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Ben Bova

Asteroidensturm

Prolog: Selene

Amanda umklammerte den Arm ihres Manns, als Martin Humphries unangekündigt und uneingeladen auf der Hochzeitsfeier erschien.

In der Pelican Bar wurde es totenstill. Die Menge, die Amanda und Lars Fuchs mit schlüpfrigen Witzen und lunarem ›Raketensaft‹ lautstark gratuliert hatten, erstarrte plötzlich, als ob der Ort mit Flüssigstickstoff geflutet worden wäre. Fuchs tätschelte seiner Frau sanft und beschützend die Hand und schaute grimmig zu Humphries auf. Selbst Pancho Lane, die sonst nie um einen flapsigen Spruch verlegen war, blieb reglos an der Bar stehen. In der einen Hand hielt sie ihren Drink, die andere ballte sie zur Faust.

Eigentlich verirrte Humphries sich nie in den Pelican. Es war die Bar der Arbeiter, der Treffpunkt in Selenes unterirdischem Labyrinth aus Tunnels und Kammern, wo die Leute, die auf dem Mond lebten und arbeiteten, sich in der Gesellschaft ihrer Kameraden entspannten. Die Großkopferten wie Humphries frequentierten hingegen die noble Lounge oben in der Grand Plaza, wo die Manager und Touristen sich tummelten.

Humphries schien ihre Feindseligkeit indes gar nicht zu tangieren und absolvierte souverän das Spießrutenlaufen unter den bösen Blicken der Leute. Er wirkte hier völlig fehl am Platz: ein schmaler, manikürter Mann in einem maßgeschneiderten königsblauen Geschäftsanzug inmitten der jungen, proletarischen Bergleute und Maschinisten in ihren schäbigen, ausgebleichten Overalls und mit Ohrsteckern aus Asteroidensteinen. Selbst die Frauen muteten kräftiger und muskulöser an als Humphries.

Humphries’ Gesicht wirkte weich und konturlos, doch seine Augen sprachen eine ganz andere Sprache. Sie waren grau und mitleidlos, glichen Splittern aus Feuerstein und hatten die gleiche Farbe wie die Felswände und niedrige Decke der unterirdischen Bar.

Er ging zielstrebig durch die stille, missmutige Menge zum Tisch, an dem Amanda und Fuchs saßen.

»Ich weiß, dass ich nicht zu eurer Party eingeladen bin«, sagte er mit ruhiger und fester Stimme. »Ich hoffe, ihr verzeiht mir mein unangemeldetes Erscheinen. Ich werde auch nicht lang bleiben.«

»Was wollen Sie?«, fragte Fuchs mit finsterem Blick, ohne sich von seinem Stuhl neben seiner Braut zu erheben. Er war dunkelhaarig und ein Bär von einem Mann — mit einer Tonnenbrust und kurzen, muskelbepackten Armen und Beinen. Der Knopf im linken Ohr war ein Diamant, den er in seiner Studentenzeit in der Schweiz gekauft hatte.

»Ich will Ihre Frau«, sagte Humphries mit einem sehnsüchtigen Lächeln, »aber sie hat Ihnen den Vorzug gegeben.«

Nun erhob Fuchs sich doch langsam vom Stuhl und ballte die großen Hände mit den dicken Fingern zu Fäusten. Alle Anwesenden im Pub richteten den Blick auf ihn und hielten den Atem an.

Amanda schaute von Fuchs zu Humphries und wieder zurück. Sie schien der Panik nahe. Sie war eine außergewöhnlich schöne Frau mit großen Augen in einem unschuldigen Gesicht und mit einer Figur, bei der Männer ins Schwärmen gerieten und Frauen mit unverhohlenem Neid sie anstarrten. Sogar in einem schlichten weißen Springeranzug sah sie bezaubernd aus.

»Lars«, flüsterte Amanda. »Bitte.«

Humphries hob beide Hände, sodass die Handflächen nach vorn wiesen. »Vielleicht habe ich mich etwas unglücklich ausgedrückt. Ich bin nicht gekommen, um Streit zu suchen.«

»Wieso sind Sie dann gekommen?«, fragte Fuchs mit einem leisen Knurren.

»Um euch ein Hochzeitsgeschenk zu überreichen«, sagte Humphries mit einem Lächeln. »Als Friedensangebot … sozusagen.«

»Ein Geschenk?«, fragte Amanda.

»Falls ihr es von mir annehmt«, sagte Humphries.

»Was ist es überhaupt?«, fragte Fuchs.

»Die Starpower 1

Amanda riss die himmelblauen Augen so weit auf, dass sie schier aus den Höhlen quollen. »Das Schiff?«

»Es gehört euch, wenn ihr es denn haben wollt. Ich werde sogar die erforderliche Überholung bezahlen, um es wieder raumtüchtig zu machen.«

Die Menge regte sich, seufzte und murmelte. Fuchs warf einen Blick auf Amanda und sah, dass Humphries’ Angebot sie völlig aus der Fassung gebracht hatte.

»Ihr könnt damit zum Gürtel zurückfliegen und Asteroidenbergbau betreiben«, sagte Humphries. »Es gibt viele Felsbrocken dort draußen, die ihr beanspruchen und erschließen könnt.«

Wider Willen war Fuchs beeindruckt. »Das ist … sehr großzügig von Ihnen, Sir.«

Humphries setzte wieder sein Lächeln auf. »Ihr Frischvermählten müsst schließlich von irgendetwas leben«, sagte er mit einer beiläufigen Handbewegung. »Fliegt los, sichert euch ein paar Felsen, bringt das Erz zurück, und ihr werdet ausgesorgt haben.«

»Sehr großzügig«, murmelte Fuchs.

Humphries streckte die Hand aus. Fuchs zögerte für einen Moment und ergriff sie dann mit seiner schweren Pranke, wobei er sie förmlich umschloss. »Danke, Mr. Humphries«, sagte er und schüttelte Humphries’ Arm wie einen Pumpenschwengel. »Vielen Dank.«

Amanda sagte nichts.

Humphries befreite sich aus Fuchs’ Griff und verließ ohne ein weiteres Wort die Bar. Nun geriet die Menge in Wallung und stimmte Dutzende von Unterhaltungen an. Ein paar Leute drängten sich um Fuchs und Amanda, gratulierten ihnen und boten ihnen an, ihnen mit dem Schiff zu helfen. Der Inhaber des Pelican schmiss ’ne Lokalrunde, und alle setzten sich in Richtung Bar in Bewegung.

Pancho Lane bahnte sich jedoch einen Weg durch die Menge und ging durch die Tür in den Tunnel, in dem Humphries zur Rolltreppe ging, die zu seinem Quartier im Untergeschoss von Selene führte. In der niedrigen Mondschwerkraft holte sie ihn mit ein paar langen Schritten ein.

»Ich dachte, man hätte Sie aus Selene ausgewiesen«, sagte sie.

Humphries musste zu ihr aufschauen. Pancho war schlank und schlaksig und hatte eine mokkafarbene Haut — nicht viel dunkler als die Bräunung, die eine weiße Frau unter der glühenden Sonne ihres heimatlichen Westtexas bekommen würde. Das dunkle Haar hatte sie zu kurzen Ringellöckchen gestutzt.

Er schnitt eine Grimasse. »Meine Anwälte werden in Berufung gehen. Sie können mich nicht ohne ordentliches Gerichtsverfahren ins Exil schicken.«

»Aber das könnte Jahre dauern, nicht?«

»Mindestens.«

Pancho hätte ihn am liebsten in eine Rakete gesteckt und zum Pluto geschossen. Humphries hatte die Starpower 1 auf ihrer ersten — und bisher einzigen — Mission zum Gürtel sabotiert. Dan Randolph war durch seine Schuld umgekommen. Sie musste an sich halten, um nicht die Beherrschung zu verlieren.

»Sie waren damals schon recht großzügig«, sagte Pancho mit aller Ruhe, die sie aufzubringen vermochte.

»Ein Liebesbeweis eben«, erwiderte er, ohne den Schritt zu verlangsamen.

»Ja, sicher.« Pancho hielt locker mit ihm Schritt.

»Noch was?«

»Zum einen steht es nicht in Ihrem Ermessen, dieses Raumschiff zu verschenken. Es gehört …«

»Gehörte«, sagte Humphries schroff. »Vergangenheit. Wir haben es schon abgeschrieben.«

»Abgeschrieben? Wann denn? Wie, zum Teufel, konnten Sie das tun?«

Humphries musste lachen. »Sehen Sie, Frau Direktorin? Wir im Vorstand haben etliche Tricks in petto, von denen ein Schraubfix wie Sie keine Ahnung hat.«

»Scheint so«, sagte Pancho. »Aber ich werde schon noch dahinterkommen.«

»Natürlich werden Sie das.«

Pancho war gegen Humphries’ hartnäckigen Widerstand neu in den Vorstand der Astro Manufacturing gewählt worden. Das war Dan Randolphs letzter Wunsch gewesen.

»Dann haben Sie die Starpower 1 schon nach einem Flug abgeschrieben?«

»Sie ist bereits veraltet«, sagte Humphries. »Das Schiff hat seine Schuldigkeit getan und die Praxistauglichkeit der Fusionsantriebstechnologie unter Beweis gestellt. Nun können wir bessere Raumschiffe bauen, die spezifisch für den Asteroidenbergbau konstruiert sind.«