Выбрать главу

Harihn verbrachte einen guten Teil seiner Zeit mit der Magusch, und im Laufe ihrer Unterhaltungen erzählte er ihr auch von dem Stadtstaat Taibeth, in dem sie sich zur Zeit aufhielt. Es war die Hauptstadt und der nördlichste Vorposten der Khazalim, von denen die meisten ein Nomadenleben in der unfruchtbaren Wildnis südlich des großen Flußtales führten oder weiter flußaufwärts in einer der verstreuten Siedlungen im Westen wohnten. »Es ist ein schwieriges Land«, erklärte er ihr, »und die Khazalim sind schwierige Menschen – wild, kriegerisch und gnadenlos zu ihren Feinden. Mein Vater ist ein gutes Beispiel für unsere Rasse.« Mit diesen Worten begann er von seiner unglücklichen Kindheit zu sprechen.

Die Mutter des Prinzen war eine Prinzessin der Xandim gewesen, die weit jenseits der Wüste lebten und bekannt waren für ihre legendären Pferde. Xiang hatte sie bei einem Überfall auf ihr Volk geraubt und zu seiner Frau gemacht, aber ihr Geist hatte sich als zu stolz und zu unabhängig für den Geschmack des Khisu erwiesen. Als Harihn noch ein kleiner Junge war, hatte Xiang seine Mutter schließlich von Meuchelmördern im Fluß ertränken lassen und ihren Tod später als Unfall hingestellt. Ihr Sohn hatte seine Kindheit auf Streifzügen durch den königlichen Palast zugebracht, einsam und ungeliebt, ein fortwährendes Opfer der Brutalität seines Vaters. Aber der Khisu hatte sich nie eine neue Königin genommen, und als einziger königlicher Erbe war Harihns Leben nie bedroht gewesen – bis jetzt.

Sehr zu Aurians Mißfallen weigerte der Prinz sich, die Idee fahren zu lassen, Anvar dazu zu benutzen, die neue Königin in Mißkredit zu bringen. »Wirklich«, sagte er, »dein Mann könnte sich als eine gute Waffe gegen meinen königlichen Vater erweisen.«

»Also, einen Augenblick mal«, unterbrach Aurian ihn. »Ich werde nicht zulassen, daß Anvar wegen dieser Fehde zwischen Euch und eurem Vater in Gefahr gerät.«

»Gefahr? Fehde? Aurian, du verstehst nicht.« Harihn beugte sich vor, und der Blick in seinen Augen war unmißverständlich. »Dein Mann befindet sich in der allergrößten Gefahr, falls er überhaupt noch lebt. Wenn der Khisu herausfindet, welche Verbindung zwischen diesem Mann und seiner neuen Khisihn besteht, dann ist Anvars Leben kein Sandkorn mehr wert. Und was ist mit der Khisihn selbst? Ich habe doch ihre Unbarmherzigkeit gesehen, als sie deinen Tod forderte. Sie würde deinen Mann niemals am Leben lassen und so riskieren, daß ihr Geheimnis preisgegeben werden könnte. Nein, ich muß meine Suche sofort verstärken. Ich möchte dieses Faustpfand so bald wie möglich in meinen Händen halten, nicht nur um deines Seelenfriedens und um meiner Ziele willen, sondern auch zu seiner eigenen Sicherheit.«

Nichtsdestotrotz dauerte es noch weitere vier Tage, bis die Suche die ersten Erfolge zeigte. Aurian, vor Ungeduld fast wahnsinnig, hatte sich schließlich das Recht erstritten, ihr Bett verlassen zu dürfen. Ihre Beharrlichkeit hatte Harihn, den Arzt und Shia bis zu einem Punkt ermüdet, an dem sie beschlossen, Bohan zu erlauben, sie nach draußen zu tragen und sie in dem mit Mauern umgebenen Garten in einen bequemen Sessel zu betten; ihr verletztes Bein mußte sie jedoch noch immer auf einen Hocker legen. Es war ihr außerdem streng verboten, aufzustehen, und der Eunuch war ständig in Bereitschaft, um sich um jeden ihrer Wünsche zu kümmern. Nun, immerhin war es endlich ein Fortschritt, dachte Aurian finster. Zuerst hatte sie dem Prinzen zugesetzt, er solle diese verdammten Armreifen entfernen und ihr gestatten, sich selbst zu heilen, aber er hatte ihr gesagt, daß das Geheimnis, wie man Fesseln entfernte, schon vor langen Zeiten verlorengegangen sei. Außerdem, so wollten es die alten Gesetze, war die Befreiung eines Zauberers innerhalb der Grenzen des Königtums verboten. Die Strafe für eine solche Tat sah vor, daß alle Beteiligten bei lebendigem Leibe gehäutet wurden. Obwohl die Magusch das Thema schließlich widerwillig fallengelassen hatte, war ihre Verzweiflung diesbezüglich nur noch größer geworden. Aurian saß neben dem reich geschmückten Schwimmbecken im Schatten eines blühenden Baumes und kochte innerlich. Shia, die die Geduld mit ihrer reizbaren Freundin verloren hatte, hatte sich in den Schatten verzogen, um ein Schläfchen zu halten. Die Magusch war damit beschäftigt, mißlaunig die wechselnden, duftenden, trompetenartigen Blüten zwischen ihren Fingern zu zerfetzen und die Einzelteile ins Becken zu werfen, wo sie sofort von den gierigen, goldenen Karpfen verschlungen und ebenso schnell wieder ausgespuckt wurden. Aber die Fische versuchten es immer wieder. Ihr dummen Geschöpfe, dachte Aurian mißmutig. Man sollte doch meinen, ihr würdet es irgendwann lernen. Gerade in diesem Augenblick sprang Bohan, der ganz in ihrer Nähe im Gras gesessen hatten, auf die Beine. Er hatte die sich nähernden Schritte gehört und warf sich jetzt hastig vor seinem Prinzen zu Boden, der mit leuchtendem Gesicht über die Terrasse gelaufen kam. »Ich habe Neuigkeiten, Aurian«, rief er. »Endlich gibt es Neuigkeiten!«

Aurian versuchte sich zu erheben, aber er drückte sie sanft wieder in ihren Stuhl zurück. Ein scharfer Schmerz schoß durch ihre verbundenen Rippen, aber sie ignorierte ihn. »Erzählt es mir!« rief sie. Von der unbarmherzigen Hitze erschöpft, ließ Harihn sich neben ihr ins Gras fallen und goß Wein aus einem Krug, der auf dem niedrigen Tisch neben ihr stand, in zwei Kelche.

»Wir haben gestern abend den Kapitän des Korsarenschiffes ausfindig gemacht«, sagte er. »Es widerstrebte ihm natürlich sehr, den illegalen Handel mit Fremden zuzugeben, aber ein kurzer Aufenthalt in meinem Kerker hat seine Einstellung schnell verändert.« In seinen Augen funkelte eine wilde Schadenfreude, die Aurian verabscheuenswert erschien. Wie der Vater, so der Sohn, dachte sie. Ich sollte vorsichtiger sein.

»Es sieht so aus«, fuhr Harihn fort, »als hätte er deinen Anvar an einen berüchtigten Sklavenhändler namens Zahn verkauft. Meine Männer haben ihm heute morgen einen Besuch abgestattet. Zuerst hat er alles geleugnet, aber als man ihn vor eine einfache Entscheidung stellte – entweder eine große Bestechung oder ein Besuch bei seinem Freund, dem Kapitän, in meinem Kerker –, war er plötzlich äußerst hilfreich. Was wirklich ein Glück ist.« Er runzelte die Stirn.

»Wäre ich gezwungen gewesen, Zahn gefangenzunehmen, hätte ich damit auf jeden Fall die Aufmerksamkeit des Khisus erregt – Zahn ist die Hauptquelle für die Sklaven, mit denen er seinen Sommerpalast baut. Wenn mein Vater von deinem Mann erfahren hätte, wäre das für uns alle vielleicht äußerst unangenehm gewesen.«

»Gleichgültig«, drängte Aurian ihn ungeduldig weiter, denn diese Dinge interessierten sie nicht im geringsten – ein Fehler, wie sie später entdecken sollte. »Wo ist Anvar? Wo habt Ihr ihn gefunden?«

»Mach dir keine allzu großen Hoffnungen, Aurian.« Harihns Gesicht war plötzlich sehr ernst geworden. »Zahn hat ihn an die Leute verkauft, die flußabwärts den Sommerpalast für meinen Vater bauen. Der Khisu will, daß er endlich fertig wird, und es kümmert ihn nicht, wie viele Leben er für diesen Zweck verschwenden muß. Ich habe die Baustelle einmal besucht. Die Brutalität, mit der die Sklaven dort behandelt werden, hat mir den Magen umgedreht.«

Er griff nach der Hand der Magusch. »Aurian, dein Anvar ist dort vor mehreren Wochen hingekommen, und die Sklaven sterben da wie die Fliegen. Außerdem habt ihr Nordländer nicht die richtige körperliche Verfassung für dieses Klima. Es ist beinahe sicher, daß er tot ist, Lady.«

»Nein!«

Als er ihr unglückliches Gesicht sah, fuhr er schnell fort. »Aber ich habe ein Boot bereitmachen lassen, und ich werde mich sofort auf den Weg machen, um es herauszufinden.«