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»Was?«

»Tom«, sagte Mogens. »Ist er bei dir?«

Graves sah ebenfalls rasch zu der Tür, durch die er gerade selbst hereingekommen war, bevor er antwortete. »Nein. Ich bin mit dem Buick gekommen. Warum fragst du?«

»Weil ich glaube, dass... dass er irgendetwas damit zu tun hat«, antwortete Mogens zögernd.

»Tom?«

Mogens nickte. Er antwortete nicht gleich, und als er es tat, da sprach er mit leiser, stockender Stimme. Plötzlich ergab alles einen Sinn, auch wenn er sich immer noch weigerte, es zu glauben. Tom, der so unglaublich viel wusste. Der alles konnte und keinen Schlaf zu brauchen schien. Der immer und stets zur Stelle war, wenn man ihn brauchte. Der auf alles eine Antwort hatte. »In der Nacht, in der ich es zum ersten Mal gesehen habe, Jonathan, draußen auf dem Friedhof. Es war Tom. Er hat mich zurückgebracht, nachdem ich in Ohnmacht gefallen war. Ich meine, er... er sagt, dass er es war, den ich dort draußen gesehen habe, aber ich bin nicht mehr sicher, dass das stimmt. Er muss es einfach gesehen haben.«

Graves schwieg. Er wurde noch blasser.

»Was hast du?«, fragte Mogens.

»Tom«, antwortete Graves. »Miss Preussler hat ihn gebeten, ihm die Ausgrabungsstelle zu zeigen. Als ich losgefahren bin, haben sie sich gerade auf den Weg nach unten gemacht.«

22.

Die Minuten, die vergangen waren, bis Wilson mit den versprochenen Kleidern zurückkehrte, hatten sich zu schieren Ewigkeiten gedehnt, und die wenigen Augenblicke, die Mogens brauchte, um sich umzuziehen, noch viel mehr. Wilson hatte mit einer knappen Geste auf den Nebenraum gedeutet, aber Mogens streifte kurzerhand die Decke von den Schultern und zog sich in fliegender Hast um, obwohl Mogens klar war, dass er Wilsons Misstrauen damit nur noch neue Nahrung gab. Ohne sich auch nur zu verabschieden, stürmte er aus dem Haus und musste sich beherrschen, um nicht zur anderen Straßenseite zu rennen, wo Graves' Buick abgestellt war.

Graves kommentierte sein auffälliges Benehmen mit einem missbilligenden Stirnrunzeln, aber er sagte kein Wort, sondern startete den Wagen und fuhr so schnell los, dass Mogens sich instinktiv an seinem Sitz festklammerte. Mogens konnte nicht beurteilen, ob er sicherer fuhr als Tom, aber er fuhr auf jeden Fall schneller. Sie benötigten nur wenige Minuten, um die Stadt hinter sich zu lassen und die Abzweigung zum Friedhof und dem dahinter liegenden Lager zu erreichen. Mogens' Herz begann schneller zu schlagen, als sie sich der Stelle näherten, an der der Wagen abgestürzt war. Jetzt, bei Tageslicht, konnte er die schwarzen Gummispuren erkennen, die der Ford auf seinem Weg in die Katastrophe auf dem Straßenbelag hinterlassen und die selbst der Regen nicht völlig getilgt hatte.

Graves trat so hart auf die Bremse, dass Mogens im Sitz nach vorne geworfen wurde und hastig beide Arme ausstreckte, um sich am Armaturenbrett abzustützen. Das Ergebnis war ein stechender Schmerz, der durch seine Handgelenke fuhr und ihm ein scharfes Keuchen entlockte. Graves bedachte ihn mit einem fast verächtlichen Kopfschütteln und streckte die Hand nach dem Türgriff aus.

»Was tust du, Jonathan?«, fragte Mogens erschrocken. »Wir haben keine Zeit!«

»Es könnte wichtig sein.« Graves öffnete die Tür und stieg aus. Mogens starrte ihn einen Herzschlag lang fast entsetzt an, aber er sah auch ein, dass jeder Versuch, Graves zur Eile anzuspornen, nur einen weiteren Zeitverlust bedeuten würde, und stieg ebenfalls aus. Es bereitete ihm Mühe, die Tür zu öffnen. Seine Handgelenke schmerzten. »Jonathan!«

Graves tat das, was er meistens tat, wenn Mogens ihn ansprach: Er ignorierte ihn. Mit gesenktem Blick trat er um den Wagen herum und folgte der unterbrochenen schwarzen Gummispur der Autoreifen. »Dort hinten ist er vom geraden Weg abgekommen, siehst du?«

»Jonathan, glaubst du wirklich, dass das jetzt wichtig...«

»Ja«, unterbrach ihn Graves. »Das glaube ich. Vielleicht wichtiger, als du ahnst.«

Mogens starrte ihn noch einen Herzschlag lang zornig an, aber er spürte, wie sinnlos jedes weitere Wort gewesen wäre. Widerwillig drehte er sich um und sah in die Richtung, in die Graves' schwarz behandschuhte Rechte wies. Die Spur verlor sich immer wieder zwischen Unkraut und aufgebrochenen Stellen im Asphalt, wo die Natur die erstickende Decke, die die Menschen über sie ausgegossen hatte, wieder gesprengt hatte und sich Pilze und Wurzelwerk Bahn brachen. Aber nachdem er einmal erkannt hatte, worauf Graves ihn aufmerksam machen wollte, fiel es Mogens nicht mehr schwer, ihm zu folgen.

»Ich bin bis jetzt davon ausgegangen, dass Mercer betrunken war und deshalb die Kontrolle über den Wagen verloren hat«, sagte Graves nachdenklich. Er seufzte. »Wahrscheinlich war er betrunken, aber was den Rest angeht, habe ich dem guten Doktor anscheinend Unrecht getan. Sieh mal da: Er hat kurz vor der Friedhofsmauer so hart gebremst, dass der Wagen ins Rutschen gekommen ist. Er muss irgendetwas ausgewichen sein. Etwas, das von dort gekommen ist.«

Er war rücksichtsvoll genug, das Wort nicht auszusprechen, aber wozu auch? Seine ausgestreckte Hand deutete auf die Friedhofsmauer, und nicht nur auf eine beliebige Stelle, sondern genau dorthin, wo die Mauer aus roh aufeinander gefügten Bruchsteinen zum Teil niedergebrochen war. Es konnte noch nicht lange her sein. An den Bruchstellen hatte sich noch kein Moos gebildet, und etliche der herausgefallenen Steine - sie waren nach außen gestürzt, erkannte Mogens schaudernd, so als wäre irgendetwas mit Urgewalt aus dem ummauerten Friedhofsgelände herausgebrochen - waren auf die Straße gerollt. Es gehörte nicht mehr viel Fantasie dazu, sich auszumalen, was sich hier abgespielt hatte. Mercer mochte zu schnell gefahren sein, und er mochte auch betrunken gewesen sein, aber nichts davon war letzten Endes schuld an dem Unfall gewesen. Etwas war aus dem Friedhof gekommen und hatte die Mauer durchbrochen, und Mercer hatte vor Schrecken das Lenkrad verrissen und deshalb die Kontrolle über den Wagen verloren.

»Wir müssen jetzt wirklich weiter, Jonathan«, sagte er. »Miss Preussler ist möglicherweise in Gefahr.«

Graves schien seine Worte gar nicht gehört zu haben. Er starrte die unterbrochene Reifenspur noch einen Moment an, dann drehte er sich um und trat so dicht an die Stelle heran, an der sie endgültig abbrach, dass sich eine Hand voll kleiner Steinchen unter seinen Schuhspitzen löste und mit einem Geräusch wie Glasmurmeln im Beutel eines Kindes den Hang hinunterkollerte.

»Es ist meine Schuld, Mogens«, sagte Graves leise. »Ich hätte sie nicht fahren lassen dürfen.«

»Jonathan«, sagte Mogens beschwörend. »Miss Preussler! Sie ist mit Tom ganz allein dort unten!«

Graves reagierte nicht. Eine kleine Ewigkeit lang stand er wie erstarrt da und blickte das zerschmetterte Autowrack unter ihnen an. Selbst über die große Entfernung hinweg konnte Mogens noch die Schleifspuren erkennen, die zwischen den Felsen verschwanden. Fast beiläufig registrierte er, dass dort unten niemand war, der nach Hyams suchte.

»Ich habe geglaubt, es wäre nur nachts gefährlich«, murmelte Graves. »Ich dachte, tagsüber...« Er zog sein Etui aus der Jackentasche und versuchte, sich eine Zigarette anzuzünden, aber seine Hände zitterten zu sehr. »Ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht, Mogens. Einen Fehler, der Mercer, McClure und vielleicht auch Hyams das Leben gekostet hat. Es ist meine Schuld.«

»Aber das ist doch Unsinn«, protestierte Mogens. »Du konntest doch nicht ahnen, was geschehen würde!«

»Du denkst, Hyams und die beiden anderen hätten uns deinetwegen verlassen, habe ich Recht?«, fuhr Graves fort. Er lachte hart. »Du hast Recht, aber es ist nicht deine Schuld, Mogens. Ich wollte es so.« Er versuchte noch einmal, sich eine Zigarette anzuzünden, und diesmal gelang es ihm. Er sah Mogens nicht an, als er weitersprach, sondern starrte durch den grauen Rauch, den er selbst ausatmete, unverwandt auf das zerschmetterte Automobil hinab. Seine Stimme wurde leiser. »Ich hätte sie zurückhalten können. Ein einziges Wort hätte genügt und sie wären geblieben. Ich wollte, dass sie fuhren. Ich dachte, es wäre sicherer für sie. Ich habe sie umgebracht, weil ich sie retten wollte. Wäre es nicht so entsetzlich, könnte man es für einen besonders gelungenen Scherz des Schicksals halten.«