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»Du willst, daß wir das Schwert bewachen.« D’arvans Enttäuschung über seinen Vater kämpfte mit seinem Verständnis für die Zwangslage des Waldfürsten. Ein Herrscher sollte seinen eigenen Gesetzen gehorchen, und auf Hellorins Schultern lastete die Verantwortung für sein Volk. »Ich werde es versuchen«, sagte er schließlich. »Aber Vater, ich bitte dich nur um eines – bitte laß Maya aus dem Spiel.«

»Nein, D’arvan. Wir werden das zusammen durchstehen.«

»D’arvan, das kann ich nicht.« Hellorin und Maya erhoben beide gleichzeitig ihre Stimmen zum Protest.

Der Magusch blickte mit wachsendem Ärger von seinem Vater zu seiner Geliebten. »Hört auf der Stelle damit auf.«

Maya und Hellorin sahen einander an und brachen in Gelächter aus. »Ah, was für eine Frau!« sagte Hellorin. »Wie sehr ich wünschte, ich könnte euch beide hier bei mir behalten. Aber wir stehen im Bann von Ereignissen, die viel größer sind als wir.« Er streckte die Arme aus und zog sie beide eng an sich. »Ich verspreche euch, daß ihr nicht getrennt werdet, obwohl ich euch als Liebende auseinanderreißen muß. So lange zumindest, bis ihr eure Aufgabe erfüllt habt. Da das so sein wird, müssen die größeren Ereignisse noch eine Weile warten. Ihr braucht ein wenig Zeit füreinander – soweit die Zeit hier überhaupt Gültigkeit hat –, und ein Zimmer ist für euch bereit. Geht, Kinder, und ruht euch aus – oder auch nicht, ganz wir ihr wollt!« Er sah sie mit einem arglistigen Zwinkern an. »Ich werde euch rufen, wenn es Zeit ist, zu gehen.«

Am nächsten Morgen trafen sie sich in der großen Halle wieder, nach dem, was für die Welt eine Nacht gewesen wäre, auch wenn sie D’arvan und Maya zu kurz vorgekommen war. Hellorin umarmte sie noch einmal. »Seid ihr bereit, Kinder?«

Sie nickten. Sie waren bereit, soweit das möglich war. Während der kurzen Zeit, die sie hatten allein sein dürften, hatten sie ihre Ängste und Geheimnisse miteinander geteilt, hatten sich ihre eigenen Schwüre geschworen, einander endlos geliebt und versucht, für die Zeit, die sie getrennt sein würden, Erinnerungen in ihrem Gedächtnis zu bewahren. »Wird es Eilin gutgehen?« fragte Maya, und D’arvan staunte wieder einmal über ihren Mut, während sie aufrecht und gelassen vor seinem Vater stand.

Hellorin nickte. »Unsere Heiler sagen, daß sie sich erholen wird, und sie wird in Sicherheit und Ehren bei uns bleiben, bis diese Sache erledigt ist.«

»Ich danke dir«, sagte Maya einfach. »Hast du eine Ahnung, wie lange das dauern wird?«

Da war ein Stocken in ihrer Stimme, und D’arvan wurde plötzlich klar, daß sie ebensoviel Angst hatte wie er.

Hellorin schüttelte den Kopf. »So lange, bis der Eine das Schwert fordert, das ist alles, was wir wissen. Laßt uns um unser aller willen hoffen, daß er sich beeilt!«

Mayas Augen zwinkerten. »Was macht dich so sicher, daß es ein Mann ist, mein Fürst?« Sie trat zurück, um D’arvan die Möglichkeit zu geben, sich nun selbst von seinem Vater zu verabschieden.

Hellorin umarmte ihn heftig. »Wie sehr es mich bekümmert, den Sohn zu verlieren, den ich gerade erst gefunden habe.«

»Und mich bekümmert es, dich zu verlieren«, flüsterte D’arvan. »Ich hoffe, wenn das alles vorbei ist, werden wir einen Weg finden, uns dafür zu entschädigen.«

Hellorin nickte ernst. »Und jetzt, mein Sohn, mußt du uns in deine Welt bringen«, sagte er.

D’arvan starrte ihn an. »Ich? Aber wie?«

»Tu dasselbe, was du gestern getan hast. Ruf den Wald, den wirklichen Wald. Benutze den Stab der Lady Eilin, den du bei dir trägst – er hat mehr Macht, als du dir vorstellen kannst.«

Es war leichter, als D’arvan erwartet hatte. Eilins Stab schien von allein nach Hause gehen zu wollen. Binnen weniger Atemzüge standen sie im Licht des Sonnenaufgangs am Seeufer. Das Gras war aufgerissen, wo die Wurzeln sich hineingebohrt hatten, und obwohl die Ranken sich vom Turm zurückgezogen hatten, waren dessen Mauern zerfurcht und die Fensterscheiben zerschlagen, so daß der Bau dem Zugriff der Elemente nun offen und schutzlos ausgeliefert war.

»Es würde Eilin das Herz brechen, wenn sie das sähe«, murmelte D’arvan.

»Das wird sie nicht.« Während Hellorin sprach, begann der Turm zu verschwimmen und verschwand schließlich ganz. An seiner Stelle stand nun ein gewaltiger roter Kristall. Als er die ersten Strahlen der Sonne auffing, erglühte er in pulsierender Helligkeit und summte vor Macht und Kraft, ein Trugbild, so wollte es scheinen. In seinen glitzernden Facetten wurden die Umrisse des Schwertes sichtbar, eines Schwertes, das in seinem eigenen geisterhaften Licht schimmerte.

»So kann es nicht bleiben.« Hellorin machte eine ungeduldige Bewegung mit der Hand, und der massive Edelstein verfinsterte sich und wurde grau, bis er schließlich das Aussehen eines riesigen, groben Felsbrockens hatte. Die ganze Vegetation schwärmte aus, um ihn zu bedecken, und Moos und Flechten erschienen plötzlich auf seiner rauhen Oberfläche.

Maya keuchte. »Wie hast du das gemacht?« wollte sie wissen. »Ich dachte, du hättest keine Macht in dieser Welt.«

»Ich habe es durch D’arvan getan«, erklärte der Waldfürst. »Er hat mich hierher gebracht, und er ist zum Teil ein Phaerie wie ich und zum Teil ein Magusch; und die Magusch haben diese Regeln gemacht. Aber wir müssen uns beeilen. Ich kann ihre Magie nur bis zu einem gewissen Punkt lenken.« Auf Hellorins Gesicht zeichnete sich bereits die gewaltige Anstrengung ab. »Und jetzt, meine liebste Tochter …«

»Warte!« Maya rannte auf D’arvan zu und schlang ihre Arme um ihn. »Ich liebe dich«, wisperte sie.

»Und ich liebe dich.« Er küßte sie ein letztes Mal und trat dann, als der Waldfürst die Hand hob, widerwillig zurück.

Maya verschwand. An ihrer Stelle erschien das schönste Geschöpf, das man seit der Morgendämmerung der Welt erblickt hatte. Ein Einhorn, körperlos und, wie es schien, geschaffen aus allen Arten von Licht: dem Glimmern von Sternen, dem hauchzarten Mondlicht, den silbernen Morgennebeln und weißglühenden Sonnenstrahlen dort, wo seine Hufe den Boden berührten. Auf seiner Stirn thronte ein langes, schlankes, grausam scharfes Silberhorn.

»Siehst du?« sagte Hellorin weich. »Unsere Kriegerin trägt noch immer ihr Schwert – denn es wird ihre Aufgabe sein, das Schwert der Flamme zu beschützen. Nur du kannst sie sehen, für alle anderen wird sie unsichtbar sein. Um des Schwertes wert zu sein, muß sein Träger ebenso weise wie mutig sein. Um sich ihm zu nähern, muß der Eine eine Möglichkeit finden, das Unsichtbare zu sehen, denn auf keine andere Weise kann das Einhorn überwunden werden.«

»Überwunden?« rief D’arvan. »Getötet, meinst du?«

»Nein, ich meinte nicht getötet. Es ist ein Teil des Zauberers, daß Mayas Wächterschaft aufgehoben wird, sobald irgend jemand außer dir sie sehen kann. Es wird keine Notwendigkeit zum Töten geben. Außerdem«, fügte Hellorin hinzu, »würde ein Wesen, das es wert ist, das Schwert der Flamme zu tragen, ein so wunderschönes Geschöpf freiwillig töten? Ich glaube nicht.«

D’arvan schüttelte den Kopf. »Und was hast du für mich auf Lager?« fragte er gepreßt.

»Für dich? Du bist Erdmagusch und Sohn des Waldfürsten. Du trägst den Stab der Lady Eilin, und der Wald wird dir gehorchen. Du mußt den wilden Wald in dieses Tal zurückbringen; fülle ihn mit einer unüberwindlichen Barriere aus Bäumen. Die wilden Geschöpfe werden hier bei dir wohnen, und die Wölfe werden deine Freunde sein und dir bei deiner Arbeit helfen. Du wirst das Schwert vor allen Feinden bewahren, und der Wald wird den Feinden des Bösen Zuflucht geben – die du ebenfalls schützen und bewahren wirst – und doch werden sie dich niemals sehen, nie von deiner Gegenwart erfahren. Du und Maya, ihr werdet euch die Wächterschaft teilen, bis der Eine kommt, um das Schwert zu holen. Dann werdet ihr befreit und wieder vereint, so wie wir alle, wenn die Zeit gekommen ist.« Noch während er sprach, begannen die Umrisse seines Körpers zu zittern und zu schimmern. »Ich kann nicht länger bleiben. Lebe wohl, mein Sohn, und vergib mir.« Er verschwand.