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Als er die gewundene, geschotterte Auffahrt zu seiner Villa hinaufritt, verzog sich Vannors Gesicht zu einem Lächeln reinster Freude. Er wußte jetzt, wo sie wohnte, und, bei allen Göttern, sobald die Krise erst vorüber war, würde er sie wiedersehen.

7

Feuertod

Nachdem sich der große Regen endlich eingestellt hatte, ebbte die Gefahr von Unruhen in der Stadt rasch ab. Regelmäßige Lebensmittellieferungen nach Nexis wurden aufgenommen. Zuerst war es wenig, doch es wurde immer mehr. Die von Parric ausgesandten Kommandos zur Beschlagnahmung von Lebensmitteln fanden mehr, und mehr Gefallen an ihrer Aufgäbe, und die zunächst widerstrebenden Kaufleute (deren Kooperation Vannor praktisch erzwungen hatte) überwachten die gerechte Verteilung der Rationen. Endlich konnte die Bevölkerung von Nexis wieder essen – und obwohl es ihnen ganz und gar gegen ihre menschliche Natur ging, mußte sie anerkennen, daß sie die glückliche Wendung der Umstände der jungen, rothaarigen Magusch verdankten, die ihnen den Regen gebracht hatte.

Die Nachricht von Aurians Tat hatte sich wie ein Lauffeuer durch Nexis verbreitet, und überall, wo sie und Forral gesehen wurden, mußte die junge Magusch verlegen feststellen, daß sie viele neue Bewunderer gefunden hatte. Obwohl die Magusch aufgrund ihres auffälligen Äußeren und ihrer scharf geschnittenen Züge in einer Menge von Sterblichen niemals unerkannt bleiben konnte, war Aurian doch überrascht, daß die Leute sie wieder und wieder erkannten, zu ihr kamen, um ihr zu danken oder, wenn es sich um Handwerker handelte, ihr ihre besten Waren als Geschenk aufzudrängen. Der Höhepunkt allerdings war eine Frau, die sich auf einem überfüllten Marktplatz aus der Menge gelöst und ihr ein schmutziges, schreiendes und ziemlich feuchtes Baby gereicht hatte, das sie offensichtlich küssen sollte. Gott, war es schwierig gewesen, sich da mit Anstand aus der Affäre zu ziehen! Als sich Aurian später bei einem dringend benötigten Krug Ale bei Forral darüber beklagte, zuckte der Schwertkämpfer nur die Achseln. »Mach dir keine Sorgen, Liebes«, sagte er. »Es ist nur eine Eintagsfliege. Die Aufregung wird sich bald gelegt haben. Und bis dahin sei doch froh, daß sie zur Abwechslung einmal den Maguschleuten dankbar sind. Du hast deinem Volk einen guten Dienst erwiesen, und ich hoffe, daß Miathan das zu würdigen weiß.«

Ihre größte Wirkung, dachte Forral, hatte Aurian allerdings durch ihren Einfluß auf Miathan erzielt. Denn ihr Umgang mit dem Erzmagusch schien ihn positiv beeinflußt zu haben. Zur großen Überraschung der beiden hatte Miathan dem Schwertkämpfer und dem Kaufmann im Rat beigepflichtet, als die ersten Bauern in der Stadt erschienen und sich über den Besuch von Parrics Kriegern beklagten. Miathan hatte die Beschlagnahmungen sanktioniert, und nur wegen der Angst der Bauern vor dem Erzmagusch konnten sie erfolgreich sein. Nachdem sich die Haltung des Erzmagusch auf dem Lande erst einmal herumgesprochen hatte, stießen die Truppen kaum noch auf Widerstand. Miathan seinerseits war natürlich glücklich über den Gewinn an Ansehen, der den Magusch zugute kam, weil Aurian die Dürre beendet hatte, und Forral war sehr erleichtert gewesen, daß die junge Magusch und ihr Mentor wieder auf freundlichem Fuß miteinander zu stehen schienen.

Nach einiger Zeit stellte Aurian fest, daß Forral recht hatte. Das Volk von Nexis lebte sein eigenes Leben, und es dauerte nicht lange, bis sie aufhörte, das Opfer seiner lästigen Aufmerksamkeit zu werden. Ohne die unwillkommene Neugier der Leute und mit dem beruhigenden Wissen, daß die Garnison bei Maya in wohlvertrauter, sicherer Hand war, konnten Aurian – nicht länger Gefangene ihres frisch erworbenen Ruhms – und Forral endlich ihren unterbrochenen Urlaub fortsetzen.

Bald verliefen ihre Tage nach einem bestimmten Muster. Manchmal spazierten sie einfach durch die Stadt und besuchten verschiedene Sehenswürdigkeiten. Aurian entdeckte eine neue Leidenschaft: das Herumstöbern auf den Ständen und in den Buden der Kaufleute, die Seide und Samt, Juwelen, Parfüm und Kämme feilhielten. Sie entwickelte in Forrals Gesellschaft plötzlich ein vorher nicht gekanntes Interesse an ihrem Äußeren. Zwar hielt sie die feingearbeiteten Gewänder, die gerade bei den Bürgersfrauen in Mode waren, für viel zu phantastisch und unpraktisch, aber der Besitzer des Flinken Hirschen war nur allzu beflissen, ihr die besten Schneider der Stadt zu empfehlen. Seine Frau, die für sich selbst in Anspruch nahm, etwas von Geschmack und Stil zu verstehen, stand Aurian gern mit Rat und Tat zur Seite und half ihr bei der Auswahl der Stoffe. Der graue Maguschkittel, den Aurian gewöhnlich getragen hatte, verschwand bald im hintersten Winkel ihres Schrankes und wurde durch leuchtende, gutsitzende Kleider ersetzt. Ihre Verwandlung verschlug ihr sogar selbst den Atem. Forral war sehr geduldig. »Gib aus, soviel du willst«, grinste er. »Letzten Endes bezahlt es ja alles der Erzmagusch.«

Obwohl Aurian mit dem Stolz der Maguschleute überreichlich gesegnet war, war sie nie besonders eitel gewesen. Die Reaktion des Schwertkämpfers auf ihren neuen Staat war befriedigend und beunruhigend zugleich. Ein ums andere Mal bemerkte sie, daß er sie anschaute, sich aber schnell abwandte, wenn sie seinen Blick auffing. Noch schlimmer war, daß Aurian sich selbst dabei ertappte, wie sie dieses Spiel mit Blicken spielte; sie entdeckte eine seltsame, neuartige Faszination, die von dem hellen Aufblitzen von Forrals Lächeln hinter seinem ergrauten Bart oder vom Spiel der Muskeln seiner kräftigen, von Schwertstreichen gezeichneten Glieder ausging, wenn er sich trotz seiner großen, kräftigen Statur mit der lautlosen Eleganz des geborenen Schwertkämpfers bewegte. Sie betrachtete seine kraftvollen, breitfingrigen, geschickten Hände und wunderte sich, wie solche Stärke mit solcher Zartheit vereint sein konnte. Sie stellte sich vor, wie diese Hände sie berührten, sie liebkosten, sie hielten … . um sich dann energisch zusammenzunehmen, verwirrt und bestürzt über ihre ungezügelten Phantasien.

Die enge, sorglose Kameradschaft, die Aurian seit ihren Kindertagen mit Forral verband, war dahin. Seit Forrals Rückkehr hatte sich eine Art Zurückhaltung zwischen ihnen herausgebildet. Eine Spannung, aufrechterhalten durch Gefühle der Schuld und durch eine Erregung, die ihrer Freundschaft jetzt eine andere Note verlieh. Und trotz alledem waren sie unzertrennlich, und jeder der beiden versuchte, so zu tun, als hätte sich nichts geändert – und das, obwohl es Aurian in höchst aufregender Weise leicht ums Herz wurde, wann immer Forral den Raum betrat, und ihre Sinne von einem schwindelerregenden, atemlosen Glücksgefühl überschwemmt wurden, wenn er in ihrer Nähe war. Aber sie war doch immer froh gewesen, ihn zu sehen … oder nicht? »Es ist schon in Ordnung«, beruhigte sich Aurian, wenn sie Nächte wachlag. »Wir waren eben sehr lange getrennt. Wir müssen uns wieder aneinander gewöhnen, das ist alles.« Und mit der Zeit begann sie beinahe selbst, daran zu glauben. Mit der Gewöhnung aneinander und der Vertrautheit, die sich einstellte, schien die Spannung zwischen ihnen nachzulassen – ein klein wenig.

Manchmal trafen sie abends Vannor oder Maya und Parric bei einem seiner kurzen Aufenthalte in der Stadt und verbrachten dann glückliche Stunden mit Reden und Zechen in einer der vielen Tavernen. Aurian fand mehr und mehr Gefallen an Mayas Gesellschaft, und die beiden waren auf dem besten Wege, enge Freundinnen zu werden.

An schönen Tagen liehen sich Aurian und Forral und manchmal auch Maya, wenn sie die Zeit erübrigen konnte, Pferde von der Garnison und ritten zu einem Picknick hinaus in das hügelige Umland von Nexis, oder sie mieteten sich ein Boot und fuhren damit das gute Dutzend Meilen flußabwärts bis zur Küste! Aurian hatte nie zuvor das Meer gesehen, aber sie liebte es vom ersten Augenblick an. Sie schwammen in dem belebenden, wunderbarerweise tragenden Wasser und lagen stundenlang im Sand. Nach und nach verlor sich die Blässe ihrer Haut, die ihr das jahrelange Lernen in den Übungsräumen der Akademie eingetragen hatte, und ihre Muskeln gewannen wieder ihre alte Spannkraft zurück. In der Hoffnung, dadurch ihre Freundschaft wieder auf ihre alte, vertraute Basis zu stellen, versuchte Aurian mit Mayas begeisterter Unterstützung, Forral dazu zu überreden, ihr Schwerttraining wiederaufzunehmen. Es widerstrebte ihm zuerst – wegen ihres Unfalls –, aber sie wußte, daß er sich insgeheim freute. Sie hatte noch ihr Schwert, das Miathan ihr inzwischen zurückgegeben hatte, und der Gedanke daran, es bald wieder zu benutzen, munterte sie etwas auf, als ihr Urlaub sich schließlich seinem Ende zuneigte.