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Graves war nicht ungeduldig.

Er schäumte vor Wut.

Sie waren kaum zurück im Lager, als er Tom und ihn auch schon in scharfem Ton in seine Blockhütte befahl, und Mogens hatte die Tür noch nicht vollends hinter sich geschlossen, da begann er Tom so hysterisch anzuschreien, dass der Junge nach einer Sekunde ungläubigen Schreckens rücklings vor ihm zurückwich und am ganzen Leib zu zittern begann.

Auch Mogens starrte Graves eine geschlagene Sekunde lang einfach nur fassungslos an - dass Graves nicht begeistert über ihre Verspätung sein würde, nachdem er sie beim Essen noch so eindringlich zur Eile aufgefordert hatte, überraschte ihn nicht, aber es gab auf der anderen Seite auch nicht den mindesten Grund für diesen schon fast cholerischen Anfall -, aber dann versuchte er sich schützend vor Tom zu stellen.

»Hör auf, Jonathan!«, sagte er, noch immer mehr verwirrt als wirklich zornig. »Bist du verrückt? Tom hat mir doch nur...«

»O ja, ich weiß recht gut, was Tom nur hat!«, fiel ihm Graves ins Wort. »Wie oft habe ich dir verboten, dich auf dem Friedhof herumzutreiben? Muss ich denn erst...«

»Ich glaube, das reicht jetzt«, unterbrach ihn Mogens, und fast zu seinem eigenen Erstaunen war in seiner Stimme plötzlich eine solche Schärfe, dass nicht nur Tom ihn überrascht ansah, sondern auch Graves mitten im Wort abbrach und ungläubig die Augen aufriss. Mogens funkelte ihn warnend an und drehte sich dann betont ruhig zu Tom um.

»Mach dich an deine Arbeit, Tom«, sagte er. »Und keine Sorge. Ich werde dieses Missverständnis aufklären.«

Er wartete, bis Tom - nicht ohne einen abschließenden, unsicheren Blick in Graves' Richtung - das Haus verlassen hatte, ehe er sich wieder zu Graves umdrehte. »Was sollte das?«, fragte er, beinahe noch leiser, aber in unverändert schneidendem Ton. »Wenn du jemanden anschreien willst, dann mich. Ich habe Tom praktisch gezwungen, mir den Friedhof zu zeigen. Er wollte es nicht.«

»Dieser dumme Junge sollte es verdammt noch mal besser wissen!«, fauchte Graves. »Es ist gefährlich dort! Er durfte dieses Risiko nicht eingehen. Nicht jetzt, wo wir so kurz vor dem Ziel sind!«

»Ganz so gefährlich kann es wohl nicht sein«, antwortete Mogens. »Immerhin hat dieser dumme Junge jahrelang dort gelebt, ohne dass ihm etwas zugestoßen wäre.«

»Das war etwas vollkommen anderes!«, schnappte Graves. Er war immer noch erregt, aber schon nicht mehr ganz so wütend wie noch vor einem Augenblick, jetzt, wo das Objekt seines Zorns nicht mehr anwesend war. »Er hat dich in Gefahr gebracht!«

»Ach, und wo ist da der Unterschied?«, fragte Mogens. »Ist mein Leben mehr wert als das des Jungen?«

»Zumindest dir sollte es mehr wert sein«, erwiderte Graves. Er funkelte Mogens noch einen Moment lang herausfordernd und in der Erwartung einer Entgegnung auf seine zynische Bemerkung an. Als sie nicht kam, hob er die Schultern, ging zu seinem Tisch und kramte einen Moment hektisch in dem Durcheinander darauf herum, bis er sein Etui fand und sich mit zitternden Fingern eine Zigarette entzündete.

»Entschuldige«, sagte er. »Ich bin...« Er hob die Schultern und räusperte sich, bevor er von neuem ansetzte. »Ich habe wohl ein wenig zu heftig reagiert«, gestand er ein. »Es tut mir Leid.«

»Du solltest dich lieber bei Tom entschuldigen«, sagte Mogens, aber diesmal erntete er nur ein Kopfschütteln und ein hartes, humorloses Lachen.

»Wo denkst du hin, Mogens? Wenn man erst einmal anfängt, sich bei Untergebenen zu entschuldigen, dann ist der Respekt bald dahin. Tom wird es überstehen, ohne seelischen Schaden zu nehmen.« Er spuckte eine Qualmwolke in Mogens' Richtung. »Wir sollten uns nicht streiten, Mogens. Dafür ist unsere Zeit einfach zu kostbar. Es sind nur noch zwei Tage.«

»Zwei Tage bis wann?«

»Vollmond«, antwortete Graves. »Nicht einmal mehr ganz, morgen Nacht ist Vollmond. Ich dachte, du wüsstest das.«

Mogens seufzte. »Und ich dachte, du hättest diesen Unsinn endlich vergessen.«

»Unsinn?« Graves runzelte demonstrativ die Stirn. Dann warf er seine Zigarette auf den Boden, trat sie aus und kam mit schnellen Schritten um den Tisch herum. »Komm mit, Mogens.«

»Wohin?«

»Ich möchte dir ein wenig Unsinn zeigen«, antwortete Graves. »Komm!«

26.

Das Tuckern des Generators kam ihm wenn schon nicht lauter, so doch unregelmäßiger vor als in der Vergangenheit. Etwas Neues war hinzugekommen, das man nur hier unten hören konnte, so als bereite es der Maschine nun mehr Mühe, die Aufgabe zu erfüllen, für die sie erbaut worden war, was sich in einer Art mechanischem Schnauben bemerkbar machte. Es war ein Laut, der gerade an der Grenze des wirklich noch Hörbaren kratzte und Mogens vielleicht gerade deshalb umso mehr beunruhigte.

Letzten Endes hatte er doch resigniert und sich bereit erklärt, Graves hier herab zu folgen, und auch wenn ihm Graves sein Ehrenwort verpfändet hatte, dass sie der Tempelkammer nicht einmal nahe kommen würden, war es doch eine weitere Niederlage; eine weitere winzige Bresche in einer fast regelmäßigen Aneinanderreihung von winzigen Breschen in seiner Verteidigung, die am Ende unweigerlich zu deren Zusammenbruch führen musste. Mogens hasste ihn auch dafür.

»Dort drüben.« Sie hatten den ersten, noch an eine auf natürliche Weise entstandene Höhle erinnernden Raum erreicht, in dem Hyams' großer Arbeitstisch stand, und Graves deutete mit einer Handbewegung nach links, in das Halbdunkel jenseits des von elektrischem Licht erhellten Bereichs hinein. Mogens' Blick folgte der Geste, aber er erkannte nur ein Durcheinander von Schemen und unterschiedlichen Abstufungen von Grau und Schwarz. Obwohl er schon ein Dutzend Mal hier unten gewesen war, hatte er diesem Raum nur insofern Aufmerksamkeit gezollt, dass er ihn möglichst schnell durchquerte, um zum eigentlichen Objekt seiner Neugier zu gelangen - und Hyams und den beiden anderen dabei möglichst aus dem Weg zu gehen. Tatsächlich wurde ihm erst in diesem Moment klar, dass er sich niemals auch nur gefragt hatte, was seine drei Kollegen hier unten eigentlich taten.

Er bedeutete Graves mit einer einladenden Geste, vorauszugehen. Graves verdrehte zwar die Augen, aber er gehorchte. Mogens folgte ihm.

Die Höhle erwies sich als größer, als er bisher angenommen hatte. Es gab Durchgänge zu mindestens zwei oder drei weiteren Räumen, die Graves aber ignorierte, während Mogens versuchte, im Vorbeigehen zumindest einen Blick hinein zu erhaschen. Was er sah, war jedoch enttäuschend. Leere Höhlen unterschiedlicher Form und Abmessung, die keine Spuren menschlicher Bearbeitung aufwiesen. Eine davon schien Graves zu nutzen, um den Generator und andere technische Gerätschaften darin unterzubringen. Mogens konnte in der Dunkelheit jenseits des niedrigen Eingangs zwar nichts erkennen, aber das röchelnde Tuckern des Generators drang daraus hervor, und ein ganzes Bündel dick isolierter Gummikabel und -schläuche ringelte sich schwarzen Schlangen gleich vor ihm über den Boden.

»Das hier ist der Teil, den wir zuerst entdeckt haben«, erklärte Graves, während er so sicher und schnell durch die Dunkelheit eilte, als hätte er die Nachtsicht einer Katze. »Natürlich war damals hier noch alles voller Schutt und Geröll. Man hätte keinen Schritt tun können, ohne Gefahr zu laufen, sich den Hals zu brechen. Tom und ich haben fast einen Monat gebraucht, um hier aufzuräumen, und beinahe noch einmal so lange, um den Generator hier herunterzuschaffen und die Kabel zu verlegen.«

»Das habt ihr aber nicht allein getan«, sagte Mogens zweifelnd.

»Nur Tom und ich«, behauptete Graves. »Wir mussten das verdammte Ding in sämtliche Einzelteile zerlegen und hier unten wieder zusammenbauen. Wobei das Zerlegen der einfachere Teil war.« Er lachte leise. »Ohne Tom hätte ich es vermutlich nie geschafft. Der Junge ist ein Genie, wenn es um Maschinen geht. Manchmal habe ich das Gefühl, er braucht sie nur anzusehen, damit alles wieder funktioniert.«