Выбрать главу

»Aurian!« Mit einem erschreckenden Aufblitzen kehrte die Erinnerung zu Anvar zurück und mit ihr die Verwirrung. War das die Oase? Aber es blieb ihm keine Zeit, darüber nachzudenken. Die Magusch wurde schwächer, wurde hinabgezogen von einer großen, schwarzen Last, die größer war als sie selbst – Shia. Anvar wußte irgendwie, daß es das Ende für sie alle bedeuten würde, wenn er ebenfalls in den Teich sprang. Er reckte sich, so weit er konnte, und beugte sich bis an die absolute Grenze seiner Reichweite über das Wasser. Aurians wilde, unkontrollierte Bewegungen machten es ihm schwer. Er verfehlte sie einmal, zweimal. Obwohl sie immer noch genau wie er ihre Wüstengewänder zu tragen schien, fand er nichts, woran er sie hätte festhalten können. »Deine Hand«, rief er ihr zu und betete darum, daß sie ihn hörte. »Gib mir deine Hand!«

Er sah, wie sie Shia mit dem einen Arm fester packte, sah das Weiß ihres anderen Arms, als sie ihn nach ihm ausstreckte. Er beugte sich gefährlich weit nach vorn, griff wild nach ihrer Hand und versuchte, sich zurückzuwerfen, als er spürte, wie seine Finger sich um ihr Handgelenk schlössen. Das vereinte Gewicht von Aurian und der Katze zog an ihm; er spürte, wie er ausglitt … Anvar legte sich flach auf den Boden und klammerte sich mit aller Kraft fest; die Muskeln seines Armes waren zum Zerreißen gespannt. Wenn er beide Hände hätte benutzen können – aber die andere klammerte sich noch immer an das weiche Moos, der einzige Halt, der ihn davor bewahrte, der Magusch in den Teich zu folgen. Obwohl das Moos tiefe Wurzeln hatte, konnte Anvar spüren, wie es sich unter seinen Fingern auflöste, wie es begann, vom Boden abzureißen …

Als das Moos schließlich ganz nachgab und Anvar nach vorn rutschte, kam eine Hand aus dem Nichts und umklammerte sein Handgelenk wie mit Adlerklauen. Lange gezackte Nägel bohrten sich in die dünne Haut, zerrissen Sehnen und Knochen und ließen ihn vor Schmerzen aufschreien, aber er lockerte keinen Augenblick lang den Griff, mit dem er die Magusch festhielt. Mit einem mühelosen Ruck zog die Hand ihn aus dem Teich herauf – und Aurian und Shia mit ihm. Dann ließ die Klaue ihn schließlich los; der Abdruck der gespenstischen Finger, die sein Fleisch versengt hatten, schmerzte höllisch. Dort, wo die Nägel tiefe, halbmondförmige Schnitte hinterlassen hatten, war seine Haut blutig und aufgerissen. Er biß sich auf die Lippen, um den Schmerz ertragen zu können, und rollte sich auf den Rücken. Sein Herz zog sich zu einer Kugel aus Eis zusammen, als er aufsah und in das vernarbte und verzerrte Gesicht blickte, in die ausgebrannten Augenhöhlen, die einstmals den furchterregenden Blick des Erzmagusch beherbergt hatten!

Miathan war ganz in Schwarz gekleidet, sein Gesicht gräßlich entstellt. Die Haut um seine leeren Augenhöhlen war geschwärzt und aufgerissen. Sie eiterte und entblößte übelkeiterregende Fetzen roten Fleisches und darunter den weißen Schädelknochen. Und mitten in den dunklen Tunneln beider Augenhöhlen saß je ein geschliffener Diamant. Die Edelsteine brannten mit einem flackernden Licht, bald weiß, bald rot, und sie gaben seinem schädelhaften Gesicht die seelenlose Bedrohlichkeit eines riesigen Insekts. Aber mehr als alles andere war es sein Lächeln, das tiefes Entsetzen in Anvars Herz senkte. Sprachlos, von Grauen erfüllt und wie gelähmt, blickte Anvar in dieses Gesicht mit seinem hämischen, bösartigen Ausdruck.

Eine Hand griff nach seiner Schulter. Aurian benutze ihn, um sich auf die Füße zu ziehen, und versuchte dann, ihn hinter sich in Sicherheit zu bringen. In ihren Augen brannte silberner Haß. Anvar konnte ihre Furcht an dem leichten Zittern ihrer Finger erkennen, aber in ihrem Gesicht war nichts davon zu sehen. Beschämt von ihrem Mut, versuchte er, sich zu erheben, aber der Erzmagusch machte eine verachtungsvolle, zuckende Handbewegung. Seine kristallenen Augen flackerten in einem unheiligen Licht, und ein Blitz sengender Schwärze schlug Anvar nieder, so daß er keuchend vor Schmerz auf dem Boden liegenblieb.

»Wie kannst du es wagen!« Aurian stand plötzlich vor Miathan, und ihre Stimme donnerte wie ein Erdrutsch. »Es ist verboten, an dem Ort zwischen den Welten Magie anzuwenden!«

Das Lachen des Erzmagusch war laut und voll grausamem Hohn. »Närrin! Du weist mich auf das Gesetz der Gramarye hin, mich, der ich dich alles gelehrt habe, was du weißt? Ich wage alles!« Seine knochige, klauenartige Hand stieß nach vorn und schoß einen Peitschenschlag aus Schwärze auf die Magusch. Sie stieß einen Schmerzensschrei aus und krümmte sich zusammen, bevor auch sie zu Boden fiel.

Obwohl seine Augen nicht mehr da waren, war es offensichtlich, daß der Erzmagusch die geheime Magie der Juwelen benutzte, um sehen zu können. Das kalte, gräßliche Glitzern eines leeren Blicks streifte über Aurian und Anvar, und sein gespenstisches Gesicht zeigte ein häßliches Höhnen. »So ist es schon besser«, sagte er. »Kriecht vor mir im Staub, wo ihr hingehört!«

Aurian zog sich auf die Knie und spuckte Miathan vor die Füße. »Ich werde nie vor dir kriechen, du Stück Dreck. Aber eines Tages werde ich dich töten, darauf hast du mein Wort.«

Miathan lachte wieder. »Wirklich?« höhnte er. »Das bezweifle ich – hilflos wie du bist, mit Forrals Brut in deinem Bauch. Du hättest dich besser mir unterworfen, Mädchen. An meiner Seite hättest du Macht gehabt, soviel du nur wolltest. Statt dessen bist du nichts – ein hoffnungsloser Flüchtling, verkrüppelt von einer halbsterblichen Abscheulichkeit. Ohne deine Kräfte bist du so hilflos wie eine Bettlerin; und wie jede Straßenhure wird dich jedermann nehmen können, der an dir vorüberkommt – einschließlich dieses feigen Bastards, dieses Abschaums hier!«

Er wandte sich Anvar zu, und seine Stimme bebte vor Verachtung. »Du hast jetzt wohl, was du wolltest, hm? Ihre Kräfte sind dahin, Anvar, und dein langes Warten ist vorüber. Wer weiß, es wird dir vielleicht sogar gefallen – sie scheint es zu genießen, sich mit sterblichem Abschaum, wie du es bist, zu besudeln!«

Miathans Stimme hatte die Kraft, seine Opfer in ihrem Bann zu halten. Anvar blickte zu Aurian auf, die hilflos vor ihm lag, und er spürte, wie sein lange unterdrücktes Verlangen sich wieder regte. Er hörte Aurian keuchen. Die Angst und die entsetzlichen Zweifel in ihren Augen schössen durch ihn hindurch wie ein Schwert, als er begriff, daß Miathan sie hereingelegt hatte. Er funkelte den Erzmagusch wütend an, und sein Verstand war durch das Aufflackern seines Zorns, der wie eine eisige Flamme brannte, plötzlich wieder klar geworden.

»Ich bin kein Sterblicher, Miathan«, sagte er gelassen, »wie du selber weißt. Ich habe meine Kräfte, die du mir gestohlen hast, wiedererlangt. Und du brauchst deine Gelüste nicht auf mich zu übertragen – Aurian weiß ganz genau, wer von uns beiden sie besudeln will und wer sie beschützen wird –, sie mag hilflos sein, aber wenn du ihr zu nahe kommst, wirst du es mit mir zu tun bekommen.« Aber Miathan hatte den Kessel, und Anvars Worte waren leer, und er wußte es. Trotzdem sah er, daß Aurian ihm einen dankbaren Blick zuwarf, der jedoch von einer Grimasse verzerrt wurde bei dem Gedanken daran, seinen Schutz zu brauchen. Das war so charakteristisch für sie, daß es ihm trotz der Gefahr, in der sie schwebten, neuen Auftrieb gab.

Miathan, ungerührt vom Fehlschlagen seines Plans, grölte vor Lachen und Hohn. »Du hättest bei deinem früheren Ehrgeiz, Sänger und Spielmann zu werden, bleiben sollen, mein Junge. Schon jetzt schenkst du mir die Belustigung, die ich erwartet habe. Denn wisse dies« – seine Stimme wurde plötzlich hart – »ich habe euch beide nicht aus Herzensgüte aus dem Brunnen der Seelen gerettet.«

»Das stimmt – denn du hast kein Herz!« fuhr Aurian auf.

»Still!« Seine ausgestreckte Hand ließ einen harten Hieb aus Schwärze über ihr Gesicht krachen. Sie taumelte, unterdrückte aber einen Aufschrei und biß sich vor Schmerz auf die Lippen.

Anvar, der nun vor Wut kochte, obwohl er kurz zuvor noch eiskalt gewesen war, versuchte sich auf Miathan zu stürzen, aber der Erzmagusch ließ ihn mit einer beiläufigen Geste erstarren und sprach weiter, als sei nichts geschehen. »Ich hätte euch hier umkommen lassen können und mir damit eine Menge Ärger erspart, wenn ich euch als Bedrohung betrachtet hätte. Aber ich bin noch nicht fertig mit euch, mit keinem von euch. Es würde mich bekümmern, Anvar, wenn dein Tod schmerzlos und schnell wäre, und was dich betrifft, meine Liebe«, er wandte sich mit einem klaren Grinsen an Aurian, »habe ich ganz andere Pläne. Bis wir uns in Fleisch und Blut wieder gegenüberstehen, könnte ich euch damit unterhalten, euch euer jeweiliges Schicksal vorzustellen, aber für den Augenblick – lebt wohl!«