Выбрать главу

«Ich weiß nicht, was Fiona an Ihnen findet. Ich habe ihr gesagt, Sie sind nur ein Haufen Scheiße mit einer hübschen Fresse, dem man mal gehörig in den Arsch treten muß. Lassen Sie die Finger von ihren Pferden, kapiert?«

Mir war klar, daß er wie alle anderen auch unter der vergifteten Atmosphäre litt, die der Tod von Angela Brickell hervorgerufen hatte, besonders er, der gerade selbst eine anstrengende Verhandlung und Verurteilung hinter sich gebracht hatte. Es bestand nicht die geringste Aussicht, daß ich jemals so gut würde reiten können wie er, und das wußte er mit Sicherheit. Fiona würde ihn nie aus dem Sattel stoßen, um diesen treffenden Begriff aus dem Rennsport zu gebrauchen.

Er stapfte davon und überließ seinen Platz beinahe nahtlos seinem Bruder, der mir die mißglückte Imitation eines Lächelns schenkte und sagte:»Nolan mag Sie nicht besonders, mein Guter.«

«Was Sie nicht sagen.«

Lewis war einigermaßen nüchtern. Wie Nolan schien auch er ohne Begleitung gekommen zu sein, obwohl Harry einmal erwähnt hatte, daß Lewis verheiratet war. Seine Gattin zog es wohl vor, zu Hause zu bleiben und sich den Anblick und die Peinlichkeit ihres betrunkenen Ehemannes zu ersparen.

«Nolan steht gerne im Zentrum der Aufmerksamkeit, und Sie haben ihm seinen Stammplatz streitig gemacht.«

«Unsinn.«

«Fiona und Mackie achten jetzt auf Sie, nicht mehr auf ihn. Und was Tremayne und Gareth angeht. «Er schaute mich schräg von der Seite an.»Passen Sie auf, daß er Ihrem Hals nicht zu nahe kommt.«

«Lewis!«Die Abwesenheit seiner brüderlichen Gefühle schockierte mich mehr als seine Andeutung.»Sie haben doch Ihren Hals für ihn riskiert, oder nicht?«

«Manchmal hasse ich ihn«, sagte er äußerst glaubwürdig und trollte sich von dannen, als habe er bereits genug gesagt.

Die schnatternden Grüppchen der Gäste bildeten immer neue Konstellationen, mit dem Glas in der Hand trennte man sich und begrüßte sich mit Freudenschreien, als wären seit dem Nachmittag Jahrzehnte und nicht nur wenige Stunden vergangen. Tremayne grinste sein schönstes Dauergrinsen und nahm die herzlichen Gratulationen mit glaubwürdiger Bescheidenheit entgegen. Gareth, der aalgleich an meiner Seite aufgetaucht war, raunte mir zufrieden zu:»Er hat es verdient, stimmt’s?«»Allerdings.«

«Das macht einen richtig nachdenklich.«

«Inwiefern?«

«Ich meine, er ist einfach nur Dad. «Er mühte sich ab, seine Gedanken in passende Worte zu fassen.»Jeder hat doch zwei Seiten, oder?«

«Ein kluger Gedanke«, sagte ich lobend.

«Hören Sie auf!«Das Kompliment war ihm peinlich.»Jedenfalls freue ich mich für ihn.«

Er schlängelte sich davon, und nach wenigen Minuten drängte die Menge zum Abendessen. Jeweils zehn Personen setzten sich an einen Tisch, entsprechend viele Hinterteile senkten sich auf unpassende Stühle, Speisekarten wurden gegrapscht, im Kerzenlicht das Kleingedruckte studiert und nebenbei die einem zugeteilten Tischnachbarn beäugt. Ich saß am Tisch Nummer sechs zwischen Mackie und Erica Upton, die bereits Platz genommen hatten.

Vor Erica gab es kein Entrinnen, vermutete ich, obwohl ich Fiona im Verdacht hatte, vor meinem Eintreffen die eine oder andere Tischkarte ausgetauscht zu haben. Sie trug eine Unschuldsmiene zur Schau, die sie sofort verriet.

«Ich bat darum, neben Ihnen zu sitzen«, klärte mich Erica auf, als hätte sie in meinen Gedanken gelesen, während ich mich niederließ,»nachdem ich hörte, Sie würden ebenfalls hierherkommen.«

«Ah… wieso denn?«

«Verfügen Sie über so wenig Selbstvertrauen?«

«Das hängt davon ab, in wessen Gesellschaft ich mich befinde.«

«Und wenn Sie allein sind?«

«Mitten in der Wüste — sehr viel. Mit Papier und Bleistift eher wenig.«»So ist es recht.«

«Und Sie?«fragte ich.

«Solche Fragen beantworte ich nicht.«

Ich nahm die gleiche Steifheit in ihrer Stimme wahr, die man auch in ihrem kerzengeraden Rückgrat beobachten konnte, und erkannte einen eisernen Willen, der sich nicht die geringste Blöße gab.

«Ich könnte Sie heil durch eine Wüste bringen«, sagte ich.

Sie musterte mich durchdringend.»Ich hoffe, das soll kein Kompliment sein.«

«Nur meine Einschätzung«, sagte ich.

«Sie sind mutiger geworden, seit wir uns zuletzt gesehen haben.«

Sie brachte es immer wieder fertig, einen sprachlos dasitzen zu lassen. Zufrieden drehte sie sich um, um sich mit Nolan, ihrem anderen Tischnachbarn, zu unterhalten, und ich, verlassen, fand zu meiner Rechten eine vor Freude strahlende Mackie vor.

«Sie hat einen würdigen Gegner gefunden«, sagte sie.

Bedauernd schüttelte ich den Kopf.»Nein, wenn ich schreiben könnte wie sie oder reiten wie Sam und Nolan… wenn ich nur etwas so gut machen könnte, dann wäre ich glücklich.«

Ihr Lächeln wurde noch süßer:»Versuchen Sie es mit Kochen.«

«Verdammt.«

Sie lachte.»Mir ist zu Ohren gekommen, daß Ihre Bananenpuffer daran schuld waren, daß Gareth verschlafen hat.«

Perkin machte neben ihr eine unverständliche Bemerkung, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und so beobachtete ich eine Zeitlang Tremayne, der der strahlende Mittelpunkt unseres Tisches war und gerade von der Gattin des Sponsors geehrt worden war, einer überspannten Quasselstrippe in unvorteilhaftem Zitronengelb. Er hätte sich offensichtlich lieber mit Fiona, seiner anderen Tischnachbarin, unterhalten, aber die Auszeichnung mußte mit dem Preis der Höflichkeit vergolten werden. Er ließ seinen Blick über die Tafel schweifen, sah mein Lächeln und blinzelte mir vorsichtig zu.

Er kämpfte sich auf bewundernswerte Weise durch das Lachssouffle und das Beef Wellington hindurch, während Lewis, der der Dame zur Linken saß, einen Becher Wodka aus dem Flachmann in seinem Jackett kippte. Fiona beobachtete ihn mißbilligend; sogar für meine Verhältnisse trank Lewis zunehmend ohne Hemmungen. Es schien so, als müsse er jetzt, nachdem er vor Gericht völlige Bewußtlosigkeit für sich reklamiert hatte, wieder und wieder beweisen, daß er nicht gelogen hatte.

Gareth zappelte verdrossen zwischen Lewis und Perkin herum, schlang alles schnell in sich hinein und sah gelangweilt aus. Mit brüderlichem Despotismus verbot ihm Perkin, gegen das Tischbein zu treten, und Gareth schmollte, was bei ihm ungewohnt war. Mackie machte eine versöhnliche Bemerkung, und Perkin blaffte auch sie an.

Sie drehte den Kopf zu mir und fragte mit gerunzelter Stirn:

«Was ist denn bloß los mit denen?«

«Die Anspannung.«

«Wegen Harry?«Sie mußte sich selbst recht geben.»Wir tun alle so, als ob, dabei stellt sich insgeheim jeder die Frage… Diesmal ist es schlimmer. Beim letzten Mal wußten wir wenigstens, wie Olympia gestorben ist. Ange-la Brickell lastet auf uns allen. Alles kommt einem so unsicher vor.«

«Sie sind sicher«, sagte ich.»Sie und Perkin. Denken Sie an das Baby.«

Ihr Gesicht hellte sich wie auf Knopfdruck auf: Der Gedanke an das Baby war imstande, die düstersten Wolken am Himmel zu vertreiben.

Von der anderen Seite sagte Perkin reumütig:»Entschuldige, Liebling, entschuldige«, und sie wandte sich ihm erneut vergebend und vergessend zu, die Erwachsene in dieser Partnerschaft.

Ich fragte mich flüchtig, ob Perkin als Vater wohl eifersüchtig auf sein Kind sein würde.

Das Essen neigte sich dem Ende zu: jetzt wurden Reden gehalten. Kultivierte Herren, die Mackie für mich als die Himalayagipfel des Jockey Clubs identifizierte, sprachen von einem angrenzenden Tisch aus Tremayne ihr höchstes Lob aus und verbeugten sich tief vor dem Sponsor. Dieser wiederum, der Ehemann der Zitronenlady, überschüttete Tremayne mit Anerkennung und Lobpreisungen, und Tremayne zuckte nur einmal kurz zusammen, als Top Spin Lob fahrlässigerweise zu Topsy Blob wurde. Dann brachte ein Lakai in der Livree von Castle Houses den Preis herbei, eine silberne Schale, deren Rand mit einem Kreis kleiner galoppierender Pferde verziert war, eine Trophäe, die dem Anlaß einwandfrei gerecht wurde.