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Schließlich kam Aurians Fall an die Reihe. Die Männer, die sie gefangen hatten, zerrten sie vor die kalt blickenden Gebieter und zwangen sie, immer noch gefesselt, auf die Knie. Der Dorfälteste, dessen Gesicht ausgezehrt, abgehärmt und mit den Narben einer ausgestandenen Krankheit überzogen war, erzählte seine Geschichte. Als er geendet hatte, wandten sich die Gebieter an die Magusch, und sie spürte, wie ihre kalten Augen sie durchbohrten, während sie das fremdartige Aussehen der Gefangenen zur Kenntnis nahmen. Dann begann der Mann in % der Mitte des Trios zu sprechen. »Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?«

Aurians Verstand hatte mit der blitzartigen Geschwindigkeit der Verzweiflung gearbeitet, um eine plausible Geschichte zu ersinnen, die ihr vielleicht das Leben retten würde. Da diese Leute so versessen auf eheliche Treue zu sein schienen, hatte sie sich für Vergewaltigung entschieden. Zögernd erklärte sie, daß sie mit ihrem Mann und dessen Schwester (für den Fall, daß Anvar und Sara irgendwo in der Stadt sein sollten) gereist war, als ein Sturm sie nach Süden verschlug und sie Schiffbruch erlitten. Sie habe die anderen verloren, erzählte sie, und sei auf der Suche nach ihnen flußaufwärts gegangen. Schließlich sei sie unter einem Baum eingeschlafen, wo sie bei ihrem Erwachen von einer Bande zerlumpter Männer überfallen worden sei (dieser Teil ihrer Geschichte, soviel stand fest, stimmte jedenfalls). Noch halb im Schlaf, habe sie geglaubt, diese Männer wollten sie vergewaltigen, und daher habe sie sich, so gut sie konnte, verteidigt, denn sie habe lieber sterben wollen, als sich einem anderen Mann als ihrem Ehemann hinzugeben.

Die Gebieter berieten sich mit leisen Stimmen, dann wandte ihr Sprecher sich wieder an Aurian. »Diese Geschichte erklärt aber nicht deine außergewöhnlichen Fähigkeiten im Kampf.«

Aurian bemühte sich nach Kräften, ruhig zu bleiben, und wünschte nur, sie hätte das Gesicht ihres Richters sehen können.

»In meinem Land werden viele Frauen zu Kriegern ausgebildet.«

»Ich verstehe.« Er legte die Arme auf den Tisch, beugte sich vor, und sie sah, wie seine Augen hinter der Maske schmal wurden. »Und wie willst du deine Kenntnisse unserer Sprache erklären? Nur die dämonischen Zauberer aus dem Norden haben eine solche Vertrautheit mit unserer Sprache. Kannst du leugnen, daß du eine von diesen Zauberern bist?«

Ein leises, erstauntes Wispern kam von den Zuschauern. Die Leute, die ihr am nächsten gestanden hatten, traten hastig zurück, ihre Augen vor Furcht geweitet. Aurian schluckte. Sie hatte sich verraten. Sie holte tief Luft, dachte schnall nach und setzte alles auf eine Karte. »Ich war eine Zauberin. Aber ich bin vor der Verderbtheit des Zauberergeschlechts geflohen, um mit meinem Mann Zusammensein zu können.« Was würden sie davon halten?

»Und ist dein Mann auch ein Zauberer?«

»Nein. Er ist ein Sterblicher, und unsere Verbindung war verboten. Das ist auch der Grund, warum ich geflohen bin und den Übeln der Zauberei für immer entsagt habe. Ich hatte nie die Absicht, in euer Land einzudringen, und ich will Eurem Volk nichts Böses. Ich bedauere zutiefst, was ich getan habe, aber es war wirklich ein Unfall. Alles, was ich will, ist, meinen Mann finden und von hier weggehen. Ich bin allein und schutzlos, und ich habe Angst. Um des Erbarmens willen, wollt ihr mich nicht gehen lassen?«

Der Gebieter zog sich hoch. »Erbarmen? In dieser Stadt gibt es kein Erbarmen für Missetäter. Du hast ein Leben geraubt. Verboten! Du bist eine Fremde, die in unser Land eingedrungen ist. Verboten! Du bist eine Zauberin. Verboten! Welches Recht auf Erbarmen hast du?«

Aurian senkte den Blick. »Keins, und doch bitte ich darum. Es mag sein – es ist – alles, was ich habe.«

Abermals berieten sich die Gebieter miteinander. Der Mann in der Mitte, der offensichtlich die größte Autorität besaß, schien mit den beiden anderen zu streiten. Schließlich wandte er sich wieder an Aurian. »Ich glaube, daß du auf jeden Fall die Wahrheit sagst, denn hättest du nicht deiner Zauberei entsagt, hättest du deine bösen Mächte gegen die Leute, die dich gefangengenommen haben, einsetzen können. Oder gegen uns. Das hast du nicht getan, was bedeutete, daß du nichts Böses im Schilde führst. Und du tust mir leid, denn du bist wirklich allein und schutzlos. Dein Mann ist bisher noch nicht hier in der Stadt erschienen. Wenn dem so wäre, hätte man ihn zu uns gebracht, so, wie es unser Gesetz verlangt.« Seine Wörter trafen Aurian wie ein körperlicher Schlag. Sie brauchte Trauer und Entsetzen nicht vorzutäuschen. Anvar und Sara mußten tot sein. Und es war ihre Schuld und das Ganze vollkommen umsonst.

Als der Gebieter wieder zu sprechen begann, klang seine Stimme weniger hart als zuvor. »Nach dem Gesetz müßtest du für deine Verbrechen sterben, aber der Schnitter der Seelen würde es gewiß mit Mißfallen betrachten, wenn wir eine Frau in deiner schwierigen Lage verdammen würden. Doch gehen lassen können wir dich nicht. Also werden wir dir die Wahl überlassen. Als Alternative zur Hinrichtung magst du die Arena riskieren, wo Verbrecher wie du zur Unterhaltung des Khisu und des Volkes kämpfen und zwar bis zum Tode. Es heißt, du hättest große Fähigkeiten als Kriegerin gezeigt. Vielleicht kannst du dir, wenn du gut kämpfst, deine Freiheit zurückgewinnen – oder du wirst, falls du weiter nach deinem Mann suchen willst, die Möglichkeit haben, ihm in die Kornkammern des Schnitters zu folgen. Akzeptierst du dieses Unheil?« Es war keine Frage, und Aurian wußte das auch. Aber zumindest ließ er eine winzige Möglichkeit zur Flucht.

»Ich akzeptiere – und ich danke Euch für Eure Gnade«, sagte sie.

»Da wäre noch etwas …« Der Gebieter winkte einen Bediensteten des Gerichts heran und gab ihm mit leiser Stimme einen Befehl. Der Mann verließ den Raum und kam kurz darauf mit einem grauen Metallkasten in der Hand zurück. Der Kasten war mit fremden, geheimnisvollen Symbolen ziseliert, die Aurian schaudern ließen. Der Gebieter blies die dicke Staubschicht weg und hob den Deckel, um etwas aus dem Kasten herauszunehmen, das sie nicht sehen konnte. Er wies die Wachen an, ihre Fesseln zu lösen, ging vorsichtig auf sie zu und befestigte mit überraschend sanften Bewegungen etwas an ihren Handgelenken. Als das zweite Schloß zuschnappte, krümmte Aurian sich und fiel zu Boden. Ihr eigener Schmerzensschrei dröhnte ihr in den Ohren. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Inneres nach außen gestülpt. Eine schleichende Schwäche überwältigte sie, als würde ihr die Seele aus dem Leibe gesogen. Sie spürte starke Arme unter sich, als der Gebieter sie auf eine Bank an der Wand hob und ihr einen Becher Wein an die Lippen hielt. Dankbar nippte Aurian daran. Ihre Muskeln versagten ihr den Dienst, und ihr war schwindelig, ein Mangel – eine kalte, graue Leere, die ihrem suchenden Geist immer wieder entschlüpfte.

»Was hast du mit mir gemacht?« flüsterte sie.

Der Gebieter schien erschüttert zu sein. »Ich habe dir die Armreifen von Zathbar angelegt. Ein Zauberbann – ein Artefakt, das wir vor langer Zeit in einem Drachenhort gefunden haben. Das Geheimnis seiner Schöpfung ist in den Nebeln der Zeit verlorengegangen. Ich hatte keine Ahnung, daß die Armreifen eine solche Wirkung auf dich haben würden, aber sie sind notwendig, wenn du in unserem Land leben willst. Die Armreifen sind mit Zaubersteinen besetzt, die deine Zauberkräfte aufheben und in sich zusammenschmelzen lassen; sie werden mein Volk gegen jeden Versuch von dir schützen, deine bösen Mächte auf uns zu richten.«