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Der Bau war bereits so weit vorangeschritten, daß man die massiven weißen Steinblöcke, die mit Lastkähnen von den Steinbrüchen im Oberland herbeigebracht wurden, an ihren Platz setzen konnte. Gruppen erschöpfter Sklaven zogen an den Seilen der großen Winden, die die Blöcke anhoben, während andere über die abgestuften Flächen der Holzgerüste schwärmten, die sich an den halbfertigen Mauern entlangzogen. Wieder andere waren damit beschäftigt, riesige Mengen Mörtel anzurühren, der in der glühenden Sonne ständig auszutrocknen drohte. Ganze Horden von Steinmetzen, Bildhauermeistern und Zimmerleuten gingen ihren Pflichten nach, und mit Pergamentrollen und einem gerüttelt Maß an Arroganz bewaffnete Architekten streiften überall umher. Auf dem flachen Boden beim Fluß war eine gewaltige Außenküche aufgebaut worden, um die Horden der Arbeiter mit Nahrung zu versorgen, und schwitzende Köche arbeiteten pausenlos, scheinbar unbeeindruckt von dem Gestank, dem Staub und der riesigen Wolke sie umschwärmender Fliegen.

Anvars Gruppe wurde auf einem der wackligen Holzstege abgesetzt, die in das schlammige Wasser hineinragten, und der örtliche Sklavenmeister kam herbeigeeilt, um sie mit mürrischem Gesichtsausdruck zu begutachten. »Ist das alles?« fragte er den Kapitän des Lastkahns. »Ich brauche dreimal so viele. Wenn das so weitergeht, wird der Palast nie fertig. Die Sklaven halten unter diesen Bedingungen einfach nicht lange.«

Der Kapitän spuckte auf den staubigen Boden. »Laß deinen Zorn nicht an mir aus«, brummte er. »Ich bringe sie nur her, egal, wie viele. Vielleicht würden sie sich ja besser halten, wenn du sie besser behandeln würdest.« Er warf einen verächtlichen Blick auf den staubigen, lärmerfüllten Arbeitsplatz.

»Sag mir nicht, wie ich meine Arbeit machen soll, du Hafentrottel. Wenn dieser verdammte Palast für den Khisu nicht rechtzeitig fertig ist, werden Köpfe rollen, und ich werde auf keinen Fall die Schuld auf mich nehmen. Wie soll ich denn mit diesem Abfall arbeiten, den ihr mir hier raufschickt … Guck dir doch bloß den da an!« Der Sklavenmeister zeigte mit dem Finger auf Anvar, dessen helle Haut und blondes Haar ihn sofort verdächtig machten. »Was, im Namen des Schnitters, soll das denn sein?«

Der Kapitän zuckte die Achseln. »Woher soll ich das wissen? Ich bringe sie nur her, erinnerst du dich? Zahn erzählt mit nicht, wo er seine Sklaven herbekommt, und ich stelle keine Fragen – so etwas ist ungesund. Solange er immer wieder welche schickt, wärst du gut beraten, sie einfach zu nehmen und deinen Mund zu halten. Wen schert schon die Farbe von so einem verdammten Sklaven? Zahn? Nicht, wenn da ein Gewinn drin ist. Und den Khisu? Alles, worüber Xiang sich Gedanken macht, ist, daß dieser verfluchte Palast endlich fertig wird. Tu einfach nur, was du sonst auch tust – laß den Bastard arbeiten, bis er umkippt, und begrab ihn irgendwo außer Sichtweite oder wirf ihn den Eidechsen im Fluß zum Fraß vor. Wenn irgend jemand fragen sollte, ich habe ihn nie gesehen. So, und jetzt muß ich wieder weg. Hier stinkt es!«

»Eine schöne Hilfe bist du«, brummte der Sklavenmeister. »Sag Zahn, daß ich mehr brauche – und die Qualität sollte sich lieber verbessern, sonst könnte vielleicht jemand dem Khisu ins Ohr flüstern, daß da irgendwer illegale Nordländer importiert.«

Der Kapitän spuckte noch einmal aus. »Ich werde Zahn überhaupt nichts sagen – und an deiner Stelle würde ich meine verdammte Zunge hüten. Da ich ihn kenne, würde ich sagen, daß es nicht unwahrscheinlich ist, daß du dich eines Tages unter deinen eigenen Grundmauern begraben wiederfindest.« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging.

Die Sklaven wurden sofort zur Arbeit eingeteilt. Einer nach dem anderen wurde von seinen Fesseln befreit und danach befragt, ob er irgendwelche besonderen Fähigkeiten besaß, wie zum Beispiel Kenntnisse in der Arbeit eines Steinmetz oder eines Zimmermanns. Wenn er solche Fähigkeiten hatte, konnte er sich glücklich schätzen, denn er wurde zu den Handwerkern geschickt, um ihnen zu helfen, und auf diese Weise blieb ihm viel grausame Knochenarbeit in dem brutalen, heißen Klima erspart. Als der Aufseher auf Anvar zukam, fand dieser sich plötzlich in einem Dilemma – sollte er so tun, als sei er der Landessprache nicht mächtig, in der Hoffnung, daß er auf diese Weise eine Chance haben würde, irgendwann zu fliehen, oder sollte er seine Fähigkeiten als Zimmermann, die er von seinem Großvater erworben hatte, ins Feld führen, damit er an diesem schrecklichen Ort vielleicht ein wenig länger überleben konnte? Aber die Entscheidung wurde ihm erspart. Als der Aufseher auf ihn zuging, trat der Sklavenmeister dazwischen. »Nicht den da«, fuhr er ihn an. »Den will ich nicht allzu lange hier haben. Schick ihn an die Hebewerke.« Die Hebewerke hielten, wie Anvar schon bald herausfand, die schlimmste Arbeit bereit. Zwanzig Sklaven zogen gleichzeitig an dicken Seilen, die die massiven Steinblöcke die halbfertigen Mauern hinaufzogen. Je mehr Blöcke hinaufkamen, um so höher wurden die Wände, und um so größer war der Arbeitsaufwand der sich abrackernden, erschöpften Sklaven. Die Zahl der Todesopfer war erschreckend hoch. Sobald ein Block seinen Weg nach oben begonnen hatte, gab es kein Zurück mehr, denn wenn der Schwung plötzlich nachließ, fiel der Stein zu Boden und konnte dabei möglicherweise zerspringen, was eine Verschwendung von Zeit und Arbeit zur Folge hatte – es würde ein neuer Stein herbeigeschafft werden müssen, und der Khisu wollte, daß sein Palast endlich fertig wurde. Wenn also ein Sklave das Pech hatte, seinen Halt zu verlieren oder vor Erschöpfung zusammenzubrechen, wurde er von denen, die hinter ihm standen, niedergetrampelt, die dann an seiner Stelle verzweifelt darum kämpften, daß ihre eigenen nackten Füße nicht auf der schleimigen, blutigen Masse ausrutschten, die einmal ein Mensch gewesen war.

Es war ein Alptraum ohne Ende. Vom Morgengrauen bis in die Abenddämmerung hinein gab es kaum einmal eine Pause. Das Essen war dürftig und wenig sättigend – ein dünner Brei aus gekochtem Korn, der am Morgen und am Abend ausgeteilt wurde. Auch das Wasser reichte für die Bedürfnisse der Sklaven unter dieser brennenden Sonne nicht aus, und viele brachen mit einem Hitzschlag zusammen. Brutale Aufseher gingen mit Peitschen in der Hand an den Reihen der Sklaven vorbei und ließen es nicht zu, daß das Tempo auch für einen Augenblick nachließ.

Wolken stechender Insekten umschwärmten die Arbeiter, und im Schatten der Steinblöcke lauerten Schlangen und Skorpione, deren Stiche oder Bisse in die nackten Füße und Beine der hilflosen Sklaven zu einem langsamen, qualvollen Tod führten.

Am Ende des ersten Tages war Anvars helle Haut von der grausamen Sonne verbrannt und mit Blasen überzogen. Seine Hände und Schultern waren blutig und aufgerissen von der Arbeit mit den rauhen Seilen; seine nackten Füße waren von dem unebenen, kiesigen Boden zerschnitten. Sein Rücken war mit Peitschenstriemen übersät, sein Kopf hämmerte von der erbarmungslosen Hitze, und seine Zunge war in seinem ausgedörrten Mund geschwollen. Seine von Schmerzen erfüllte Welt war zu einem einzigen Gedanken zusammengeschrumpft: Weitermachen. Überleben.

In der gesegneten Kühle des Abends ersetzte eine andere Gruppe die erschöpften Überlebenden an den Flaschenzügen, und die Arbeit ging im Schein von Fackeln weiter. Anvar und die andere Sklaven, die tagsüber gearbeitet hatten, wurden in einen von hohen Pfählen umrandeten Pferch getrieben. Es war nicht einmal der Versuch unternommen worden, den Pferch sauber zu halten, und er stank wie eine Jauchegrube und wurde von Fliegenschwärmen heimgesucht. Jedermann, der durchs Tor kam, erhielt eine Handvoll Haferschleim, und ein langer Steintrog innerhalb ihres Gefängnisses wurde schließlich mit schmutzigem Flußwasser gefüllt. Anvar erkämpfte sich einen Platz zum Trinken an dem Trog, an dem die Männer zusammenströmten und wie Tiere um das unappetitliche Wasser rangen. Dann entfernte er sich taumelnd von der Tränke und legte sich irgendwo in den Schmutz, zu erschöpft, um nachzudenken oder auch nur die Schmerzen seines geschundenen Körpers zu spüren. Es schien, als hätte er erst einen Augenblick geschlafen, da wurde er auch schon mit einem Tritt geweckt, um einen weiteren Weg voller Schinderei und Qualen zu beginnen.