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«Sie war mir zu anhänglich, wenn Sie’s wissen wollen. Ich habe nichts gegen ein bißchen Spaß, aber ohne Tränen und Gewissensbisse hinterher. Die kleine Angie nahm das alles furchtbar ernst, hatte es immer mit Todsünden und so, ich hatte bald die Nase voll davon und von ihr auch, wenn Sie’s genau wissen wollen. Sie wollte mich heiraten!«Seine Stimme spiegelte die Abartigkeit dieses Gedankens wider.»Ich erzählte ihr, ich hätte es auf eine Erbin von hoher Geburt abgesehen, und sie hätte mir fast die Augen ausgekratzt. Das war manchmal eine richtige kleine Wildkatze, unsere Angie. Und immer scharf! Ich meine, sie stand schon ausgezogen da, bevor man die Frage ganz ausformuliert hatte.«

Ich hörte mir diese Ansichten eines Insiders fasziniert an, und die launische Miss Brickell verwandelte sich plötzlich in eine wirkliche Person. Statt jener traurigen Ansammlung bleicher Knochen hatte ich eine verwirrte, junge Frau vor Augen, mit ausgeprägten Bedürfnissen und noch stärkeren Schuldgefühlen, die zuviel Druck ausübten, die ihr Bedürfnis nach Beichte, ihr starkes Verlangen, womöglich noch ihre Schwangerschaft auf jemanden abgeladen hatte, der das nicht ertragen konnte: jemand, der nur noch einen gewaltsamen Ausweg gesehen hatte, um ihr zu entkommen.

Jemand, kam mir ein Geistesblitz, der wußte, wie leicht Olympia an einem einfachen Würgegriff gestorben war.

Angela Brickell mußte ihren eigenen Tod herausgefordert haben. Ich vermutete, daß Doone das schon die ganze Zeit gewußt hatte.

«Woran denken Sie?«fragte Sam verunsichert.

«Wie sah sie aus?«

«Angie?«

«Mm.«

«Nicht schlecht«, sagte er.»Braunes Haar. Schlanke Figur, kleine Titten, runder Arsch. Sie wünschte sich um alles in der Welt eine größere Brust durch Implantation. Ich riet ihr, die blöden Brustprothesen zu vergessen, was würden denn ihre Babies davon halten? Mann, damit hatte ich ins Schwarze getroffen. Sie hörte gar nicht mehr auf zu schreien. War nicht gerade einfach mit Angie, aber auf der Matratze war sie spitze.«

Was für eine Grabinschrift, dachte ich. Gehört direkt in Stein gemeißelt.

Sam schaute über die Fluten des Flusses und sog den feuchten Geruch der Morgenluft ein, als würde er das Bouquet eines edlen Weines riechen; ich dachte, daß er viel mehr als ich durch seine Sinne lebte, daß er intensiv darin aufging, unbefangen mit Sex umzugehen und sämtliche Gefahren zu mißachten.

Als wollte er die Mordgeschichte wie eine vorübergehende Unannehmlichkeit von sich abschütteln, sagte er gutgelaunt:

«Gehen Sie heute abend zu Tremaynes Ehrenschmaus?«

«Ja. Sie auch?«

Er grinste.»Sie scherzen wohl. Ich würde erschossen, wenn ich nicht mitjubeln würde. Und außerdem«, er zuck-te die Achseln, wie um seine Gefühlsduselei zu verleugnen,»der alte Knabe hat es verdient. Er ist eigentlich ganz prima, wissen Sie.«

«Dann sehen wir uns dort«, sagte ich zustimmend.

«Wenn ich mir nicht den Hals breche. «Das war zwar flapsig dahergesagt, sollte aber, genau wie das Daumendrücken, lediglich das Schicksal beschwören.»Ich verrate diesem blöden Polizisten lieber, wo der Hauptschalter für das Licht ist. Ich habe das so getrickst, daß es keiner findet, weil ich nicht will, daß hier nachts irgendwer herumschleicht und sich auch noch Licht anmacht. Das hieße, dem Vandalismus Tür und Tor zu öffnen. Wenn die Bullen hier fertig sind, können sie den Strom ausschalten.«

Er rannte zu Doone, der noch immer in sein Notizbuch schrieb, und als ich wegfuhr, gingen sie gemeinsam auf den großen Bootsschuppen zu.

Obwohl ich auf dem Heimweg noch die Wocheneinkäufe erledigt hatte, war ich zum verabredeten Zeitpunkt in Shellerton zurück, so daß Tremayne mit seinem Volvo nach Newbury fahren konnte. Er hatte drei Pferde im Transporter vorausgeschickt, und er nahm Mackie zu seiner Unterstützung mit; mich ließ er mit meinem langsam wachsenden ersten Kapitel im Eßzimmer zurück.

Als sie weg waren, kam Dee-Dee herein, um wie so oft in Gesellschaft der sortierten Zeitungsausschnitte ihren Kaffee zu trinken.

«Hoffentlich macht es Tremayne nichts aus, wenn ich die alle mit nach Hause nehme«, sagte ich.

«Nach Hause…«Dee-Dee lächelte.»Er möchte nicht, daß Sie nach Hause gehen, wissen Sie das nicht? Er möchte, daß Sie das ganze Buch hier schreiben. Er wird Ihnen schon bald ein Angebot machen, das Sie nicht ablehnen können.«

«Ich bin nur einen Monat hier. So war es abgemacht.«

«Damals kannte er Sie noch nicht. «Sie nahm ein paar Schlucke von ihrem Kaffee.»Er möchte Sie für Gareth, glaube ich.«

Das war nicht abwegig, dachte ich; und ich war mir nicht sicher, ob ich gehen oder hierbleiben sollte, falls Dee-Dee recht behalten würde.

Nachdem sie wieder gegangen war, versuchte ich, am Buch weiterzuarbeiten, konnte mich aber nicht recht konzentrieren. Die Falle in Sams Bootshaus schob sich immer wieder dazwischen, ebenso Angela Brickell; die kalte Drohung gelblichen Wassers, das in schmerzende Lungen eindrang und Vergessen brachte, und das erdverbundene Mädchen, das von der Erde zurückgefordert wurde, von Erdlebewesen saubergenagt wurde und als Staub in die Erde zurückgekehrt war.

Unter der Oberfläche des alltäglichen Lebens in Shellerton schwamm der mörderische Fisch wie ein Hai, geräuschlos, unbekannt, und ließ sich neue Zähne wachsen. Ich hoffte, daß er Doone bald ins Netz gehen würde, aber ich glaubte nicht so recht daran.

Am Nachmittag rief Fiona an, um mir zu sagen, daß sie Harry abgeholt habe und er mich sehen wolle. Mit einem Seufzer, aber ohne mich groß dagegen zu sträuben, ließ ich meine leere Seite im Stich und marschierte ins Dorf hinunter.

Fiona umarmte mich wie einen verlorengeglaubten Bruder und behauptete, Harry sei immer noch nicht ganz klar im Kopf. Er sagte jetzt, er würde sich daran erinnern, wie er ertrank. Wie könne sich jemand an das eigene Ertrinken erinnern?

«So was vergißt man nicht so leicht, könnte ich mir vorstellen.«

«Aber er ist doch nicht ertrunken!«»Er war nahe dran.«

Sie führte mich in das grün- und rosafarbene Wohnzimmer, wo Harry, blaß und mit dunkelblauen Ringen unter den Augen, in einem Lehnsessel saß und sein verbundenes Bein auf einem großen, gepolsterten Hocker hochgelegt hatte.

Er begrüßte mich mit einem matten Lächeln:»Hallo. Kennen Sie eine Medizin gegen Alpträume?«

«Ich habe meine im Wachzustand«, sagte ich.

«Gütiger Gott. «Er schluckte schwer.»Was ist wirklich passiert, und was ist nicht passiert?«

«Das, woran Sie sich erinnern, ist passiert.«

«Fast ertrunken?«

«Mm.«

«Also bin ich nicht verrückt?«

«Nein. Nur vom Glück verwöhnt.«

«Ich hab’s dir doch gesagt«, redete er auf Fiona ein.»Ich versuchte, nicht zu atmen, aber am Schluß habe ich es einfach getan. Ich wollte nicht, aber ich konnte nichts dagegen tun.«

«Dagegen kann niemand etwas tun«, sagte ich.

«Setzen Sie sich«, sagte Fiona zu mir und gab Harry einen Kuß aufs Haar.»Zum Glück hat Harry soviel Verstand gehabt, Sie mitzunehmen. Und obendrein entschuldigen sich alle bei uns, außer einem niederträchtigen Journalisten, der sagt, es sei möglich, daß ein aufgebrachter Bürger Harry aus dem Weg räumen wollte, um so der wahren Gerechtigkeit auf die Sprünge zu helfen. Ich will, daß Harry ihn verklagt, es ist abscheulich.«

«Mir macht das nichts aus«, sagte Harry auf seine gutmütige Art.»Doone war ziemlich nett zu mir! Das soll mir genügen.«»Wie geht’s dem Bein?«erkundigte ich mich.

«Mies. Es wiegt mindestens eine Tonne. Na ja, wenigstens ist bisher kein Wundbrand eingetreten. «Er hatte einen Scherz machen wollen, doch Fiona schaute ihn erschrocken an.

«Liebling«, sagte er besänftigend,»ich bin mit Antibiotika vollgepumpt, von Tetanusspritzen durchlöchert und gegen alles immunisiert, angefangen bei Cholera und Gelbgeflecktem Bergfieber bis hin zu Tennisarm. Ich weiß es aus wohlinformierten Kreisen, daß ich wahrscheinlich mit dem Leben davonkomme. Wie wäre es mit einem steifen Whisky?«