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Dann sah Aurian ihren ersten Gegner und blieb wie angewurzelt stehen. Sie hatte einen der massigen Krieger erwartet, mit denen sie trainiert hatte, damit Eliizar ihre Fähigkeiten beurteilen konnte. Statt dessen stand sie nun einem Fremden gegenüber – einem drahtigen, kleinen Mann, dessen Muskeln auf seinen Armen und Beinen wie knorrige Seile hervortraten. Sein Kopf reichte ihr kaum bis zu den fest eingeschnürten Brüsten. Was ist das? dachte die Magusch wütend. Machen sie sich über mich lustig? Noch während sie darüber nachdachte, schoß ihr Gegner blitzschnell vor, seine Klinge ein silberner Nebel. Kaltes Feuer rann durch ihren linken Arm, gefolgt von einem Strom heißen Blutes, als der Mann auch schon wieder zurücktänzelte und außerhalb ihrer Reichweite war. Aurian starrte einen Sekundenbruchteil lang auf die klaffende Wunde direkt unterhalb ihrer Schulter, wo die Spitze seines Schwerts niedergesaust war. Forrals Stimme hallte in ihren Gedanken wider. Unterschätze niemals einen Gegner, egal wie er aussehen mag.

Eiskalter Verstand kühlte Aurians vom Kampf erhitztes Blut ab. Sie umkreiste den kleinen Mann mit neuem Respekt und versuchte, seinen nächsten Schritt vorherzusehen, suchte nach einer Schwäche in seiner Haltung. Dann war der kleine Wicht plötzlich wieder da, wie Quecksilber. Aurian duckte sich, schwang ihre eigene Klinge rein instinktiv, und spürte den Luftzug seiner Schwertspitze auf ihrem Schenkel. Es gab ein reißendes Geräusch, und der Saum des lächerlichen Kampf rocks, den die Gladiatorin trug, flatterte in Lumpen auf ihrer nackten Haut. Wieder spürte sie das warme, verräterische Tröpfeln von Blut und machte einen Schritt nach hinten. Nichts Ernstes diesmal, ein bloßer Kratzer, es brannte, aber sonst nichts. Ihr eigener Hieb hatte ihn jedoch getroffen. Sie war zu groß – ihr instinktiver, auf den Kopf gerichteter Schlag, hatte ihn oben am Schädel getroffen. Ein Streifen Fleisch hing ihm über dem linken Auge, und aus der Wunde auf seinem Schädel strömte ihm Blut übers Gesicht. Er tänzelte vor ihr, genauso wie sie es tat, und wartete auf eine Gelegenheit. Als er ihren Blick auffing, grinste er – ein tapferes Lächeln, er grüßte sie. Aurian lächelte zurück und erwiderte seinen Gruß mit einer kaum wahrnehmbaren Neigung ihrer Klinge. Er hatte Mut, und er wußte, daß sie ebenfalls mutig war. Aurian wünschte, sie könnte an seiner Seite kämpfen statt gegen ihn.

Sie machte einen Ausfall, er eine Finte. Patt. Wieder tänzelten sie. Die Menge war unruhig; sie wollten, daß etwas passierte. Vereinzelte Buhrufe und Pfiffe waren zu hören. Der kleine Mann holte aus, Aurian rollte unter seiner Klinge weg und fluchte, als ein heißer Schmerz ihren verwundeten Arm herunterschoß. Sie landete auf den Füßen und sah ihren Gegner an. Ihre Klinge hatte ihn bei ihrem letzten Manöver am Knöchel erwischt. Reiner Zufall – oder gewann langsam wieder Forrals schonungsloses Training die Oberhand? Er humpelte schwer, sein Fuß war halb abgetrennt, und er verlor eine Menge Blut. Die Menge tobte, wartete gierig auf den Todesstoß. Für Aurian war der Pöbel der Feind, nicht der mutige Krieger. Hör damit auf, warnte sie sich. Das hier ist nicht die Garnison. Sentimentalitäten bedeuten hier deinen Tod.

Aurian wappnete sich, legte ihre Rechte noch fester um den Griff des Schwerts und balancierte es, so gut es ging, mit der beinahe nutzlosen Linken aus, die das Schwert nur noch kraftlos zu umklammern vermochte. Der kleine Mann taumelte, und sein Gesicht war von Schweiß und Blut überzogen. Ohne Vorwarnung bewegte sich Aurian schnell nach rechts, so daß er wegen des über seinem linken Auge hängenden Fleischfetzens einen Augenblick lang nichts sehen konnte. Er drehte sich um, aber zu spät. Aurian spürte einen sengenden Schmerz in ihrem linken Arm, als sie das Schwert durch Knochen bohrte, und dann fiel sein Kopf und rollte durch den Sand, während sein Körper noch taumelte und in einem Strom von Blut, der aus dem abgetrennten Hals heraussprudelte, zu Boden stürzte. Das Todesheulen der Menge hätte sie beinahe bäuchlings neben ihn geworfen. Aurian, von dem Getöse erschüttert, stand über ihrem toten Gegner, hob ihre blutüberströmte Klinge und küßte sie. Der Gruß eines Kriegers für den Gefallenen.

Es war ein Glück, daß das Aufgrölen der Menge sie warnte. Von Tränen geblendet, hatte Aurian nicht gesehen, wie ihre nächsten Gegner sich aus dem Tunneleingang gelöst hatten. Nun waren sie schon fast bei ihr. Blitzschnell fuhr sie sich mit ihrer blutigen Hand über die Augen und drehte sich um, um der neuen Herausforderung zu begegnen. Aber was war los? Zwei Männer, von denen der eine mit einem langen Speer bewaffnet war, der andere nur mit einem Netz. Aurian blinzelte verwirrt. Das hier lag vollkommen außerhalb ihrer Erfahrungen. Die beiden Männer trennten sich, der eine ging nach links, der andere nach rechts, so daß sie sie nicht mehr beide gleichzeitig im Auge behalten konnte. Dann, zu spät, begriff sie. Es war eine Zwickmühle. Sie mußte den Krieger mit dem tödlichen Speer beobachten, diesem Speer, der auf ihre Brust zielte. Wenn sie ihren Blick von ihm abwandte, konnte er seinen Speer schleudern oder auf sie losstürmen – aber solange sie den Speerkämpfer beobachtete, konnte der andere sich mit dem Netz hinter sie schleichen und sie kampfunfähig machen.

Eine Woge des Zorns überflutete Aurian wie ein Waldbrand. Wie unfair! Aber diesmal fing sie sich schnell wieder und zwang sich, ruhig zu bleiben und nachzudenken. Fair oder nicht – sie mußte sich ihren Weg in die Freiheit erkämpfen. Die ganze Zeit, während der sie nachdachte, wich Aurian langsam zurück und versuchte dabei, beide Männer gleichzeitig im Blick zu behalten. Es würde nicht mehr lange dauern, dann hatten sie sie an der steinernen Mauer, die die Arena umsäumte, in der Falle. Sie sah, wie ihre beiden Widersacher einen Blick tauschten. Einen Blick des Verstehens. Also wollten sie sie genau dort haben! Aurian verstand nicht, warum, aber wenn das das Ziel der beiden Männer war, würde sie dabei nicht mitspielen.

Sie machte einen Ausfall nach rechts und sprang dann plötzlich nach links auf den Mann mit Netz zu. Aus dem Augenwinkel sah sie eine blitzartige Bewegung, als der Speermann zum Wurf ausholte. Aurian spürte die schwere Spitze durch ihre Wade gehen, spürte, wie sie den Knochen streifte und die Muskeln zerriß. Um ein Haar wäre sie vor Schmerz und Schreck ohnmächtig geworden, aber ihr verzweifelter Sprung hatte sie weit genug von den beiden Männern weggebracht. Sie schürfte sich die Handgelenke auf, als die scharfe Kante ihres Schwerts den Mann mit dem Netz am Knie traf. In einer Pfütze seines eigenen Blutes brach er auf dem Boden zusammen, verkrüppelt und schreiend.

Der Speermann, der nun entwaffnet war, machte einen Satz, um nach dem Netz zu greifen, solange Aurian noch kampfunfähig war. Sie hatte keine andere Wahl, sie brauchte den Speer mit seiner längeren Reichweite, um sich selbst zu verteidigen. Aurian ließ ihr Schwert fallen und griff nach dem hölzernen Schaft, um die gezackte Metallklinge aus ihrem Bein zu reißen. Sie fühlte, wie Fleisch und Muskeln zerrissen, und ihr wurde schwindelig. Eine Woge der Übelkeit verschlang sie, und ihre Umgebung verschwamm vor ihren Augen. Sie hatte keine Zeit, sich aufzurappeln. Beinahe blind riß sie den Speer herum und schleuderte ihn mit dem dicken Endstück zuerst in das am Boden liegende Netz. Mit einem scharfen Ruck gelang es ihr, die verhedderten Maschen direkt unter den gerade zupackenden Händen des Speermannes wegzuziehen.

Es war das letzte, womit er gerechnet hatte. Jetzt würde er, wenn er das Netz wiederhaben wollte, ihr näher kommen müssen, als es ohne eine Waffe in der Hand klug gewesen wäre. In dem Sekundenbruchteil seines Zögerns, noch während er die verschiedenen Möglichkeiten abwog, handelte Aurian bereits. Sie zog das glatte Speerende aus dem Netz heraus, drehte den Speer um – und warf.

Der Speermann hatte ihren Plan durchschaut. Er hatte sich bereits umgedreht und rannte weg, und Aurian, die immer noch auf dem Boden lag, konnte in ihrer Position nicht viel Kraft aufwenden. Aber die Entfernung war kurz, und es reichte. Er taumelte, stürzte zu Boden; die blutige Speerspitze hatte sich in seinen Rücken gebohrt. War es möglich, daß sie ihn getötet hatte? Gewiß nicht, dachte Aurian schwach. Aber ob er nun tot war oder nicht, er stand jedenfalls nicht mehr auf. Auf der anderen Seite würde ihr Sieg, falls sie nicht sofort aufstand, auch nicht als solcher gezählt werden. Sie erinnerte sich an den erschöpften jungen Krieger, der die Arena verlassen hatte, bevor sie sie betrat, verdammt zu einer Wiederholung seines Kampfes, sobald seine Wunden verheilt waren.