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Dort war ihr Zuhause, und von dort aus regierte ich die Welt oder wurde von der Welt regiert. Ich stieß ein lautes Heulen aus, einen Schrei, ähnlich wie damals, als der Hund und ich uns zum ersten Mal begegnet waren. Ich fühlte, wie die Legion durch meinen Körper und in die Erde hineinzog, weil in mir Agape war, und die Legion wollte nicht von der alles verschlingenden Liebe verzehrt werden. Das war mein Wille, der Wille, der mich gegen den Rest meiner Kräfte, gegen die Ohnmacht kämpfen ließ, der Wille der Agape, die fest in meiner Seele verankert war und Widerstand leistete. Ich zitterte am ganzen Körper. Die Legion fuhr machtvoll in die Erde. Ich begann mich zu übergeben, doch ich fühlte, wie die Agape wuchs und aus allen meinen Poren drang. Ich zitterte weiter am ganzen Leibe, bis ich nach einer geraumen Weile spürte, daß die Legion in ihr Reich zurückgekehrt war.

Geschunden und voller blauer Flecken setzte ich mich auf den Boden, eine absurde Szene vor Augen: ein Hund, der blutete und mit dem Schwanz wedelte, und ein Hirte, der mich entgeistert anstarrte.

«Sie haben wohl etwas Schlechtes gegessen«, sagte der Hirte, der noch immer seinen Augen nicht traute.»Doch nun geht es Ihnen bestimmt gleich besser.«

Ich nickte. Er dankte mir, weil ich» meinen Hund«

zurückgehalten hatte, und setzte den Weg mit seinen Schafen fort.

Petrus erschien und sagte nichts. Er riß einen Streifen von seinem Hemd ab und verband mein Bein, das stark blutete. Er bat mich, alle Körperteile zu bewegen, und meinte dann, mir sei nichts Ernstes passiert.

"Du siehst ziemlich ramponiert aus«, sagte er lächelnd. Seine seltene gute Laune war zurückgekehrt.»So können wir heute das Eisenkreuz nicht besuchen. Die Touristen dort würden sich furchtbar erschrecken.«

Mir war das gleichgültig. Ich stand auf, schüttelte den Staub ab und prüfte, ob ich gehen konnte. Petrus schlug mir vor, die R.A.M.-Atemübung zu machen. Ich machte sie und gelangte wieder in Einklang mit der Welt.

In einer halben Stunde würde ich das Eisenkreuz erreichen.

Und eines Tages würde Foncebadon aus seinen Ruinen auferstehen. Die Legion hatte dort viel Macht hinterlassen.

Befehlen und Dienen

Petrus mußte mich bis zum Eisenkreuz fast tragen, weil ich mich wegen der Wunde am Bein nur mehr humpelnd fortbewegen konnte. Als er sah, wie sehr mir der Hund zugesetzt hatte, beschloß er, daß ich mich erst einmal erholen müsse, bevor ich den Jakobsweg wieder aufnahm. Dort ganz in der Nahe gab es ein Dorf, das Pilgern, die die Nacht überraschte, bevor sie das Gebirge überquerten, Unterkunft gewährte. Petrus gelang es, im Haus eines Schmiedes zwei Zimmer zu bekommen. Dort quartierten wir uns ein.

Mein Zimmer hatte einen kleinen Balkon. Diese Art Veranda war einst eine architektonische Revolution gewesen, die sich vom 7. Jahrhundert von diesem Dorf ausgehend über ganz Spanien verbreitet hatte. Ich konnte eine Bergkette sehen, die ich früher oder später überqueren mußte, um nach Santiago zu gelangen. Ich fiel ms Bett und erwachte erst wieder am nächsten Tag. Ich hatte zwar etwas Fieber, fühlte mich jedoch gut.

Petrus brachte Wasser aus einem Brunnen, den die Dorfbewohner den Brunnen ohne Grund nannten, und wusch meine Wunden. Am Nachmittag erschien er mit einer Alten, die in der Nähe wohnte. Die beiden legten verschiedene Kräuter auf meine Wunden und Kratzer, und ich bekam einen bitteren Tee zu trinken. Ich erinnere mich daran, daß Petrus mich zwang, jeden Tag meine Wunden zu lecken, bis sie ganz verheilt wären. Dabei schmeckte ich immer den metallisch-süßen Blutgeschmack, und davon wurde mir übel, doch mein Führer behauptete, Spucke sei ein ausgezeichnetes Desinfektionsmittel, das mir helfen würde, eine mögliche Infektion zu bekämpfen.

Am nächsten Tag kehrte das Fieber zurück. Petrus und die Alte flößten mir wieder Tee ein und beschmierten die Wunden mit Kräutern, doch das Fieber sank nicht. Mein Führer machte sich darauf zu einer Militärbasis in der Nahe auf, um Verbandszeug zu holen, da es im ganzen Dorf keine Gaze oder Pflaster gab. Nach einigen Stunden kam Petrus mit dem Verbandszeug zurück. Er war begleitet von einem jungen Offizier, der unbedingt wissen wollte, wo das Tier sei, das mic h gebissen hatte.

«Der Wunde nach zu urteilen, hatte das Tier Tollwut«, verkündete er in ernstem Militärarzttonfall.

«Ach was«, winkte ich ab.»Das war eine Spielerei, die etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Ich kenne das Tier schon lange.«

Der Offizier ließ sich nicht überzeugen. Er wollte mir unbedingt eine Tollwutimpfung verpassen, und ich mußte zumindest eine Injektion über mich ergehen lassen, sonst hätte er mich ins Militärhospital gebracht. Dann fragte er mich, wo das Tier sei.

«In Foncebadon«, antwortete ich.

«Foncebadon ist ein zerstörtes Dorf. Da gibt es keine Hunde«, meinte er vorwurfsvoll, als hätte er mich gerade bei einer Lüge ertappt.

Ich stieß einige gespielte Jammerlaute aus, und der Militärarzt wurde von Petrus aus dem Zimmer geführt. Doch er ließ alles zurück, was wir brauchten: sauberes Verbandszeug, Pflaster und eine Heilsalbe.

Petrus und die Alte benutzten diese Salbe allerdings nicht. Sie umwickelten die Wunden mit Gaze, zwischen die Kräuter gelegt waren. Das gefiel mir sehr, denn so mußte ich nicht mehr die Stellen ablecken, an denen mich der Hund gebissen hatte.

Nachts knieten beide an meinem Bett und legten ihre Hände auf meinen Körper. Dabei beteten sie laut. Ich fragte Petrus, was es damit auf sich habe, doch er brummte nur etwas von Charismen und dem Pilgerweg nach Rom. Mehr war aus ihm nicht herauszubekommen.

Zwei Tage später war ich wieder gesund. Ich trat ans Fenster und sah ein paar Soldaten die Häuser des Dorfes und die nahegelegenen Hügel durchsuchen. Ich fragte einen von ihnen, was los sei.

«Es gibt einen tollwütigen Hund in der Gegend«, war seine Antwort. Am selben Nachmittag kam der Schmied, der Besitzer der Zimmer, und bat uns, die Stadt zu verlassen, sobald ich wieder gehen könne. Die Geschichte hatte unter den Dorfbewohnern die Runde gemacht, und sie befürchteten, ich könnte die Tollwut bekommen und die anderen anstecken.

Petrus und die Alte versuchten den Schmied zur Räson zu bringen, doch er blieb hart. Er ging sogar so weit zu behaupten, er habe gesehen, daß mir im Schlaf etwas Schaum aus dem Mundwinkel geronnen sei.

Nichts konnte ihn davon überzeugen, daß dies jedem von uns im Schlaf passieren könne. In dieser Nacht beteten die Alte und mein Führer lange und legten wieder die Hände auf meinen Körper. Und am nächsten Tag befand ich mich, zwar noch etwas humpelnd, wieder auf dem Jakobsweg.

Ich fragte Petrus, ob er sich wegen meiner Genesung Sorgen gemacht habe.

«Es gibt eine Faustregel auf dem Jakobsweg, die lautet: Der einzige Grund, die Wallfahrt abzubrechen, ist, wenn du krank wirst. Wenn die Wunden nicht verheilt wären und du weiterhin Fieber gehabt hättest, wäre das ein Zeichen gewesen, daß wir unsere Reise hier abbrechen müssen. Doch«, meinte er mit einer gewissen Genugtuung,»die Gebete wurden erhört.«

Offensichtlich war mein Durchhaltevermögen für ihn genauso wichtig wie für mich.

Der Weg führte nun bergab, und Petrus kündigte mir an, daß dies noch zwei Tage so weiterginge. Wir hatten unseren gewohnten Wanderrhythmus wieder aufgenommen. Wenn die Sonne am höchsten stand, machten wir jeden Nachmittag unsere Siesta. Wegen meiner Verbände trug Petrus meinen Rucksack. Er hatte es jetzt nicht mehr so eilig: Die wichtige Begegnung hatte bereits stattgefunden.

Meine Gemütsverfassung besserte sich von Stunde zu Stunde.

Ich war ziemlich stolz auf mich: Ich war einen Wasserfall hochgeklettert und hatte den Dämon des Weges besiegt. Jet7.t fehlte nur noch das Wichtigste: mein Schwert zu finden. Ich sprach mit Petrus darüber.»Der Sieg war schön, aber im entscheidenden Moment hast du versagt. «Das war eine kalte Dusche für mich.