Выбрать главу

Das Heulen der Menge entfernte sich, während sich die Dunkelheit wie ein willkommener Schleier über ihren Kopf senkte. Es wäre so leicht, sich einfach fallen zu lassen, in die Bewußtlosigkeit hinüberzugleiten … Vielleicht würde sie überleben und an einem anderen Tag noch einmal kämpfen können … Was? Das alles noch einmal durchmachen? »Nein!« sagte Aurian entschlossen zu sich selbst. »Steh auf, Krieger!« Sie griff nach ihrem Schwert, stieß seine Spitze in den blutbefleckten Boden und zog sich blind in die Höhe, wobei sie sich auf die starke Klinge stützte. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen. Ihr verwundetes Bein konnte sie nicht tragen, und ihr Rücken schmerzte an der Stelle, die sie sich bei ihrem Sturz verrenkt hatte, ihr linker Arm war beinahe nutzlos. Die Anstrengung und der Blutverlust hatten sie vollkommen erschöpft. O ihr Götter, dachte sie. Wie kann ich in diesem Zustand weiterkämpfen? Flüchtig sehnte sie sich nach ihren verlorenen Kräften. Wenn doch nur diese verdammten Armreifen nicht wären, dachte sie verbittert, dann könnte ich mich immer noch retten, aber warte! Die Armreifen hielten sie zwar davon ab, ihre Kräfte nach außen zu richten, aber würden sie auch verhindern, daß sie sie nach innen richtete? Sie dachte an den Aufstand in Nexis und wie sie den Zorn des Pöbels genutzt hatte, um den Regen zu bringen …

Aurian konzentrierte sich mit aller Macht und kehrte ihren Willen nach innen, wie sie ihn normalerweise nach außen wandte, um zu manipulieren … Und es kam! Sie sog Energie von der Hitze der Sonne ein; von der schieren Lebenskraft und dem Blutdurst des Pöbels, der sie umgab. Für die Leute auf den Bänken wirkte es wie eine plötzliche Abkühlung der Luft, wie ein kurzer Schatten, der sich vor die Sonne schob, obwohl keine einzige Wolke das makellose Blau des Himmels verunstaltete …

Aurians hektischer Atem wurde ruhiger und ihre Sicht klarer. Sie konnte ihre Wunden nicht heilen und nicht einmal den Schmerz auslöschen, aber die vom Blutverlust rührende Schwäche war von ihr gewichen, und ihr Körper spürte die erneute Stärke aus ihrer geborgten Energie. Zum ersten Mal wunderte sie sich nun, warum es eine Verzögerung im Ablauf des Arenaspektakels gab, obwohl sie dadurch den Aufschub erhalten hatte, den sie so dringend benötigte. Die Schreie der Menge kehrten in ihr Bewußtsein zurück, überschwemmten sie wie eine Gezeitenwoge. Was war es, was diese Leute da riefen?

»Dämon! Dämon!« Es schien einige Verwirrung zu geben. Bisher waren auch keine weiteren Gegner aufgetaucht. Aurian stützte sich auf ihr Schwert, denn sie wußte, daß sie mit ihrer Kraft sparsam umgehen mußte. Sie sah Eliizar, der vor dem blumengeschmückten, königlichen Balkon stand. Er schien in irgendeine Art von Debatte mit dem König verwickelt zu sein.

Anscheinend waren sie nun zu einem Entschluß gekommen. Der Schwertmeister kam zu ihr und schüttelte den Kopf. »Das ist wirklich noch nie dagewesen«, sagte er. »Die Menge will, daß du die letzte Kampfesprobe mit menschlichen Kriegern überspringst. Sie fordern, daß du dem Schwarzen Dämon gegenübertrittst, und Seine Majestät hat zugestimmt. Die neue Khisu war aus irgendeinem Grund dagegen, aber der Khisu hat sich durchgesetzt.«

Aurian richtete sich auf und sah Eliizar in die Augen. Was für eine Farce! dachte sie gereizt. Mein Schicksal hängt von einem königlichen Streit ab. »Na schön«, sagte sie resigniert. »Dann bringt euren Dämon her.«

Eine Träne lief aus Eliizars gesundem Auge, als er Aurian kurz in die Arme schloß. »Lebe wohl, du tapferste aller Kriegerinnen«, sagte er. »Es tut mir leid, daß es so enden muß. Möge der Schnitter dir gnädig sein.« Und dann war er verschwunden.

Vielen Dank für die Aufmunterung, Eliizar, dachte Aurian kläglich. Während sie wartete, hämmerte die sich langsam nach Westen drehende Sonne weiter auf sie ein. Die Fliegen summten und schwebten über dem Blut, das klebrig aus ihren Wunden tröpfelte. Die Menge war nun ganz still und voller Erwartung. Aurian nahm eine zitternde Hand von ihrem Schwertgriff, um sich den Schweiß und den Schmutz aus dem Gesicht zu wischen. Sie hatte furchtbaren Durst, sagte sich aber fest, daß dies die geringste ihrer Sorgen war. Was war das für ein Dämon, vor dem sie alle solche Angst zu haben schienen? Welche Form würde er annehmen? Ein großer Eisenkäfig, gezogen von einem Dutzend starker Sklaven, wurde in die Arena gerollt. Als die Prozession stehenblieb, schoß ein Sklave hervor und zog den dicken Eisenstab heraus, der die Tür verschlossen hielt, und hastete dann mit seinen Kameraden so schnell er nur konnte in die Sicherheit des Tunneleingangs zurück. Die hölzernen Tore fielen mit einem Dröhnen hinter ihnen zu und versperrten den einzigen Ausgang. Aurian wartete. Die dicken Stäbe des Käfigs standen so nahe beieinander, daß sie nicht sehen konnte, was sich im Innern befand.

Eine dunkle, schattenhafte Gestalt wanderte ruhelos im Käfig umher.

Dann gab es ein plötzliches, grollendes Brüllen, das die Erde unter Aurians Füßen erzittern ließ. Ein Geräusch, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, voller Zorn und Drohung. Entsetzt über diesen Lärm, zuckte die Menge zurück. Dann schwang die Tür des Käfigs auf, die metallenen Angeln quietschten, und eine gewaltige schwarze Gestalt mit flammenden Augen schlängelte sich geschmeidig auf den Sand. Ein großes, rotes Maul öffnete sich mit einem Fauchen trotziger Herausforderung und entblößte dabei geschwungene, elfenbeinfarbene Fangzähne, die länger waren als Aurians Hände. Die Magusch keuchte, und ihre Finger schlangen sich noch fester um das Heft ihres Schwertes.

Der Dämon war eine große Katze, größer als Aurian es sich in ihren schlimmsten Alpträumen hätte vorstellen können. Von der Nase bis zum Schwanz war die Katze zweimal so lang wie ein Mensch, und sie reichte Aurian in der Höhe bis zur Taille. Als sie ihr Opfer fixierte, loderten ihre gelben Augen wie Feuer.

Langsam und unerbittlich pirschte sie sich heran, und ihre Klauen glitzerten in dem blutigen Sand wie große, stählerne Krummsäbel.

Aurian stellte sich breitbeinig hin und hob ihr Schwert, obwohl ihr das Herz vor Angst wild gegen die Rippen schlug. Wie konnte irgend jemand hoffen, ein solches Geschöpf zu besiegen? Wie konnte sie es besiegen, gequält von Verletzungen und Erschöpfung? Dann begegnete ihr Blick dem ihres Widersachers, und mit einem plötzlichen Erschrecken berührte ihr Geist den Geist der gewaltigen Katze. Sie war intelligent, eine weibliche Katze. Eine Königin – die Patriarchin ihres Volkes –, gefangen, gedemütigt und rachsüchtig.

Die Magusch raffte ihre verwirrenden Sinne zusammen und versuchte, in Gedanken eine Brücke zu ihrer Gegnerin zu schlagen. »Warte«, sagte sie.

»Warum?« Die Antwort war voller Hohn, aber Aurian spürte auch das dahinter verborgene Erstaunen. Die Katze kam näher, beinahe nahe genug, um mit der Tatze zuzuschlagen. Aurian war fast froh darüber, daß ihr verwundetes Bein sie daran hinderte, wegzulaufen. Sie versuchte es noch einmal.

»Ich bin nicht dein Feind. Auch ich bin eine Gefangene.« Ruhig, Aurian. Du darfst nicht flehen.

»Alle Menschen sind meine Feinde.«

»Ich nicht.« Die Magusch gab ihrer Gedankenstimme einen festen Klang. »Die Leute hier sind auch meine Feinde. Warum sollten wir einander töten, obwohl wir die gleichen Feinde haben?«

Die Katze hielt einen Augenblick inne. Sie hatte eine gewaltige Tatze wie zum Schlag erhoben und schien nachzudenken. Dann nahm sie plötzlich eine drohende, geduckte Haltung ein. »Du lügst!« fauchte sie. »Stirb!« Und sie sprang.