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Forral nahm die Weinflasche zur Hand und stellte sie dann mit einer Grimasse wieder ab. Langeweile und Untätigkeit waren schuld daran, daß er immer mehr trank, aber damit würde er seine Probleme niemals lösen. Mit finsterem Blick betrachtete er die Mauern aus dickem, grauem Stein, die zu seinem Gefängnis geworden waren. Es war wirklich und wahrhaftig an der Zeit, daß sich etwas änderte. Geistesabwesend griff er abermals nach der Flasche, goß sich einen Becher Wein ein und begann über seine Zukunft nachzudenken. Der Söldnerdienst mit seinen Gefahren und Härten war für ihn lange nicht mehr so erstrebenswert wie damals, als er noch jünger war. Es gab keinen Zweifel – das Leben im Fort hatte ihn verweichlicht.

Ein Klopfen an der Tür riß ihn aus seinen Gedanken, und ein junger Soldat trat ein wenig schüchtern ein. Forral war sich der Tatsache bewußt, daß seine Soldaten mittlerweile einen großen Bogen um ihn machten. Er hat Angst vor den Launen des Alten, dachte Forral schuldbewußt. »Ja, was gibt es?« fuhr er auf.

Der Soldat salutierte. »Sir, ein Kurier ist angekommen. Er bringt eine eilige Nachricht vom Erzmagusch persönlich.« Die Stimme des jungen Mannes war vor Ehrfurcht gedämpft, und Forral empfand genauso. Was konnte Miathan von ihm wollen? Als er den Blick des jungen Soldaten auf sich spürte, brachte er sich schnell wieder unter Kontrolle und stellte eine unbekümmerte Miene zur Schau.

»Dann schick ihn besser gleich herein.«

Der staubüberzogene Bote stolperte vor Müdigkeit. Forral schlug ihm vor, in die Messehalle zu gehen, um sich ein wenig zu erfrischen, aber der Mann zögerte. »Der Erzmagusch sagte, ich solle mich versichern, daß du die Botschaft auf der Stelle liest, Herr. Er sagte, es sei sehr wichtig.«

»Schon gut. Setz dich doch, Mann, bevor du mir hier noch umkippst.« Forral goß ihm ein Glas Wein ein, setzte sich dann ebenfalls und erbrach das Siegel der zerknitterten Schriftrolle.

»Großer Chathak!« Forrals Augen weiteten sich ungläubig. Miathan bot ihm tatsächlich die Kommandantur der Garnison an, einschließlich der dazugehörigen Position im Regierungsrat von Nexis! Aber die Bedeutung dieser Neuigkeit ging im Rest der Nachricht unter. Aurian brauchte ihn! »Ruh dich einen Tag lang aus, bevor du wieder zurückreitest«, wies er den Kurier an. »Ich muß mich sofort auf den Weg machen.« Er sprang so heftig auf, daß der Stuhl hinter ihm umfiel, lief zur Tür und brüllte nach seinem Stellvertreter.

Aurian fühlte sich verloren. Sie war gefangen in einem Labyrinth, dessen Mauern sie endlos umschlossen, während ihr Geist in qualvoller Hoffnungslosigkeit umherirrte. Manchmal hörte sie Stimmen, die Stimmen von Meiriel und Finbarr und sogar von Miathan, aber es war ihr unmöglich zu antworten. Sie verlor alles Gefühl für Zeit und Wirklichkeit, wenn sie in bizarre und angsteinflößende Träume hinüberglitt oder manchmal auch in ihre Kindheit zurückkehrte. Die Stimmen sickerten in ihr Bewußtsein, gedämpft und besorgt, und verloren sich dann wieder. Verzweifelt klammerte sich Aurian an den Klang dieser Stimmen, denn sie fürchtete um ihren Verstand.

Dann, eines Tages, drang aus der Dunkelheit eine andere Stimme zu ihr vor – eine neue und zugleich alte Stimme. Eine geliebte, vertraute Stimme, die jemals wieder zu hören sie bereits die Hoffnung aufgegeben hatte. Die Stimme zitterte vor Gefühl. »Aurian? Aurian, Liebes, ich bin es.« Es war ein Traum – es mußte ein Traum sein –, aber alles in ihr zog sich in verzweifelter Sehnsucht zu dieser Stimme hin. Die Stimme wurde plötzlich ernst. »Ich habe gehört, daß du dein Schwerttraining vernachlässigt hast. Wie willst du denn der Welt beste Schwertkämpferin werden, wenn du den ganzen Tag im Bett liegst?«

Ah, das war es also. Sie war verwundet worden. Dieser ganze Unfug mit der Akademie und dem Erzmagusch – das mußten alles Fieberträume gewesen sein. Aber bei den Göttern, sie waren ihr so real erschienen. Doch jetzt rief Forral nach ihr, und sie mußte schnell wieder gesund werden. Aurian öffnete die Augen und blinzelte verwirrt. Es war tatsächlich Forral, aber er schien älter geworden zu sein. Sein Körper war schwerer als früher, und Haar und Bart waren leicht angegraut.

»Forral?« Sie versuchte, sich aufzurichten.

»Ach, mein Liebes!« sagte Forral mit erstickter Stimme, während er sie mit einer gewaltigen Umarmung fest an sich drückte. Aurian spürte, wie ihr Herz seltsam zu klopfen begann. Nie zuvor war sie sich seiner Berührung so sehr bewußt gewesen. Über seine Schulter erhaschte sie einen Blick auf die weißen Wände der Krankenstube und die vertrauten Gestalten Meiriels und des Erzmagusch. Ihre Gedanken rasten, während sie versuchte, all diese Dinge wieder richtig einzuordnen. Sie löste sich aus Forrals Umarmung und berührte mit zaghaften Fingern sein Gesicht.

»Forral? Du bist zurückgekommen? Du bist wirklich zurückgekommen?« Unfähig zu sprechen, nickte er nur. Aurians Augen quollen über, und sie schlang nun ihrerseits die Arme um ihn und drückte ihn wild an sich.

»Ich freue mich wirklich, wenn irgend etwas mal ein glückliches Ende nimmt.« Miathans trockene Stimme unterbrach ihr Wiedersehen, und Aurian fragte sich, warum er so finster dreinschaute.

Forral drehte sich nun mit einem düsteren Blick zum Erzmagusch herum. »Wenn es diesmal zu einem glücklichen Ende gekommen ist, dann ist das jedenfalls nicht dein Verdienst«, sagte er unumwunden. »Wie konntest du das zulassen?«

Miathans Gesicht verdunkelte sich. Aurian zuckte zusammen, denn sie kannte das Temperament des Erzmagusch nur allzugut. Aber Forral war nicht weiter beeindruckt, sondern erwiderte Miathans Blick. »Jetzt, da ich wieder zurück bin, werde ich sehr gut aufpassen, daß so etwas nicht wieder vorkommt!«

»Das hängt ganz von dir ab«, sagte Miathan kühl. »Als ich dir meinen Vorschlag gemacht habe, schienst du alles andere als begeistert davon zu sein. Wie kannst du Aurian helfen, wenn du dich sonstwo aufhältst?«

»Was hat das zu bedeuten?« unterbrach ihn Aurian.

Forral seufzte. »Der Erzmagusch hat mir die Kommandantur der Garnison angeboten«, sagte er.

»Das heißt ja, daß du in Nexis bleiben wirst!« Aurian konnte ihre Freude kaum verbergen. »O Forral, wie wunderbar! Ich habe dich so sehr vermißt!«

Forral sah sie hilflos an und schüttelte den Kopf. »Na schön, Miathan, ich gebe nach. Ich akzeptiere dein Angebot. Aber nur zu meinen Bedingungen. Und bevor ich anfange, bringe ich Aurian von hier weg, damit sie Urlaub machen kann – einen ausgedehnten Urlaub – auf deine Kosten.«

Aurian und Forral verließen die Akademie, ohne zu ahnen, daß sie aus einem Fenster hoch oben im Maguschturm beobachtet wurden.

»Verflucht!« schnaubte Bragar. »Warum konnte diese arrogante Hexe nicht einfach sterben? Warum hat Miathan diesen verwünschten Schwertkämpfer hergeholt? Je weniger Figuren an diesem Spiel beteiligt sind, um so besser; vor allem, soweit es Aurian betrifft.«

Eliseth lachte; ein sanftes, selbstgefälliges und silbriges Lachen. »Ich würde mir keine allzugroßen Sorgen machen, Bragar.« Sie legte eine kühle Hand auf seinen Arm. »Ich habe das Gefühl, daß Miathans kleines Schoßkätzchen sich bald selbst aus dem Spiel ziehen wird.«

»Wie meinst du das?« Bragar runzelte die Stirn.

Eliseth lachte wieder. »Ihr Männer, was seid ihr doch begriffsstutzig! Hast du nicht bemerkt, wie sie diesen Hornochsen von einem Sterblichen angesehen hat?«

»Was?«