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Eilin war alt geworden, dachte der Schwertkämpfer. Das überraschte ihn. Die Angehörigen der Magusch konnten wie die Sterblichen an einer Krankheit oder bei einem Unfall sterben, aber wenn das nicht geschah, lebten sie, so lange sie wollten, und starben erst, wenn sie sich aus freien Stücken entschlossen, diese Welt zu verlassen. Und ihre äußere Gestalt veränderte sich nicht mit den Jahren, es sei denn, sie wünschten es so. Forral erinnerte sich an Eilin als eine lebenssprühende junge Frau, aber jetzt war ihr dunkles Haar mit grauen Strähnen durchzogen, und ihre Stirn war zerfurcht. Tiefe, bittere Linien hatten sich um ihre Mundwinkel gebildet, und in ihrer geflickten, verblichenen Robe wirkte sie bleich und schmerzlich dünn.

»Eilin, ich bin es – Forral«, sagte er, während er versuchte, sein Entsetzen zu unterdrücken. Er trat einen Schritt vor, streckte die Arme aus, um sie an sich zu ziehen, und prallte zurück, als ihr Gesicht sich bei seinem Anblick vor Wut verzerrte.

»Hinaus!« fuhr Eilin ihn an. Dann beugte sie sich über das Kind und schlug es mitten ins Gesicht. »Wie kannst du es wagen, ihn hierherzubringen!«

Aurian versteckte sich hinter Forral. »Es war nicht meine Schuld«, wimmerte sie.

Forral, in dem heißer Ärger aufgestiegen war, drehte sich um und nahm sie in den Arm. »Kommst du zurecht?«

Aurian nickte und biß sich auf die Lippe. Auf ihrem bleichen Gesicht prangte ein häßlicher roter Abdruck. Forral sah Tränen in ihren Augen und drückte sie kurz an sich.

»Geh nach unten und warte an der Brücke auf mich«, bat er sie sanft.

Als das Mädchen gegangen war, wandte der Schwertkämpfer sich wieder an Eilin. »Das war nicht fair«, sagte er kalt.

»Es gibt keine Fairneß auf der Welt, Forral – das habe ich herausgefunden, als Geraint starb. Sie hätte dir sagen sollen, daß ich niemals jemanden empfange!«

»Das hat sie auch getan. Und ich habe es ignoriert. Möchtest du mich jetzt schlagen?« Es kostete ihn große Mühe, seinem Zorn nicht freien Lauf zu lassen.

Eilin wandte sich ab, um seinem Blick auszuweichen. »Ich möchte, daß du wieder gehst. Warum bist du überhaupt hergekommen?«

»Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte, nachdem ich gehört habe, was Geraint zugestoßen ist. Ich wünschte, ich wäre früher gekommen. Vielleicht hätte ich dich davor bewahren können, zu einer verbitterten alten Frau zu werden.«

»Wie kannst du es wagen!«

»Das ist nur die Wahrheit, Eilin. Aber ich bin hergekommen, um dir um Geraints willen meine Dienste anzubieten, und dieses Angebot gilt noch immer.«

Eilin stolzierte zur anderen Seite des Zimmers hinüber; sie war so wütend, daß sogar ihre Bewegungen ruckartig wurden. »Ich verfluche dich, Sterblicher! Wankelmütig und treulos wie alle deines Volkes! Welchen Sinn haben deine Dienste jetzt? Wo warst du vor acht Jahren, als ich dich gebraucht hätte? Du warst Geraints Freund – auf dich hat er gehört! Mit deiner Hilfe hätte ich ihm diesen Wahnsinn vielleicht ausreden können! Aber nein – du mußtest ja unbedingt herumstreunen – um die Welt zu sehen. Nun, ich hoffe, die Erfahrung war großartig genug, um dich für den Tod eines Freundes zu entschädigen! Deine Dienste kommen zu spät, Forral! Verschwinde von hier und komm nie wieder zurück!«

Trotz der Härte, die er sich in unzähligen Kämpfen erworben hatte, zuckte Forral bei Eilins bitteren Worten zusammen. Seine Trauer um Geraints Tod war noch immer frisch, und ihre Anschuldigungen enthielten gerade genug Wahrheit, um zu schmerzen. Vielleicht wäre es wirklich besser, wenn er ginge … Da fiel Forral plötzlich das Kind wieder ein. »Nein.« Er straffte sich. »Ich werde nicht gehen, Eilin. Es war ganz offensichtlich schlecht für dich, so lange allein zu sein, und Aurian braucht jemanden, der sich um sie kümmert. Gewöhn dich besser gleich an die Tatsache, daß ich bleiben werde, denn es gibt nichts, was du daran ändern könntest.«

»Ach nein, wirklich nicht?« Sie wirbelte herum, und Forral sah zu spät, daß sie ihren Stab in der Hand hielt. Der Boden schien sich unter ihm zu öffnen, und ein lautes Brüllen füllte seine Ohren. Vor seinen Augen explodierte ein Strom vielfarbiger Lichter. Er keuchte vor Schmerz auf, als ein kurzer, heftiger Ruck durch seinen Körper zuckte. Dann schien der Erdboden ihm plötzlich mit gewaltiger Geschwindigkeit entgegenzukommen und versetzte ihm einen harten Schlag.

Vorsichtig öffnete er die Augen. Er lag auf der anderen Seite der Brücke auf einem weichen Teppich aus grünem Gras. Nachdem er einen verwunderten Blick auf die ruhigen Gewässer vor der Insel mit ihrem hohen Turm geworfen hatte, gab er sich erst einmal einigen heftigen Flüchen hin. Das Mädchen kam über die Brücke gelaufen – die Schritte ihrer bloßen Füße hallten auf den Planken wider. Direkt neben ihm blieb sie stehen. »Sie hat dich also hinausgeworfen.« Sie klang nicht im mindestens überrascht, aber er konnte Angst auf ihrem Gesicht lesen. Er setzte sich auf und stöhnte.

»Was zur Hölle war das denn?«

»Ein Apportzauber.« Aurian schien stolz darauf zu sein, das richtige Wort zu kennen. »Das kann sie ziemlich gut – auf diese Weise hat sie auch all die Erde ins Tal bekommen. Sie hat eine Menge Übung darin.«

»Ein Apportzauber, hm?« Forral runzelte die Stirn und fuhr sich beunruhigt mit den Fingern durch sein lockiges, braunes Haar. »Aurian, wie weit kann sie mich mit diesem Zauber fortschaffen?«

Das Kind zuckte mit den Schultern. »Ungefähr so weit, wie sie es getan hat, glaube ich. Du bist schwerer als die Lasten, die sie für gewöhnlich bewegt. Warum?«

»Ich möchte sicher sein, daß sie mich nicht einfach aus dem Tal herauswirbeln kann. Es gibt angenehmere Arten zu reisen!«

»Ich denke, sie erwartet von dir, daß du den Rest des Weges reitest«, sagte Aurian ernsthaft, und Forral brach in Gelächter aus.

»Ich wette, daß sie das tut! Nun, sie wird eine Überraschung erleben. Aurian, wie würde es dir gefallen, mir dabei zu helfen, hier ein Lager aufzuschlagen?«

Ungläubige Freude leuchtete auf dem Gesicht des Mädchens auf. »Du meinst, du bleibst hier?«

»Es gehört schon mehr dazu als ein paar Hexentricks, um mich zu verjagen, Kleines. Natürlich bleibe ich!«

Es war der glücklichste Nachmittag in Aurians Leben. Sie und Forral errichteten ein Lager in einem Wäldchen von kräftigen jungen Buchen, die links von der Brücke wuchsen. Aurian war ein wenig besorgt darüber, daß Forral sich ausgerechnet diese Stelle ausgesucht hatte, denn sie wußte, daß er dort, wo ihre Mutter ihn nicht sehen konnte, sicherer gewesen wäre, aber Forral lachte nur. »Das ist genau das, was ich will, Kleines. Wann immer Eilin einen Blick aus dem Fenster wirft, wird sie mich direkt hier vor ihrer Nase sehen. Ich habe die Absicht, ein Dorn im Fleisch deiner Mutter zu sein, bis sie diesen Unsinn aufgibt!«

Das Lager machte einen sehr guten Eindruck, dachte Aurian. Sie wünschte nur, sie hätte auch dort wohnen können. Forral hatte ein Seil zwischen zwei knorrige Bäume geschlungen und eine Rolle Segeltuch hinter seinem Sattel hervorgezogen; dann hatte er das Segeltuch so über das Seil gehängt, daß es an beiden Seiten bis zum Boden herabhing, die beiden Seiten auseinandergezogen und schließlich mit Steinen beschwert, so daß ein primitives Zelt daraus geworden war.

»Aber der Wind wird hindurchblasen«, wandte Aurian ein.

Forral zuckte mit den Schultern. »Ich habe schon in Schlimmerem gehaust.« Ein wenig ungehalten war er jedoch, als sie ihm sagte, daß er von dem Holz des Tales nichts würde verbrennen können. Ihre Mutter hatte einen Schutzzauber über Bäume und Sträucher gelegt, so daß sie kein Feuer fangen konnten. Das Brennholz, das sie selbst benötigten, holten sie von jenseits des Tales. Aurian hatte es nicht leicht, ihn davon zu überzeugen, aber zu ihrer Erleichterung gab er schließlich nach, wenn auch nur widerwillig. »Im Augenblick kann ich noch ohne ein Feuer auskommen, aber Eilin sollte sich besser ein wenig beeilen und vor Wintereinbruch wieder zur Vernunft kommen«, knurrte er.