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Davorshan war oben auf der Treppe in der günstigeren Position – das zu beachten hatte D’arvan von Maya gelernt. Während er seine Klinge mit einer Hand umklammerte, die plötzlich feucht und glitschig vor Schweiß geworden war, begann der Erdmagusch langsam rückwärts die Treppe herunter zu gehen, wobei er sich vorsichtig von einer Stufe zu anderen herabtastete, denn er wußte, wie töricht es gewesen wäre, den Blick auch nur für einen Augenblick von seinem Bruder abzuwenden. Davorshans Haß grub sich wie ein Feuerstrahl in sein Gehirn, wie der Zorn des Waldes, nur tiefer, enger, viel vertrauter. Sie waren so viele Jahre lang miteinander verbunden gewesen – wie gut sein Bruder ihn doch kannte. Unerbittlich fraß sich Davorshans Grausamkeit in sein Gehirn, weckte all die Ängste und Selbstzweifel, die dort lauerten, und wischte allen Mut und alles Vertrauen beiseite. »Halbblut!« schleuderte sein Bruder ihm entgegen. »Rückgratloser, feiger, machtloser Bastard! Hast du wirklich geglaubt, es würde funktionieren, D’arvan – einfach wegzulaufen, um dich hinter den Rockzipfel der Lady Eilin zu verstecken? Ach, und was haben wir denn hier?«

Sein gnadenlos suchender Wille grub eine Erinnerung aus – für D’arvan die kostbarste von allen. »So!« Davorshans grausames Gelächter verhöhnte ihn. »Was hast du dir denn dabei gedacht, Brüderchen? Du mußtest also eine kleine, sterbliche Hündin bespringen, da du nichts Besseres haben konntest. Ist sie gut, D’arvan? Vielleicht probiere ich sie aus, nachdem ich dich umgebracht habe. Oder vielleicht tu ich es auch vorher, damit du zusehen kannst. Wo ist sie, hm? Wo hast du deine sterbliche Schlampe versteckt?«

Heißer Zorn überflutete D’arvan. Seine Hand, die das Schwert umklammert hielt, begann zu zittern. Aber Mayas Ausbildung war nicht umsonst gewesen. Sie hatte ihm beigebracht, sich auf keinen Fall von durchsichtigem Hohn übertölpeln zu lassen. Statt dessen begann er, seine Kräfte zusammenzunehmen, während er gleichzeitig immer weiter zurückwich und überlegte, welche Aspekte seiner Erdmagie er gegen seinen Bruder einsetzen konnte. Die Pflanzen dort oben waren zu klein, aber … Konnte er die Ranken, die den Turm umschlangen, zu Hilfe rufen? Wenn sie es schaffen konnten, durch ein Fenster zu brechen …

»O nein, das wirst du nicht tun!« Davorshans Stimme war ein wütendes Knurren. »Ich werde hier nicht meine Zeit mit einem magischen Wettstreit verschwenden, D’arvan – nicht auf ihrem Terrain.«

»Ach?« D’arvan hob die Hand, bereit zum Schlag.

»Ich warne dich! Willst du vielleicht für Eilins Tod verantwortlich sein?«

D’arvan hielt mitten in der Bewegung inne, und sein Blick flackerte unwillkürlich an seinem Bruder vorbei die Treppe hinauf.

»Gut gemacht«, höhnte Davorshan’ »Endlich merkst du es. Wenn sie gestorben wäre, hättest du es gespürt.«

»Wo ist sie?« rief D’arvan. »Was hast du mit ihr gemacht?«

Davorshan zuckte mit den Schultern und hielt sein bluttriefendes Schwert in die Höhe. »Verlaß dich nicht darauf, daß sie dir zur Hilfe kommt, obwohl du mir nicht genug Zeit gelassen hast, die Sache zu Ende zu bringen. Aber wenn du diese Sache hier mit Magie erledigen willst, dann denk daran, wo meine Talente liegen. Ich kann das Wasser des Sees anschwellen lassen, um diesen Turm zu versenken. Und wenn der Turm zusammenbricht, wo wird dann Eilin sein, hm?«

»Du Bastard!« stieß D’arvan durch zusammengebissene Zähne hervor.

»Nein, Bruder. Der Bastard bist du. Das hat Eliseth mir erzählt. Du hast mein ganzes Leben lang meine Kräfte aufgesogen – die Kräfte, die rechtmäßig mein hätten sein sollen –, und wenn ich dich töte, dann werden sie endlich mir gehören. Du hättest nie geboren werden dürfen!«

So also hatte Eliseth es geschafft, ihn zu seinem Treuebruch zu bewegen. D’arvan spürte den Haß seines Bruders, die brennende Gier und den unvernünftigen Zorn, die ihn verzehrten. Wenn diese Gefühle ihren Höhepunkt erreichten, würde Davorshan angreifen. D’arvan suchte vorsichtig mit dem Fuß nach der nächsten Stufe unter ihm und stellte fest, daß er auf einem Treppenabsatz, der zu einem der Turmzimmer führte, angelangt war. Ein Plan schimmerte in seiner Vorstellung auf. Er verzog die Lippen zu einem breiten, höhnischen Grinsen. »O nein, mein Bruder, da irrst du dich. Eilin hat mir die ganze Geschichte erzählt. Ich bin ein Kind der Liebe. Barvordran hat Adrina gehaßt, und dich hat sie nur bekommen, um seine Verdächtigungen zu beschwichtigen. Ich mag zwar der Bastard sein, aber du bist derjenige, der nie hätte geboren werden dürfen!«

»Lügner!« Davorshan stürmte mit verzerrtem Gesicht die Treppe herunter, und sein blutiges Schwert wirbelte durch die Luft. D’arvan warf sich zur Seite in die offene Tür des Turmzimmers und streckte den Fuß vor, so wie er es erst an diesem Morgen Maya hatte tun sehen. Er spürte einen heißen Ruck in seinen gequälten Muskeln, als sein Bruder mit seinem ganzen Körpergewicht sein Bein zur Seite stieß und ihn aus dem Gleichgewicht brachte, aber noch während er fiel, hörte er ein Dröhnen und Klirren, als Davorshan kopfüber die Metalltreppe herunterfiel. Es hatte funktioniert!

D’arvan benutzte eine der umgekippten Bänke, um sich wieder aufzurichten, und der Schweiß trat ihm auf die Stirn, als Feuer und Eis sich qualvoll durch sein verletztes Bein bohrten, das sein Gewicht nicht länger tragen konnte. Er taumelte und fiel abermals.

Dann stieß er einen von Mayas Lieblingsflüchen aus, zog sich zur Treppe und begann, Stufe um Stufe herunterzurutschen, auf dem Hintern, wie er und Davorshan es als Kinder so oft getan hatten. Die Erinnerung daran schmerzte wie ein Messer, das in einer Wunde herumgedreht wurde, aber die Kindheit war nun vorüber, und der Seelengefährte jener Tage hatte sich zu einem mordenden Monster entwickelt. Er mußte das untere Ende der Treppe erreichen, um Davorshan zu töten, falls dieser noch lebte, denn sonst würde sein Bruder mit Sicherheit ihn töten.

Als er unten angekommen war, war sein Gesicht von Schweiß und Tränen überströmt. Davorshan lag bäuchlings und vollkommen regungslos auf den breiten Küchenfliesen am Fuße der Treppe. D’arvan betete, daß er bereits tot war. Der Griff des Schwerts war wie Eis in seiner zitternden Hand, als er sich auf die unterste Stufe kauerte, direkt über seinen Bruder. »O ihr Götter«, betete er, »bitte zwingt mich nicht dazu, das zu tun!« Aber gerade in diesem Augenblick stöhnte Davorshan leise, bewegte sich und rollte sich auf den Rücken. Obwohl seine Augen bereits glasig waren, konnte D’arvan den unversöhnlichen Haß spüren, der seine Gedanken verzerrte. Jetzt und immer. Endlich konnte D’arvan der Wahrheit ins Gesicht sehen und sie akzeptieren. Dann hob er das Schwert mit beiden Händen hoch über seinen Kopf und jagte die Spitze durch das Herz seines Bruders – und ein unaussprechlicher Schmerz durchbohrte seine eigene Brust, als ihre Gedanken sich ein letztes Mal verbanden. Mit einem lauten Aufschrei krümmte D’arvan sich zusammen.

»Bruder …« Davorshans gebrochenes Flüstern huschte durch D’arvans Denken, als die Seele seines Bruders aus seinem Körper floh. D’arvan spürte, wie der Schmerz in seiner Brust jenem alles versengenden Krampf wich, der das Hinscheiden eines Magusch kennzeichnete. Eines Magusch, der von seiner Hand gestorben war.

»D’arvan!« Mayas rauhe Stimme war ein Sonnenstrahl, der sich durch den dunklen Brunnen seiner Trauer bohrte. Wie betäubt hob er den Kopf, um zu ihr aufzusehen. Sie ließ sich neben ihn auf die Treppe sinken und legte ihre Arme um ihn. Die Tränen, die er selbst zu vergießen nicht in der Lage gewesen war, fluteten nun über ihr Gesicht, und er wußte, daß sie verstand. Aber ihre Stimme war, als sie wieder sprach, überraschend sachlich. »Du hast ihn getötet.«

Diese Feststellung bedurfte keiner Antwort.

»So, wie die Dinge liegen, wird er nicht der letzte sein«, fuhr Maya fort. »Es ist niemals leicht, für die meisten von uns jedenfalls. Und es sollte auch nie leicht sein. Alles, was wir versuchen können, ist, uns ein wenig davon zu distanzieren und weiterzuleben, so gut wir können. Aber ich verspreche dir, daß es niemals mehr so schlimm sein wird wie bei diesem ersten Mal. Das Schlimmste ist jetzt vorbei, mein Geliebter.«