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»Es ist trotzdem lächerlich«, grummelte Humphries.

»Sie verzeihen, wenn ich widerspreche, Sir«, sagte die Assistentin. Ihre Worte waren respektvoll, doch der Ausdruck auf ihrem Gesicht wirkte beinahe selbstgefällig. »Es ergibt durchaus einen Sinn.«

»Wirklich?«

»Wenn sie in der Lage wären, ein Habitat zu bauen und durch Rotation eine künstliche Schwerkraft zu erzeugen, die annähernd dem Schwerefeld auf dem Mond entspricht, wäre das der Gesundheit der Leute, die für Monate oder gar Jahre dort draußen leben, zuträglicher. Knochen und Muskeln werden über einen langen Zeitraum in der Schwerelosigkeit abgebaut.«

»Hmm.«

»Außerdem, Sir, hätte das Habitat einen Strahlenschutz auf dem Niveau der modernsten Raumschiffe. Oder sogar noch besser.«

»Aber die Prospektoren müssen noch immer in den Gürtel fliegen und ihre Ansprüche an den Asteroiden geltend machen.«

»Sie sind gesetzlich verpflichtet, auf dem jeweiligen Asteroiden präsent zu sein, damit ihr Anspruch rechtskräftig wird«, pflichtete die Assistentin ihm bei. »Anschließend können sie den Felsbrocken jedoch aus der Ferne bearbeiten.«

»Aus der Ferne? Die Entfernungen sind doch viel zu groß für Telepräsenz. Ein Signal würde Stunden brauchen, um den Gürtel zu durchqueren.«

»Sir«, sagte die Assistentin steif, »es befinden sich etwa fünftausend erzhaltige Asteroiden im Radius von einer Lichtminute um Ceres. Das ist nah genug für Telepräsenz, meinen Sie nicht?«

Humphries wollte ihr nicht die Genugtuung verschaffen, Recht zu haben. Stattdessen erwiderte er: »Wir sollten diese Asteroiden lieber von unseren eigenen Leuten sichern lassen, bevor die Felsenratten sie sich alle unter den Nagel reißen.«

»Ich werde das sofort veranlassen«, sagte die Assistentin. Dabei wurden ihre verführerischen Lippen von einem Lächeln gekräuselt, das zeigte, dass sie auch schon mit diesem Gedanken gespielt hatte. »Und Bergbauteams.«

»Die Beanspruchung der verdammten Felsen ist im Moment wichtiger als Bergbau.«

»Verstanden«, sagte sie. »Die Vorstandssitzung findet morgen früh um zehn statt«, fügte sie hinzu. »Sie haben mich gebeten, Sie daran zu erinnern.«

Er nickte. »Ja, ich weiß.« Ohne ein weiteres Wort tippte er auf die Tastatur auf dem Nachttisch, und ihr Bild auf dem Wandbildschirm verblasste.

Er kuschelte sich tiefer in die Kissen und hörte die Frau, mit der er die Nacht verbracht hatte, unter der Dusche singen. Unmelodisch. Nun, dafür hat sie andere Talente, sagte er sich.

Fuchs. Der Gedanke an Lars Fuchs verdrängte alle anderen Gedanken aus seinem Kopf. Er ist mit Amanda dort draußen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass sie es dort draußen in dieser Wildnis mit ihm aushält. Das ist doch nichts für sie — in einem engen Schiff zu leben wie eine Zigeunerin, wie eine Vagabundin dort draußen im Leerraum umherzustreifen. Sie sollte hier bei mir sein. Sie gehört zu mir.

Ich habe einen Fehler gemacht, was ihn betrifft. Ich habe ihn unterschätzt. Er ist kein Narr. Er betreibt nicht nur Bergbau. Er errichtet ein Imperium dort draußen. Mit Pancho Lanes Hilfe.

Die junge Frau erschien in der Badezimmertür; sie war nackt, und ihre makellose Haut glänzte seidig. Sie warf sich in eine verführerische Pose und lächelte Humphries an.

»Haben wir noch Zeit für eine Nummer? Kannst du schon wieder?« Ihr Lächeln wurde leicht anzüglich.

Wider Willen regte sich etwas bei Humphries. Aber er sagte schroff: »Nicht jetzt. Ich habe zu arbeiten.«

Dieses Fickchen könnte noch zur Sucht werden, sagte er sich. Ich sollte sie besser wieder auf die Erde versetzen lassen.

* * *

Martin Humphries trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Schreibtisch und wartete darauf, dass diese Trantüten von Technikern die Verbindungen herstellten, damit die Vorstandssitzung endlich beginnen konnte.

Nach all den Jahren sollte man eigentlich meinen, dass die Schaltung einer simplen Virtuelle-Realitätskonferenz mit einem halben Dutzend Idioten, die sich weigern, die Erde zu verlassen, eine leichte Übung wäre, sagte er sich zornig. Er hasste es, zu warten. Überhaupt hasste er es, von irgendjemandem oder irgendetwas abhängig zu sein.

Humphries wollte Selene nicht verlassen. Sein Zuhause war auf dem Mond, sagte er sich, nicht auf der Erde. Alles, wonach es ihn gelüstete, gab es hier in der unterirdischen Stadt, und wenn etwas fehlte, ließ er es eben nach Selene schicken. Im Rechtsstreit mit Selene hatte er einen Vergleich erwirkt, sodass man ihn nicht wieder auf die Erde zurückzuschicken vermochte.

Die Erde war dem Untergang geweiht. Die durch die Klimakatastrophe verursachten Fluten hatten die meisten Küstenstädte zerstört und Hunderte Millionen Menschen obdachlos und zu Nomaden gemacht, die alle vom Hungertod bedroht waren. Ackerland verdorrte, und Tropenkrankheiten breiteten sich in Gebieten aus, die man früher als die gemäßigten Breiten bezeichnet hatte. Die Stromversorgung brach zusammen und wurde nur notdürftig wieder instand gesetzt. Es wurden Wellen von Terroranschlägen mit biologischen Waffen verübt, während zerfallende Nationen ihre Raketen scharf machten und sich gegenseitig mit einem Atomkrieg bedrohten.

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, sagte Humphries sich. Trotz aller Anstrengungen der so genannten Weltregierung, trotz der Fundamentalisten der Neuen Moralität — welche die Zügel der politischen Macht straff anzogen —, trotz der Suspendierung der Bürgerrechte auf dem ganzen Globus, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich mit Atomwaffen gegenseitig im Orkus versenken.

Da ist es hier auf dem Mond entschieden sicherer; hier bin ich weit entfernt von Tod und Vernichtung. Wie pflegte Dan Randolph zu sagen? Wenn es hart auf hart kommt, gehen die harten Jungs — den leichten Weg.

Humphries nickte und setzte sich auf seinen hochlehnigen Stuhl. Er war allein im luxuriösen Büro, kaum zwanzig Meter vom Schlafzimmer entfernt. Die meisten Vorstände von Humphries Space Systems lebten nun auch in Selene, obwohl kaum einer von ihnen Zutritt zu diesem Haus hatte. Sie blieben in ihren eigenen Unterkünften und oder kamen in die HSS-Büros im Turm oben auf der Grand Plaza.

Verdammte Zeitverschwendung, sagte Humphries sich. Der Vorstand ist auch nur eine Versammlung von Pappkameraden. Das einzige Mitglied, das ihm je Schwierigkeiten gemacht hatte, war Dad, und der ist nun tot. Wahrscheinlich versucht er Petrus gerade beizubringen, wie er den Himmel managen soll. Oder, was wahrscheinlicher ist, er zofft sich in der Hölle mit Satan.

»Wir sind so weit, Sir«, ertönte die samtige Stimme der Assistentin in Humphries’ Stereoohrhörern.

»Dann legen Sie los.«

»Und haben Sie auch die Brille auf, Sir?«

»Ich trage die Kontaktlinsen seit fast einer verdammten Viertelstunde!«

»Natürlich.«

Dann sagte die junge Frau nichts mehr. Im nächsten Moment materialisierte der lange Konferenztisch, der nur in Humphries’ Computerchips existierte, vor seinen Augen. Auf jedem Platz saß ein Vorstandsmitglied. Die meisten von ihnen wirkten leicht irritiert, doch nachdem sie sich auf den Stühlen umgedreht und sich davon überzeugt hatten, dass auch alle da waren, unterhielten sie sich ungezwungen miteinander. Das halbe Dutzend, das auf der Erde weilte, war im Nachteil, denn es dauerte fast drei Sekunden, bis ein Signal die Rundreise vom Mond zur Erde und zurück bewältigt hatte. Humphries hatte aber nicht vor, darauf Rücksicht zu nehmen; die sechs alten Furzer hatten eh wenig im Vorstand zu melden, sodass er sich wegen ihnen keine Gedanken machen musste. Natürlich hatte jeder viel zu sagen. Humphries wünschte sich, er hätte sie zum Schweigen bringen können. Und zwar für immer.

Er hatte schlechte Laune, als die Sitzung zu Ende ging — er war gereizt und müde. Die Sitzung hatte nichts erbracht außer ein paar Routineentscheidungen, die auch ein Rudel Paviane zu treffen vermocht hätte. Humphries rief über das Interkom die Assistentin an. Nachdem er auf die Toilette gegangen war, die VR-Kontaktlinsen aus den Augen genommen, sich das Gesicht gewaschen und die Haare gekämmt hatte, stand sie im Eingang zum Büro. Sie trug einen kobaltblauen Hosenanzug, der mit Asteroiden-Saphiren geschmückt war.