnung, und Mogens hasste Unordnung. Nein, er brauchte etwas weit Simpleres, um sich auf andere Gedanken zu bringen.

Vielleicht sollte er zu Tom gehen und ihn bitten, ihm noch einen Kaffee zu kochen - und ihn bei dieser Gelegenheit gleich wegen der verdorbenen Tasse zur Rede stellen. Er umkreiste den Tisch, um sie zu holen, aber sie war nicht mehr da.

Mogens runzelte überrascht die Stirn. Wider besseres Wissen suchte sein Blick den gesamten Tisch ab, und schließlich ging er sogar in die Hocke, um unter den Tisch zu sehen, aber es blieb dabei: Die Tasse war verschwunden.

7.

Mercer und die beiden anderen kamen erst lange nach Sonnenuntergang zurück. Das Brummen des näher kommenden Wagens war schon eine geraume Weile zu hören gewesen, ehe die Stoßstange das Geäst am anderen Ende des Lagers teilte und die Scheinwerfer einen Teil der schlammigen Straße aus der Dunkelheit rissen. Obgleich Mogens nichts von Automobilen verstand, glaubte er doch den Klang des Ford wieder zu erkennen, mit dem Tom ihn aus San Francisco abgeholt hatte. Der Wagen bewegte sich nicht sehr schnell, und er fuhr auch alles andere als gerade; die Scheinwerfer hüpften so wild hin und her, dass Mogens nicht einmal überrascht gewesen wäre, hätte der Ford eine der Blockhütten gerammt. Aber das Wunder geschah: Der Wagen kurvte um alle Hindernisse herum und verschwand schließlich hinter dem Gebäude, hinter dem Tom auch die anderen Fahrzeuge abgestellt hatte. Nur einen Moment später hörte Mogens das Geräusch zuschlagender Autotüren und dann Stimmen und das helle Lachen einer Frau. Hyams.