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Er kam gerade noch rechtzeitig, um die schlimmste Katastrophe zu verhindern. Tom kämpfte tapfer mit seiner Last, aber einmal aus dem Gleichgewicht gekommen, hatte er keine Chance. Er kippte hilflos nach vorn und zugleich zur Seite und wäre unweigerlich gestürzt, hätte Mogens ihn nicht in letzten Augenblick erreicht und mit beiden Händen beherzt zugegriffen. Wenigstens versuchte er es.

Die Kiste war so schwer, dass Mogens unter ihrem Gewicht ebenfalls ins Straucheln geriet und im nächsten Augenblick in die Knie sank. Die schwere hölzerne Kiste entglitt seinen Händen vollends und polterte zu Boden, als auch Tom den Kampf gegen die Schwerkraft endgültig verlor und losließ. Immerhin gelang es ihnen auf diese Weise, den mehr als mannsgroßen Kasten zwar hart, aber doch einigermaßen unbeschädigt auf den Boden gleiten zu lassen.

»Verdammt, passt doch auf!« Graves war mit zwei schnellen Schritten heran und schwenkte seine Lampe hin und her, um die Kiste besorgt zu begutachten. »Ist etwas passiert?«

»Mir nicht«, antwortete Mogens ärgerlich, »und deiner wertvollen Kiste offensichtlich auch nicht.«

Er stemmte sich ächzend wieder in die Höhe und warf gleichzeitig einen raschen, besorgten Blick auf Tom hinab. Der Junge beantwortete ihn mit einem raschen Kopfschütteln und einem flüchtigen Lächeln, das aber kaum so lange Bestand hatte, wie es brauchte, um überhaupt zu entstehen. Dann sah er Graves an, und ein Ausdruck nur noch mühsam unterdrückter Furcht ergriff von seinem blassen Gesicht Besitz.

»Das will ich hoffen«, knurrte Graves. Er stellte seine Lampe auf den Boden, ließ sich auf die Knie fallen und tastete mit zitternden Händen über das Holz. »Du hast ja keine Ahnung, wie wichtig diese Kisten sein könnten.«

»Aber ich bin sicher, du wirst es mir gleich sagen, Jonathan«, antwortete Mogens spöttisch. Er wandte sich ganz zu Tom um. »Ist alles in Ordnung?«

»Mir ist nichts passiert«, sagte Tom rasch. Mit einer ebenso raschen, fast anmutig erscheinenden Bewegung stand er endgültig auf und fuhr sich glättend über seine Kleider. Mogens fiel auf, dass seine Hose über dem rechten Knie zerrissen war, und darunter glaubte er Blut zu sehen. Aber er sagte nichts. Er war sicher, dass es Tom peinlich gewesen wäre.

Überhaupt sah er den Jungen plötzlich mit anderen Augen als noch vor einer halben Stunde. Er hatte schließlich am eigenen Leib gespürt, wie schwer diese Kiste war. Es war ihm ein Rätsel, wie Tom es fertig gebracht hatte, sie den gesamten Tunnel allein entlangzuschleppen. Wie es ihm gelungen war, dieses Monstrum die Leiter herunterzuschaffen, vermochte er sich nicht einmal vorzustellen.

Graves hatte die äußerliche Inspektion mittlerweile beendet und robbte auf den Knien um die Kiste herum und beugte sich vor. Mogens hörte ein schweres, metallenes Schnappen. »Hilf mir mal!«, befahl Graves.

Sein Ton gefiel Mogens nicht, aber diese sonderbare Kiste - und viel mehr noch Graves' bemerkenswertes Verhalten - hatten seine Neugier geweckt. Weit langsamer und auch deutlich umständlicher, als es Graves augenscheinlich recht war, ging er um die Kiste herum und ließ sich neben ihm in die Hocke sinken. Aus der Nähe betrachtet wirkte die Kiste tatsächlich - Mogens erinnerte sich an das Gespräch, das Tom und er auf der Herfahrt geführt hatten - wie ein Sarg, wenn auch ein ungewöhnlich massiver Sarg. Er war deutlich über sechs Fuß lang und knappe zwei breit und schien aus massiven Eichenbohlen zu bestehen, die nicht genagelt oder verzapft, sondern sorgsam verschraubt und zusätzlich mit breiten Eisenbändern verstärkt waren. Das Schnappen, das Mogens gehört hatte, stammte von zwei wuchtigen Schnappschlössern, die von massiven Federn an Ort und Stelle gehalten wurden. Als Graves mit beiden Händen nach dem Deckel griff und Mogens mit einer Kopfbewegung dazu aufforderte, ihm zu helfen, spürte er, wie ungemein schwer er war. Das bizarre Gebilde musste mehrere Zentner wiegen.

Sein Inneres bot einen beinahe noch absonderlicheren Anblick. Boden und Wände waren mit einem seltsamen Gewebe gepolstert, das eher an Metall als an Stoff erinnerte, und es gab vier wuchtige Vorrichtungen, die unschwer als Hand- und Fußfesseln zu erkennen waren, und als sie den Deckel weiter aufklappten, konnte Mogens eine Anzahl von Luftlöchern darin erkennen. Er sog scharf die Luft ein. »Das ist...«

»... genau das, wofür du es hältst«, fiel ihm Graves ins Wort. Er beugte sich vor. Seine Finger tasteten prüfend über das Innere des Sarges. Erst nach einer geraumen Weile richtete er sich auf, stützte die Fäuste auf die Oberschenkel und ließ ein erleichtertes Seufzen hören. »Anscheinend ist nichts beschädigt«, sagte er.

»Du, du hast das nicht wirklich vor?«, fragte Mogens fassungslos.

»Eine dieser Bestien zu fangen?« Graves nickte heftig. »Was hast du gedacht?«

»Aber...«, begann Mogens, nur, um sofort wieder von Graves unterbrochen zu werden.

»Was hast du gedacht, wie wir die Welt von der Existenz dieser Geschöpfe überzeugen sollen? Glaubst du etwa, es reicht, wenn wir beide uns auf ein Podium stellen und ein wenig über unsere Erlebnisse plaudern?« Er schüttelte zornig den Kopf. »Gewiss nicht! Wir brauchen einen Beweis, Mogens, einen handfesten Beweis! Wir müssen eine dieser Bestien fangen, und zwar lebendig! Nur so können wir die Welt davon überzeugen, dass es sie gibt!«

Mogens starrte ihn ebenso fassungslos wie entsetzt an. So unglaublich es ihm auch selbst erschien - er hatte bisher nicht einmal darüber nachgedacht, wie Graves seinen ebenso ehrgeizigen wie wahnwitzigen Plan in die Tat umsetzen wollte. »Das kannst du nicht wirklich ernst meinen«, murmelte er.

»Hast du eine bessere Idee?«, fragte Graves gehässig. »Ich bin für konstruktive Vorschläge immer offen.«

»Aber wie...« Mogens rang ebenso vergeblich um Worte, wie er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. »Wie willst du das schaffen?«, stammelte er. »Wie willst du eines von diesen... Dingern einfangen?«

»Aber das sollte dir doch eigentlich klar sein, mein lieber Professor«, antwortete Graves mit einem süffisanten Lächeln. »Wie fängt man eine Beute, die sich nicht fangen lassen will? Mit einem Köder.«

27.

Obwohl Mogens fast schon gewaltsam darauf bestanden hatte, ihm zu helfen, hatte Tom sich nicht davon abbringen lassen, auch die beiden anderen Kisten allein in die Höhle hinunterzuschaffen. Letztendlich hätte er es ihm einfach befehlen können, aber Mogens wusste auch, dass er damit mehr Schaden als Nutzen anrichten würde; das Einzige, worauf er bestand war, dass Tom zu Miss Preussler ging, um sein verletztes Knie versorgen zu lassen.

Sheriff Wilson kam zwei Stunden später. Mogens war in seine Unterkunft zurückgekehrt, um seine Gedanken zu ordnen und zu einem Entschluss zu gelangen, aber natürlich gelang ihm weder das eine noch das andere. Als er das Geräusch des Automobils hörte und aus dem Fenster sah und Wilsons Wagen erkannte, war er regelrecht erleichtert. Er verließ das Haus und eilte in Schlangenlinien über den aufgeweichten Platz, um den zahllosen Pfützen auszuweichen, die seit dem vergangenen Abend deutlich schlammiger geworden waren, aber kaum kleiner.

Wilson hatte vor Graves' Hütte angehalten und war halb aus dem Wagen gestiegen, aber seine rechte Hand lag noch immer auf dem Lenkrad, und als Mogens bei ihm anlangte, drückte er gerade zum dritten Mal auf die Hupe. Das misstönende Quaken zeitigte jedoch keinerlei Erfolg. Die Tür zum Blockhaus blieb verschlossen. Das einzige Ergebnis seiner Bemühungen war, dass die Tür einer anderen Hütte aufflog und Miss Preussler unter der Öffnung erschien, um ihm einen tadelnden Blick zuzuwerfen.

»Ich an Ihrer Stelle würde mit dem Lärm aufhören«, sagte Mogens.

Wilson fuhr fast erschrocken herum und sah eine Sekunde lang regelrecht hilflos aus, aber seine Hand blieb weiter auf dem Lenkrad liegen. »Professor VanAndt!«