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Der Waldfürst machte einen Schritt nach vorn, und starke Hände umklammerten D’arvans Schultern. Dunkle, unergründliche Augen forschten in seinem Gesicht, und D’arvan spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. »Mein Sohn«, murmelte Hellorin, und die Anfänge eines verwunderten Lächelns hoben die Ecken seines feingemeißelten Mundes. »Mein eigener Sohn, und ich habe nicht einmal gewußt, daß es dich gibt.«

»Vater …« flüsterte D’arvan. Dann ließ er den Stab fallen, schlang seine Arme um Hellorins breite Schultern, und dort, in der sternenbeleuchteten Waldlichtung, konnten Vater und Sohn einander endlich umarmen.

»D’arvan? Fürst Hellorin?« Mayas zögernde Stimme unterbrach die schweigende Vereinigung. Die Tränen in ihren Augen bezeugten, daß diese Vereinigung von Vater und Sohn auch die Schwertkämpferin nicht ungerührt gelassen hatte, aber wie immer praktisch veranlagt, zeigte sie auf Eilins niedergestreckten Körper. »Ich bitte um Verzeihung, meine Herren, aber die Lady ist in einem verzweifelten Zustand. Und vielleicht ist es schon zu spät.«

Der Waldfürst hob eine Augenbraue. »Wer ist diese tollkühne Person?« fragte er seinen Sohn.

»Das ist Leutnant Maya, eine unvergleichliche Kriegerin, eine treue und tapfere Kameradin und« – stolzer Trotz schwang in D’arvans Stimme mit, als er fortfuhr – »meine Lady.«

Der Waldfürst brach in Gelächter aus. Maya blickte finster drein, und D’arvan bedeutete ihr mit einer drängenden Geste, stillzuschweigen, denn er fürchtete den Wutausbruch, der unweigerlich kommen würde. »Ich vermag nicht zu sehen, was daran so komisch ist«, sagte er eisig.

Hellorin holte tief und keuchend Luft und wischte sich die Augen ab. »Ach, mein Sohn«, kicherte er. »Wie gut es tut, zu sehen, daß du schon jetzt die alten Traditionen unseres Volkes fortführst.«

»Was?« D’arvan war verblüfft.

»Hast du denn gar keine Ahnung von den Legenden?« fragte sein Vater, während in seinen Augen immer noch größte Heiterkeit „tanzte. »All diese Geschichten über die Phaerie, die Sterbliche verführen, um sie zu ihren Bräuten zu machen? Und zu Bräutigamen, was das betrifft, denn die Damen meines Volkes würden mir das Leben wahrhaftig schwermachen, wenn ich versuchen wollte, ihnen ihre gelegentlichen Chancen auf einen kräftigen, sterblichen Hengst streitig zu machen!«

Er wandte sich nun mit einer tiefen Verbeugung an Maya. »Lady Maya, ich fühle mich geehrt, die Erwählte meines Sohnes kennenzulernen, und ich entschuldige mich für meine ungehörige Heiterkeit. Meiner Meinung nach hat er wirklich eine sehr gute Wahl getroffen.« Sein Blick wanderte über ihren Körper wie eine Liebkosung; so offensichtlich und mit solcher Lüsternheit, daß D’arvan merkte, wie er plötzlich die Zähne zusammenbiß. Maya lief dunkelrot an und wußte nicht, ob sie empört sein oder sich geschmeichelt fühlen sollte. Dann richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf und sah Hellorin kalt in die Augen.

»Ich danke für deine Höflichkeit, Fürst, aber das ist kaum der richtige Zeitpunkt dafür. Könnten wir uns vielleicht der wirklich dringenden Angelegenheit zuwenden, deretwegen wir hier sind?«

D’arvan stöhnte und bedeckte mit einer Hand die Augen, und Hellorin brach in neuerliche Heiterkeit aus. »Eine exzellente Wahl, wahrhaftig! D’arvan, da hast du eine richtige Wölfin erwischt.« Seine Stimme wurde wieder nüchtern. »Hab keine Angst, kleine Kriegerin. Die Lady Eilin wird hier keinen weiteren Schaden leiden. Die Phaerie schätzen sie wegen ihrer Arbeit in diesem Tal, und ich würde es nicht zulassen, daß sie stirbt.

Indem ihr mich gerufen habt, habt ihr euch in mein Königreich gebracht, in dem die Zeit keinen Einfluß hat. Ihr Leben wird hier in der Schwebe gehalten – es wird geschützt und bewahrt. Aber ich muß wissen, wer verantwortlich für diese Freveltat ist und warum sie geschah. Ihr habt recht – das ist eine ernste Angelegenheit, und meine Instinkte sagen mir, daß sie nur Teil eines größeren Unglücks ist. Also wollen wir es uns bequem machen, Kinder. Erzählt mir, was sich in der Welt da draußen ereignet hat.«

Er machte eine kurze Handbewegung, und die Lichtung, auf der sie standen, zitterte und verschwamm. Die sie umgebenen Bäume wurden zu den Säulen einer großen Halle, und ihre Äste verbanden sich über ihren Köpfen zu einem Dach. An einer Seite, dort, wo die Stechpalmen mit ihren prachtvollen, blutroten Beeren gestanden hatten, loderte plötzlich ein Feuer in einem gewaltigen Kamin. Der Boden war von einem dunkelgrünen Teppich bedeckt. D’arvan keuchte. »Wahrhaftig, hier sieht es genauso aus wie in der Großen Halle der Akademie!«

»Und von wem, glaubst du, haben die Magusch den Entwurf gestohlen?« In Hellorins Stimme lag eine grimmige Spitze, die bei seinen nächsten Worten allerdings verschwand. »Kommt, setzt euch.«

D’arvan hob Eilins Stab auf, und Maya half ihm, zu einem tiefen, bequemen Sessel neben dem lodernden Feuer zu humpeln. Ein großer, grauer Hund hatte sich vor den Flammen ausgestreckt und nahm den ganzen Raum vor der breiten Feuerstelle ein. Obwohl Hellorin keine erkennbaren Befehle gegeben hatte, öffneten sich plötzlich die Türen am anderen Ende der Halle, und eine große, kupferhaarige Phaeriefrau trat ein, in Grün gewandet und so schlank wie die Weiden, denen sie ähnelte. Beim Anblick der blutüberströmten Fremden zog sie die Augenbrauen hoch.

»Melianne, würdest du uns bitte einige Erfrischungen bringen?« bat Hellorin sie. »Und übergib die Lady Eilin unseren Heilern.«

Meliannes braune Augen weiteten sich, als sie die Erdmagusch sah. »Lady Eilin! Mein Fürst, was für ein Unglück ist geschehen?«

»Genau das möchte ich jetzt herausfinden.« Er schickte sie mit einer Handbewegung fort. »Ruf die Phaerie zusammen, meine Liebe. Ich glaube, daß dieses Ereignis vielleicht das Ende unseres langen Wartens bedeutet.«

Die Augen der Phaerie begannen zu brennen. »Sofort, mein Fürst!« In einer lautlosen Explosion goldenen Lichtes verschwand sie. Hellorin kicherte, als er Mayas maßlose Verblüffung sah.

»Im allgemeinen benutzen wir die Türen«, sagte er trocken. »Melianne ist allerdings leicht erregbar.«

D’arvan war vollkommen erschöpft; die Ereignisse des Tages hatten ihn sowohl körperlich als auch geistig an die Grenzen seiner Kraft geführt. Zuerst dachte er, das Kräuseln in der Luft vor dem Kamin sei ein Trick, den der Feuerschein seinen müden Augen spielte. Dann hörte er Meliannes scharfe Stimme. Sie schien direkt aus der dünnen Luft zu kommen. »Barodh, du dummes Vieh. Geh mir aus dem Weg.«

Der Hund sprang auf und schlich sich schuldbewußt zu seinem Herrn. Dort, wo er gelegen hatte, begann die schimmernde Luft zu glühen, und es bildete sich eine Kugel goldenen Lichtes, die sich schließlich hob, um einen niedrigen, runden Tisch zu offenbaren. Auf dem schneeweißen Tischtuch prangten eine Flasche mit klarem, gelben Wein und drei kristallene Kelche. Den Rest des Platzes auf dem Tisch nahmen Brot und Früchte ein, und der wunderbare Duft des Essens ließ D’arvan das Wasser im Mund zusammenlaufen. Aber ein Schrei von Maya lenkte seine Aufmerksamkeit davon ab. »Eilin!«

Er fuhr in seinem Sessel herum, gerade rechtzeitig, um noch zu sehen, wie der Körper der Erdmagusch von demselben goldenen Licht umfangen wurde. Noch während er hinsah, war sie plötzlich verschwunden.

»Keine Angst, Maya.« Hellorins Stimme klang beschwichtigend. »Meine Heiler übertreffen die der Magusch noch bei weitem. Eßt, Kinder, und ruht euch aus – und erzählt mir eure Geschichte.« Er goß ihnen Wein ein und reichte ihnen die funkelnden Kelche. Maya, die gerade einen Schluck davon nehmen wollte, zögerte plötzlich, und der Waldfürst lächelte. »Wieder einmal die Legenden, Maya? Nun, du brauchst dir in diesem Fall keine Sorgen zu machen. Wenn ihr unser Essen eßt und unsere Getränke trinkt, werdet ihr euch dadurch nicht weiter in meine Macht begeben, als ihr es bereits getan habt.«