«>Essen Sie niemals die Leber eines Eisbären««, zitierte Doone höchst erstaunt,»>sie enthält genug Vitamin A, um einen Menschen zu töten.««Er lachte kurz auf.»Das wäre mal eine neue, originelle Mordmethode.«
Man fange sich einen Eisbären…
«Tja, Sir«, sagte Doone und legte die Bücher zur Seite,»wir können zwar die Ideen für die Falle aufspüren, aber wer hat sie Ihrer Meinung nach in die Praxis umgesetzt?«
Ich schüttelte den Kopf.
«Wenn ich Ihnen Namen an den Kopf werfe«, schlug er vor,»äußern Sie die Gründe, pro oder contra.«
«Na schön«, sagte ich bedächtig.
«Mr. Vickers.«
«Tremayne?«Ich muß sehr erstaunt geklungen haben.»Alles Contra.«
«Weshalb, genau?«
«Na ja, so etwas könnte er nie tun.«
«Ich habe Ihnen bereits gesagt, ich kenne diese Leute nicht so gut wie Sie. Nennen Sie bitte Ihre Gründe.«
Ich überlegte kurz.»Tremayne Vickers ist energisch, ein bißchen altmodisch, geradeheraus und meistens sehr nett. Angela Brickell wäre nicht nach seinem Geschmack gewesen. Falls — und meiner Überzeugung nach ist das ein kolossales falls — falls es ihr gelungen wäre, ihn zu verführen, und sie ihm dann gesagt hätte, er sei der zukünftige Vater, dann hätte es eher seinem Stil entsprochen, sie zu ihren Eltern zurückzuschicken und sie den Umständen entsprechend zu versorgen. Er drückt sich nicht vor der Verantwortung. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, daß er mit einer Frau in den Wald geht, um mit ihr zu schlafen. Unmöglich. Und was den Mordversuch an Harry betrifft…«
Mir fehlten die Worte.
«In Ordnung«, sagte Doone. Er holte ein Notizbuch hervor und schrieb general stabsmäßig KENDALLS
EINSCHÄTZUNGEN oben auf die Seite. Darunter schrieb er Tremayne Vickers, versehen mit einem Kreuz, und unter Tremayne Nolan Everard.
«Nolan Everard«, sagte er.
Schon schwieriger.»Nolan ist forsch. Er ist dynamisch und entschlossen… und gewalttätig.«
«Und er hat damit gedroht, Sie umzubringen«, sagte Doone platt.
«Wer hat Ihnen das erzählt?«
«Die ganze Rennszene hat ihm dabei zugehört.«
Ich seufzte und klärte ihn über meine Reitergeschichten auf.
«Als er Sie attackierte, hoben Sie ihn wie ein Baby vor allen Leuten in die Luft«, sagte Doone.»Manche Männer vergessen so was nie.«
«Wir sprechen von Angela Brickell und Harry«, erinnerte ich ihn.
«Dann sprechen Sie von Nolan Everard. Zuerst pro.«
«Pro… Er hat Olympia umgebracht, nicht absichtlich, aber immerhin hat er ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Er konnte sich keinen zweiten Skandal leisten, während er noch auf das erste Verfahren wartete. Falls ihn Angela Brickell verführt hat — oder umgekehrt — und ihm mit einer schmutzigen Vaterschaftsklage drohte… ich weiß nicht. Auch hier ein großes falls, aber nicht so unwahrscheinlich wie bei Tremayne. Nolan und Sam Yaeger treiben es anscheinend oft mit dem gleichen Mädchen, mehr oder weniger, um sich gegenseitig auszustechen. Nolan reitet normalerweise Chickweed, das Pferd, um das sich Angela Brickell zu kümmern hatte, und bei den Rennen hätte es wohl schon Gelegenheiten für Sex gegeben, zum Beispiel in einer der Pferdeboxen, wenn er das Risiko nicht gescheut hätte. Für diese Aussagen könnte er mich wegen Verleumdung verklagen.«
«Er wird nichts davon erfahren«, sagte Doone entschieden.
«Das ist eine Unterhaltung zwischen Ihnen und mir. Sollte jemand nachfragen, dann streite ich ab, mit Ihnen diesen Fall jemals besprochen zu haben.«
«Nicht mehr als fair. «Ich überlegte einen Moment.»Was die Falle für Harry angeht, so wäre Nolan geistig und körperlich dazu in der Lage.«
«Aber? Ich hörte da ein aber.«
Ich nickte. »Contra: Er ist Fionas Vetter, und die beiden stehen sich sehr nahe. Er braucht Fionas Pferde, um seinen Amateurstatus zu halten. Er könnte nicht sicher sein, ob Fiona noch Rennpferde laufen hätte, wenn sie annehmen müßte, daß Harry ein Mörder ist… wenn sie dächte, er hätte sie ohne Vorwarnung verlassen, ohne eine Erklärung, wenn sie sich aus Sorge um ihn so sehr grämen würde und sie andererseits der Gedanke an Harry und Angela Brickell verfolgen würde.«
«Würde sich Everard über all das überhaupt Gedanken machen?«fragte Doone zweifelnd.
«Die Falle war sehr gut ausgetüftelt.«
Doone malte ein Fragezeichen hinter Nolans Namen.
«Hat denn niemand ein solides Alibi für Mittwoch nachmittag?«fragte ich.»Das ist genau die Zeit, die unser Mann mit einer guten Erklärung aus der Welt schaffen muß.«
«Glauben Sie nicht, daß wir das nicht auch wüßten«, nickte Doone.»Die wenigsten Männer, die etwas mit Shellerton House zu tun haben, können jede einzelne Stunde dieses Nachmittags nachweisen, die Frauen schon.
Wir sind heute vormittag schon sehr fleißig mit unseren Ermittlungen gewesen. Mrs. Goodhaven war bei einem Treffen ihres Wohlfahrtsvereins und genau um drei Uhr zurück, als Sie anriefen. Mrs. Perkin Vickers war beim Rennen in Ascot, was dadurch verbürgt ist, daß sie ein Pferd für das Drei-Meilen-Rennen gesattelt hat. Die Sekretärin von Mr. Vickers, Dee-Dee, tätigte mehrere Anrufe hier vom Büro aus, und Mrs. Ingrid Watson war mit ihrer Mutter in Oxford zum Einkaufen und kann Rechnungen dazu vorlegen.«
«Ingrid?«
«Sie kann nicht bestätigen, was ihr Mann gemacht hat.«
Er schrieb Bob Watson unter Nolan.
«Was dafür sprechen könnte, daß er unser Mann ist«, sagte ich unschlüssig,»ist Ingrid selbst. Sie würde sich ein Techtelmechtel mit Angela Brickell nicht gefallen lassen. Aber ob Bob jemanden umbringen würde, um mit Ingrid verheiratet zu bleiben…«Ich schüttelte den Kopf.»Ich weiß nicht. Er ist ein guter Aufseher. Tremayne vertraut ihm, aber für seine Loyalität würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Außerdem ist er ein außerordentlich geschickter Zimmermann, wie Sie selbst gesehen haben. Er hat bei der Party, auf der Olympia starb, die Getränke serviert. Er war als Gast auf der Bootshaus-Party.«
«Contra?«
Ich zögerte.»Der Mord an Angela Brickell kann aus einer momentanen Panik heraus geschehen sein. Die Falle für Harry vorzubereiten erforderte Verschlagenheit und starke Nerven. Ich kenne Bob Watson nicht gut genug, um eine richtige Meinung über ihn zu haben. Ich kenne ihn nicht so gut wie die anderen.«
Doone nickte und setzte auch hier ein Fragezeichen hinter den Namen.
Dann schrieb er Gareth Vickers.
Ich mußte grinsen.»Er kann’s nicht sein.«
«Warum nicht?«, wollte Doone wissen.
«Angela Brickells Geschlechtlichkeit hat ihn verschreckt. Er wäre niemals mit ihr in den Wald gegangen. Abgesehen davon hat er keinen Führerschein und war am Mittwochnachmittag in der Schule.«
«Tatsächlich ist jedoch bekannt, daß er durchaus sehr geschickt mit dem Jeep seines Vaters in den Downs herumkurvt, und meine Männer haben herausgefunden, daß er am vergangenen Mittwoch nicht in der Schule, sondern bei einem Ausflug zum Windsor Safari Park gewesen ist. Der verantwortliche Lehrer war ganz aufgeregt, weil so viele Jungs abgehauen sind, um sich etwas zu essen zu kaufen.«
Ich versuchte mir Gareth als Mörder vorzustellen.»Sie wollten wissen, was ich von diesen Leuten weiß. Gareth kann einfach nicht unser Mann sein.«
«Wieso sind Sie so sicher?«
«Ich bin einfach sicher.«
Er versah Gareth’ Namen mit einem Kreuz und fügte nach kurzem Zögern ein Fragezeichen hinzu.